Zum zweiten Mal liessen sich auch langjährige Beobachter verblüffen. Seit Jahrzehnten hatte die Regel gegolten, dass völlig private Initiativen beim Raketenbau zum Scheitern verurteilt waren. Finanzierung und Bau von Grossraketen waren Weltraumorganisationen von grossen Nationen vorbehalten. Seit 1957 gab es nur 10 Länder, die unbemannte Satelliten aus eigener Kraft lancieren, und sogar nur drei, welche auch Menschen ins All befördern konnten: Russland, die USA und China.
Auch hoch industrialisierte Länder, wie z.B. Japan, taten sich bei Weltraumtechnologien erstaunlich schwer, sei es nun bei den Startraketen selber oder dann bei der Navigation von Sonden zu Planeten, wie sich gleichentags bei Venus wieder gezeigt hatte.
Vertrauen der NASA in ein privates Unternehmen
Die Firma SpaceX des Unternehmers Elon Musk wurde zwar schon seit Jahren bei ihren Bemühungen beobachtet, ins Geschäft zu kommen. Die Starts von einer Pazifikinsel aus, um das Standardtriebwerk vom Typ Merlin auszutesten und fortan zuverlässig bündeln zu können, verliefen aber alles andere als viel versprechend. Jeder Misserfolg zwang zu teurem und zeitraubendem Nachschub aus den USA, und kaum jemand erwartete, dass auch die Taschen von Elon Musk tief genug sein würden, dass ihm nicht früher oder später, wie seinen Vorgängern, der Schnauf ausgehen würde.
Das Vertrauen der NASA in diese private Initiative war aber gross. Die neue US-Administration setzte trotz unschätzbaren Risiken auf die grössere Falcon-9-Rakete mit 9 Merlin-Triebwerken in der Erststufe, um künftig wenigstens den Transport von Astronauten in den Erdorbit nicht weiterhin prohibitiv teuer mit NASA-eigenen Mitteln oder mit russischen Sojus-Kapseln besorgen zu müssen.
Die NASA stellte SpaceX den Startplatz 37 am Kennedy Space Center zur Verfügung, ein Vertrauensbeweis, der die Investoren noch mutiger machte. Und nun das, was niemand erwartet hatte: zwei überzeugende Erstflüge in kurzem Abstand und in grossen technologischen Schritten!
Elon Musk übt sich in Bescheidenheit
Sogar der Countdown am 8. Dezember 2010 verlief ganz anders als das, was man früher gewohnt war. Kleine technische Probleme wurden jeweils binnen Minuten behoben, und nach einem kurzen Hold ging es schon wieder weiter. Als zwei Tage vor dem Flug eine Verschiebung um zwei Tage angekündet worden war, erwartete man eher eine einwöchige Verzögerung, als dass schon kurz darauf bekannt gegeben würde, man wolle es nun doch schon am nächsten Tag wieder versuchen. Der ausgerechnet zu schlechteren Zeiten recht selbstbewusst auftretende Elon Musk konnte sich inzwischen offenbar Bescheidenheit leisten, indem er von einer «60-prozentigen Erfolgschance» sprach.
Schon nach 11 Minuten stand fest, dass ein genügend genauer Erdorbit erreicht war. Die NASA hatte nicht nur erstmals ihre Bodenkameras für die Live-Übertragung zur Verfügung gestellt, sondern auch ihre TDRS-Satelliten, damit während den zwei geplanten Erdumkreisungen eine stabile und ununterbrochene Telemetrieverbindung sichergestellt war. Andere Länder sind oft heute noch auf einzelne Bodenstationen rund um den Globus angewiesen. Ständige Funk-Unterbrüche verhindern eine Echtzeitsteuerung und sorgen regelmässig für Nervosität in den Kontrollzentren.
Landung der "Dragon"-Kapsel im Meer - wie zu "Mondzeiten"
Nicht so beim ersten Start einer Dragon-Kapsel! Ununterbrochen herrschte Klarheit über den Zustand und die Orientierung der Kapsel im All. Es liess sich auch bereits ein praktischer Nutzen vermelden: nach der ersten Erdumkreisen gab SpaceX das Aussetzen einer Nutzlast im Auftrag der zahlenden US-Regierung bekannt. Ein winziger CubeSat hatte seine Forschung begonnen. Ein kleiner Erfolg, aber dieser wurde natürlich gerne kommuniziert, denn der Zweck der Firma besteht künftig in der effizienten Lancierung von Nutzlasten und dem Verdienen von Geld für diese Transportleistungen.
Nach dem Start um 16:43 MEZ war die Bremsung des Raumschiffes auf 19:15 angesetzt. Ein Teil der 18 Manövriertriebwerke der Kapsel musste zur richtigen Zeit in die richtige Richtung zünden. Auch dies gelang und das stand schon 8 Minuten später fest. Die restliche Zeit wurde «Dragon» in der richtigen Orientierung für den Wiedereintritt in die Atmosphäre gehalten. Was 1961 von den beiden ersten Weltraumnationen gemeistert worden war, ist nun ein knappes halbes Jahrhundert später, wenn auch noch ohne Besatzung, einer Privatfirma gelungen.
Eine kleine Bergungsflotte stand etwa 800 km westlich von Niederkaliformien bereit, um die Dragon-Kapsel – wie zu "Mondzeiten" – aus dem Pazifik zu ziehen. Dieser «Rückschritt» nach drei Jahrzehnten Pistenlandungen mit dem Space Shuttle ist wohl dasjenige Manöver, an dem SpaceX auch aus Kostengründen noch arbeiten muss. Bei Frachtflügen, wie der möglicherweise schon Ende 2011 geplanten Versorgungsmission zur Raumstation ISS, spielt das noch nicht die gleiche Rolle, wie wenn ab 2014 die ersten Astronauten zwischen der Erde und dem Orbit hin- und her fliegen sollen.
Partner für die NASA
Kurz vor 20 Uhr hing Dragon planmässig an den drei 35 m grossen Hauptfallschirmen und auch der Zeitpunkt der weichen Wasserung um 20:02 Uhr war recht genau berechnet worden. Derweil machte sich die Bergungsflotte für die Feststoff-Booster auch im Atlantik auf den Weg, um ebenso die Falcon-9-Erststufe aus dem Meer zu holen. Deren Wiederverwendung soll die Startkosten künftig noch weiter senken.
Die NASA betrachtet SpaceX also nicht als Konkurrenten, sondern unterstützt die Firma offenbar nach Kräften. Dank billigeren Transporten ins All wird ihr Budget schliesslich ausreichen, auch anspruchsvollere Missionen ins All wieder planen zu können. Damit würden die von Obama bereits ganz zur Streichung freigegebenen Flüge zum Mond auf vermehrt kommerzieller Basis doch wieder eine Chance bekommen.
Credits zum Foto:
Justin Ray/Spaceflight Now