Das Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas hat vier Tage in Peking getagt und eine «Resolution über die grossen Erfolge und historischen Erfahrungen» der Partei verabschiedet. Nach Mao Dsedong und Deng Xiaoping hat damit der jetzige Partei-, Militär- und Staatschef Xi Jinping eine neue, ganz eigene Epoche in der neuesten Geschichte Chinas eingeleitet.
Einmal jährlich versammelt sich das ZK-Plenum in Chinas Hauptstadt zum entscheidenden Powwow, wie immer hinter unüberwindlich verschlossenen Türen. Über Politik, Wirtschaft, Personalien wird beraten und entschieden. Beteiligt ist die Crème de la Crème der 95 Millionen Mitglieder zählenden Kommunistischen Partei, als da sind Minister, regionale Parteichefs, Generäle, CEOs der mächtigsten Staatsfirmen, die Parteiführung oder Provinzgouverneure. Dieses Jahr waren es insgesamt 197 Vollmitglieder und 151 alternierende Mitglieder, meist Männer, denn unter den rund 350 Anwesenden wurden gerade einmal 30 Frauen gezählt.
Die verabschiedete Resolution hat nicht nur auf Parteichinesisch «historischen» Charakter. Erst zweimal, nämlich 1945 und 1979/81, verabschiedeten die Delegierten ähnliche Resolutionen, die eine neue Epoche in der Geschichte Chinas einleiteten. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges liess Mao eine Resolution «über gewisse Fragen in der Geschichte unserer Partei» verabschieden, denn er war der Ansicht, dass es «notwendig sei, die Vergangenheit in den Dienst der Gegenwart zu stellen».
Damit gründete Mao sozusagen die rote Dynastie. Vom Tor des Himmlischen Friedens verkündete dann Mao vier Jahre später nach gewonnenem Bürgerkrieg: «China ist aufgestanden», dies nach einem «Jahrhundert der Schande», unterdrückt vom Imperialismus Europas, Amerikas und Japans. Chinas eigene Schwäche blieb in der Geschichts-Resolution unerwähnt. Der grosse Revolutionär und Reformer Deng Xiaoping leitete dann mit dem berühmten 3. Plenum des 11. Zentralkomitees 1978 die neue Epoche hin zur Prosperität ein, d.h. Abkehr vom sowjetischen Wirtschaftsmodell hin zu wirtschaftlicher Reform und Öffnung nach aussen.
Neue Ideen und neue Politik
Drei Jahre später wurde in einer Geschichts-Resolution die «Grosse Proletarische Kulturrevolution» als «Chaos» verurteilt. Dennoch fiel das offizielle Urteil über Mao milde aus: 70 Prozent gut, 30 Prozent schlecht, oder anders ausgedrückt: «Maos Beiträge zur Chinesischen Revolution wiegen seine Fehler bei weitem auf». So wird der «Grosse Sprung nach vorn» (1958–61) mit der katastrophalen Hungersnot mit je nach Schätzung 35 bis 45 Millionen Todesopfern offiziell und in Schulen noch immer als Naturkatastrophe abgehandelt. Auch das Eingreifen der Armee 1989 in Peking ist nach wie vor tabu.
Ohne Zweifel ist das jährliche Plenum gleich nach dem alle fünf Jahre stattfindenden Parteitag und noch vor dem jährlich im März tagenden Nationalen Volkskongress politisch das wichtigste politische Ereignis des Landes. Was durch das Plenum verabschiedet wurde, nahm wenig später politisch, sozial, wirtschaftlich konkret Form an. Nach dem jetzigen Plenum werden im Kommuniqué Mao, Deng und Xi in den höchsten Tönen gelobt. Sie seien für die «enormen Veränderungen vom Aufstehen (1949) über Wohlhabend Werden (1978) bis hin zum Stark Werden» (2021) verantwortlich.
Nachdem Xi Jinping bereits 2016 als «Kern» der Führung bezeichnet worden ist, wurden Xis «Gedanken» in die Parteiverfassung aufgenommen. Nach dem eben zu Ende gegangenen Plenum wurde Xi gefeiert als Vordenker einer eigenen «innovativen Philosophie», die «einen neuen Durchbruch bei der Anpassung des Marxismus an den chinesischen Kontext darstellt». Auch ein drittes fünfjähriges Mandat liess er sich geben, nachdem die Amtszeitbeschränkung von zwei fünfjährigen Mandaten aufgehoben worden ist. Das Plenum unterstützt jetzt Xis Amtszeitverlängerung: «Xi Jinpings Bemühungen, sowohl das ZK als auch die ganze Partei zu festigen, war von entscheidender Bedeutung für das Voranschreiten hin zur grossen Verjüngung der Chinesischen Nation.» Dann setzt das Plenum noch eins drauf: «Wenn wir entschlossen die Position von Generalsekretär Xi Jinping als Kern der Partei hochhalten (….), wird das grosse Steuerrad des Wiedererstarkens der Chinesischen Nation einen neuen Steuermann haben.»
Der «Grosse Steuermann»? Maos Titel «Der Grosse Vorsitzende» liess Deng Xiaoping mit Hinweis auf kollektive Führung streichen. Aber ein «Grosser Steuermann» ist offensichtlich wieder möglich. Im Westen wird Xi zwar immer wieder mit Mao verglichen. Doch der Verglich ist absolut falsch. Xi nämlich verkörpert mit neuen Ideen und neuer Politik eine genuin eigene Epoche der jüngsten Chinesischen Geschichte. Und dank seiner Leistungen ist er beliebt oder zumindest geachtet beim Volk. Nach Mao und Deng ist Xi als Steuermann der dritte rote Kaiser.