Braucht es frischen Wind und junges Blut im Bundesrat? Mit dem 39-jährigen Bündner Jon Pult, den die SP-Fraktion der Bundesversammlung für die Nachfolge von Alain Berset portiert, wäre das gesichert. Doch welche Erfahrungen hat die Schweiz mit jungen Bundesräten gemacht? Ein Blick zurück.
Der Bündner Nationalrat Jon Pult ist einer der beiden offiziellen Kandidaten der SP für die Nachfolge von Alain Berset. Ob er, neben dem erfahrenen Basler Regierungspräsidenten und Ex-Nationalrat Beat Jans, grosse Chancen hat, das wird sich in den nächsten Wochen zeigen. «Pult ist einer der intelligentesten und begabtesten Politiker in der SP-Fraktion», urteilt der Politgeograf Michael Hermann, mag aber keine Prognose abgeben.
Numa Droz war erst 31 Jahre alt
Was die beiden Kandidaten aber vor allem unterscheidet, das ist – neben der Exekutiverfahrung, die Jans hat, Pult aber nicht – das Alter. Jon Pult ist 39, sein Gegenpart zwei Jahrzehnte älter. Er könnte also zur Verjüngung des Bundesrats beitragen. Doch der jüngste unter den Bundesräten wäre er keineswegs. Diesen Rekord hält immer noch der Neuenburger Numa Droz, der 1844 geboren, 1876 in die Landesregierung gewählt wird und ihr 17 Jahre lang angehört. Er ist zum Zeitpunkt der Wahl 31 Jahre alt und unter den frühen Bundesräten einer der interessanteren.
Denn Numa Droz kommt aus sehr einfachen Verhältnissen und setzt sich stark für die Berufs- und Arbeitsschutzgesetzgebung ein. Begabt mit einem grossen Rede- und Schreibtalent, erklimmt Droz die Ämterleiter in Windeseile: Kaum hat er das gesetzlich festgesetzte Mindestalter von 25 Jahren erreicht, wird er in den Neuenburger Grossen Rat gewählt, zwei Jahre darauf bereits in den Staatsrat. 1872 rückt er in den Ständerat auf – und schafft in einer sehr umkämpften Wahl am 18.Dezember 1875 den Sprung in die Regierung. Ihre Arbeit prägt er von Anfang an, und er bleibt in Erinnerung als der Mann, der die Aussenpolitik der Schweiz professionalisiert.
Unvergessen bleibt, wie Numa Droz 1889 dem deutschen Kanzler Bismarck entgegentritt, als dieser fordert, man möge die gegen den deutschen Polizisten Wohlgemuth wegen seiner Tätigkeiten in der Schweiz verhängten Massnahmen rückgängig machen – andernfalls werde das Kaiserreich Massnahmen ergreifen. «Die Ausübung der Polizeigewalt auf unserem Hoheitsgebiet können wir mit keiner anderen Macht teilen», lautet die selbstbewusste Antwort aus Bern.
Stämpfli verdient richtig Geld
Nur drei Jahre älter als Droz ist bei seiner Wahl der Berner Jakob Stämpfli. Auch hier setzt es am 6. Dezember 1854 eine stürmische Bundesratswahl ab, weil der von den Bernern zunächst vorgeschlagene Johann Bützberger zu wenig bekannt ist. Es braucht sechs Wahlgänge, bis die Wahl des – aufs Bundesratsamt nicht sonderlich erpichte – Stämpfli feststeht. Von seinen Kollegen wird der als Zentralist verschriene Stämpfli mit gemischten Gefühlen empfangen. Dabei bleibt es, denn Stämpfli vermag zwar zu begeistern, er treibt allerdings auch manche Krise auf die Spitze. Trotzdem ist die Überraschung gross, als der Kämpfer gegen die Eisenbahn- und Bankbarone auf das Jahresende 1863 seinen Rücktritt erklärt, um ausgerechnet an die Spitze einer Finanzgesellschaft zu wechseln. Wo er zum ersten Mal richtig Geld verdient.
Zwischen Jakob Stämpfli, der bei seiner Wahl 34 Jahre alt ist, und dem Waadtländer Constant Fornerod (Bundesrat von 1855 bis 1867) sowie dem Neuenburger Eugène Borel (1873 bis 1875), die beide 36 sind, findet sich eine Frau, die in einer allzu kurzen Amtszeit Geschichte geschrieben hat: Ruth Metzler. Die in Sursee Geborene und in Willisau Aufgewachsene zieht 1991 mit ihrem Mann nach Appenzell, wird 1996 von der Landsgemeinde in die Regierung gewählt und gehört zu den zwei Kandidatinnen, welche die damalige CVP am 11.März 1999 für die Nachfolge von Arnold Koller präsentiert.
Ruth Metzler: Immer unter Druck
Im vierten Wahlgang wird die 35-Jährige dann ihrer Mitbewerberin, der St. Galler Regierungsrätin Rita Roos, vorgezogen. Und steht als Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements von Anfang an unter dem permanenten Druck der SVP und des rechten Flügels der FDP. Umso bemerkenswerter sei, vermerkt das Bundesratslexikon, «dass sie alle 14 Volksabstimmungen in ihrer Amtszeit gewann».
Es geht um die Asyl- und Ausländerpolitik. Vor allem aber geht es um die Macht. In den Parlamentswahlen vom Herbst 2003 erstarkt die SVP, und so greift sie denn nach einem zweiten Bundesratssitz für ihren Anführer Christoph Blocher. Ruth Metzler unterliegt, die CVP verliert jene Zweiervertretung im Bundesrat, die sie heute gerne zurück hätte. Christoph Blocher allerdings wird seines Sieges nicht wirklich froh. Am 12. Dezember 2007 wählt eine Allianz aus SP, Grünen, dem Hauptharst der Christlichdemokraten und wenigen Abweichlern der FDP den Mann wieder ab, der den Bundesrat vier Jahre lang in Dauererregung versetzt hat.
Grundlage: Urs Altermatt (Hrsg.): Das Bundesratslexikon, NZZ Libro 2019