Am 1. Oktober hatten die Russen begonnen, Ziele in Syrien zu bombardieren. Schon am Tag danach begrüsste der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi die Angriffe. Vor der Uno in New York erklärte er, sein Land würde die Hilfe der Russen im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) gerne annehmen.
Kurz vor Beginn der russischen Angriffe wurde bekannt, dass Russland mit dem Irak, mit Iran und mit Syrien militärisch zusammenarbeite. Im Nachhinein wurde jedoch deutlich, dass es sich bei dieser Zusammenarbeit lediglich um den Austausch militärischer Informationen handelt. Al-Abadi sagte in New York ausdrücklich, sein Land verfüge dank dieser Zusammenarbeit mit Russland und Syrien über wichtige Informationen über den IS.
Der IS - "nicht zurückgedrängt"
Inzwischen haben sowohl irakische Militärs als auch Regierungssprecher und schiitische Milizenführer die Gründe dargelegt, weshalb sie sich eine Ausdehnung der russischen Angriffe auf irakisches Gebiet wünschten.
Zwar dankten sie der amerikanischen Koalition für ihre Angriffe gegen Stellungen des IS. Doch diese Hilfe sei „begrenzt“. Sie berufen sich dabei auf amerikanische Analysen, die besagen, dass die Bombardierungen den IS zwar „eingeschränkt“, aber nicht „zurückgedrängt“ hätten. Zudem dauere der Zustrom von islamistischen Kämpfern aus dem Ausland, auch aus den USA, weiter an.
Zuviel "Rücksicht" der Amerikaner?
Die irakischen Militärs und die Milizführer unterstreichen, dass aus ihrer Sicht die Amerikaner und ihre Verbündeten allzu vorsichtig vorgingen. Ihre Piloten hätten Regeln zu befolgen, die die Wirkung ihrer Angriffe stark beschränkten. So habe der IS oft Zeit, seine Kämpfer und schweren Waffen in Sicherheit zu bringen – bevor die amerikanischen Kampfflugzeuge angriffen.
Doch die Amerikaner haben gute Gründe, vorsichtig vorzugehen. Sie sind nach wie vor der Ansicht, dass das „Kalifat“ des IS nur mit Hilfe der irakischen arabischen Sunniten zu bekämpfen sei.
Gefahr einer Solidarisierung mit dem "Kalifat"
Sie, die arabischen Sunniten, machen etwa ein knappes Viertel der irakischen Bevölkerung aus. Sie fürchten die schiitischen Machthaber in Bagdad beinahe ebenso wie das „Kalifat“.
Die arabisch-sunnitischen Teile des Irak werden heute weitgehend vom „Islamischen Staat“ beherrscht. Würden jetzt die Amerikaner rücksichtslos in diesen Gebieten bombardieren, hätte sicher die Zivilbevölkerung zu leiden. Dann würde sie sich weiter gegen Bagdad und auch gegen die Amerikaner auflehnen. Folge wäre, dass sich die arabischen Sunniten noch mehr mit dem „Kalifat“ solidarisierten. Die Amerikaner tun also gut daran, vorsichtig vorzugehen.
Brutalere Russen?
Doch Bagdad, weitgehend in der Hand der schiitischen Volksgruppen, Parteien und Mächte, sieht dies anders. Viele Schiiten haben nichts dagegen, wenn die Sunniten als Feinde behandelt werden. Den Russen muten sie offenbar zu, dass sie weniger umsichtig, und damit brutaler gegen das "Kalifat" und seine sunnitische Zivilbevölkerung vorgehen würden.
Russische Angriffe im Irak seien deshalb notwendig, um dem „Kalifat“ beizukommen. Priorität habe, so der Ministerpräsident, den „IS zu besiegen, koste es, was es wolle“.
Irakischer Druck auf die USA?
Die Russen erklären, sie würden eine Bombardierung von IS-Stellungen im Irak in Betracht ziehen, sollten sie darum gebeten werden. Ein solches Gesuch sei jedoch bisher nicht gestellt worden.
Dies wirft die Frage auf: Handelt es sich bei den irakischen Erklärungen um Versuche, die Amerikaner dazu zu bewegen, rücksichtsloser gegen den IS und die sunnitische Bevölkerung des „Kalifats“ vorzugehen? Oder ist die irakische Regierung erst jetzt dabei, ein Hilfegesuche an Moskau vorzubereiten – ein Schritt, der dann auch der eigenen Bevölkerung erklärt werden muss.
Möglicherweise wird beides versucht. Zunächst will man die Amerikaner zu einem forscheren Vorgehen drängen. Und wenn dies nicht geschieht, wendet man sich an die Russen.
Für die Russen hat Asad Priorität
Moskau hat seinerseits wahrscheinlich ein Interesse daran, die Entscheidung über eine Ausdehnung seiner Aktionen auf den Irak hinauszuschieben. Seine Priorität dürfte sein, Asad zu stützen. Um dies zu erreichen, wollen die Russen wohl ihre beschränkten Mittel vorerst in Syrien einsetzen.
Solange kein Entscheid über ein russisches Eingreifen im Irak gefallen ist, bewahrt sich Putin die Chance, auch im Irak als einflussreicher Machtfaktor aufzutreten. Damit unternimmt er einen weiteren Schritt, die russische Machtposition im Nahen Osten weiter auszubauen.