Die Preissumme pro Preisträger beträgt eine Million Franken. Seit 2001 schreiben die Statuten der Stiftung den Preisträgern vor, jeweils die Hälfte der Preissumme an Forschungsprojekte vorzugsweise junger Wissenschaftler zu geben.
Die Eigenart des Balzan-Preises besteht darin, dass jeweils Wissenschaftler unterschiedlicher Fachgebiete – Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Kunst – ausgezeichnet werden. Darüber hinaus wird mindesten alle drei Jahre ein Preis für „Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern“ verliehen.
Vier Wissenschaftler ersten Ranges
Die Bedeutung und Vielfalt der Preisträger wird auch in diesem Jahr deutlich. Der Deutsche Manfred Brauneck ist Theaterwissenschaftler und erhält den Preis für seine Forschungen zur Geschichte des Theaters, niedergelegt in "Die Welt als Bühne", eine Geschichte des europäischen Theaters in fünf Bänden. Das Fachgebiet des italienischen Historikers Carlo Ginzburg erstreckt sich von der italienischen Renaissance bis zur frühen Moderne Europas. Auch auf Deutsch sind zahlreiche Werke von ihm erschienen, in denen das Alltagsleben in den jeweiligen Epochen überaus plastisch hervortritt.
Mit Jacob Palis und Shina Yamanaka kommen die Mathematik und die Naturwissenschaften zum Zuge. Der Brasilianer Palis wird für seine grundlegenden Beiträge im Bereich der mathematischen Theorie dynamischer Systeme geehrt. Diese sind in unterschiedlichen angewandten wissenschaftlichen Disziplinen von grosser Bedeutung. Der japanische Arzt und Stammzellforscher Shina Yamanaka hat pluripotente Stammzellen zu Forschungszwecken aus dem Bindegewebe von Mäusen erzeugt.
Vielsagende Unterschiede
Alle vier Preisträger haben bereits mit ihren Arbeiten internationale Anerkennung gefunden und sind mit zahlreichen Preisen gewürdigt worden. Schaut man sich die Preisträger seit 1962 an, erkennt man leicht, dass die Jury der Balzan-Stiftung stets Wissenschaftler auszeichnet, deren Rang international bereits erwiesen ist und ausser Frage steht. Wie hoch der selbst gewählte Anspruch ist, wurde bereits mit der ersten Preisverleihung 1961 ebenso unnachahmlich wie unmissverständlich markiert: Der Preis für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern ging an die Nobel-Stiftung. Die erste Balzan-Friedenspreisträgerin war übrigens Mutter Theresa im Jahr 1978. Im Jahr darauf erhielt sie den Friedensnobelpreis.
Die Nähe des Balzan-Preises zum Nobel-Preis wird immer wieder hervorgehoben, auch wenn der Bekanntheitsgrad des Balzan-Preises weitaus geringer ist. Bei der Preisvergabe der Balzan-Stiftung gibt es zur Nobel-Stiftung allerdings stillschweigend praktizierte, wenngleich vielsagende Unterschiede: Es werden keine Preise für Wirtschaftswissenschaften und für Literatur verliehen.
1980 wurde zwar Jorge Louis Borges ausgezeichnet, aber nicht für sein literarisches Schaffen, sondern für „Philologie, Linguistik und Literaturkritik“. Mit der Musik tut sich die Balzan-Stiftung etwas leichter: Paul Hindemith 1962 und György Ligeti 1990. Dagegen gibt es für Musik keine Nobelpreise – warum eigentlich nicht?
Der Industrielle und der Journalist
An Stelle der Wirtschaftswissenschaften schätzt Balzan die Sozial- und die Geschichtswissenschaften hoch ein: Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget wurde 1979 im Bereich „Sozial- und politische Wissenschaften“ ausgezeichnet, der Brite Peter Hall bekam 1998 den Preis für „Sozial- und Kulturgeschichte der Stadt seit Anfang des 16. Jahrhunderts“ und der Deutsche Lothar Gall erhielt 1993 den Preis für die Geschichte der Gesellschaften des 19. und 20. Jahrhunderts.
Die Nobel-Stiftung und die Balzan-Stiftung haben Wurzeln, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite der Industrielle Alfred Nobel, auf der anderen Seite der Journalist Eugenio Balzan, der 1897 zum Corriere della Sera stiess und 1903 die Leitung übernahm. Darüber hinaus stellte ihm der Herausgeber Luigi Albertini einen Anteil der Aktion zur Verfügung, aus denen im Laufe der Zeit ein stattliches Vermögen werden sollte.
Zwei Sitze der Stiftung
Als die Zeitung im Jahre 1933 von rechts gerichteten Kreisen immer mehr unter Druck gesetzt wurde, übersiedelte Eugenio Balzan in die Schweiz. Schon vorher hatte er dort sein Vermögen erfolgreich angelegt. Zuerst lebte er in Zürich, später in Lugano. 1950 kehrte er nach Italien zurück. Eugenio Balzan starb am 15. Juli 1953 in Lugano.
1956 gründete seine Tochter Angela Lina Balzan die Balzan-Stiftung in Lugano. Die Stiftung verfügt über zwei Sitze. Die Stiftung "Preis“ in Mailand legt mit ihrem Preisverleihungskomitee die auszuzeichnenden Preisgebiete fest und ermittelt die Balzan Preisträger. Die Stiftung "Fonds“ in Zürich verwaltet das von Eugenio Balzan hinterlassene Vermögen.