Er prägte das Bild des romantischen „Wilden Westens“: Whisky an der Bar, rauchende Colts, gute Sheriffs, die für Recht und Ordnung sorgen, Schiessereien im Saloon, wilde Pferde, Verfolgungsjagden in der Prärie, schöne Frauen, die die Cowboys in den Arm und ins Bett nahmen. Klischee um Klischee.
Der Journalist Edward Zane Carroll Judson schrieb unter dem Pseudonym Ned Buntline Dutzende Groschenromane, die im Amerika des 19. Jahrhunderts riesigen Absatz fanden. Er brauchte für seine erfundenen, wilden Abenteuergeschichten einen Helden. Und er fand ihn.
Er fand ihn in der Person von William Frederick Cody, der auf einer Farm in Iowa geboren wurde. Mit elf Jahren starb sein Vater. Er verliess sein Zuhause und half den Abenteurern, die in den „Wilden Westen“ zogen und dort ihr Geld verdienen wollten. Schon in frühen Jahren war Cody ein ausgezeichneter Reiter – und vor allem ein ausgezeichneter Jäger.
Um die Bahnarbeiter der Eisenbahngesellschaft Kansas-Pacific zu ernähren, soll er innerhalb von acht Monaten 4’200 Bisons erschossen haben. Damit fehlte den Indianern die Lebensgrundlage und das Fleisch, um sich ernähren zu können. Zusammen mit anderen rottete Cody den Büffelbestand fast vollständig aus. Damals erhielt er den Namen „Buffalo Bill“.
Sowohl im amerikanischen Bürgerkrieg als auch im Kampf gegen die Indianerstämme arbeitete er als eine Art Spion (Scout). 1872 erhielt er von der dritten amerikanischen Kavallerie-Truppe den höchsten Tapferkeitsorden der USA.
Immer wieder kämpfte er brutal gegen die Indianer, die immer mehr zurückgedrängt wurden. Nach der Schlacht am Little Bighorn skalpierte er den Häuptling „Yellow Hair“ und prahlte damit.
Er verkaufte Felle und suchte nach Gold, wie damals fast alle. 1860 trat er in den Postdienst „Pony Express“ ein, der Briefe und Pakete in den Wilden Westen brachte. Dann wurde er zum Grosswildjäger und zum Reisebegleiter reicher Prärie-Reisenden. So kam er auch in Kontakt mit Einflussreichen jener Zeit.
Und jetzt hatte William Cody eine Idee: Wieso nicht eine Art Open-Air-Show aufführen? Er engagierte Hunderte von Schauspielern, echte Lasso-schwingende Cowboys, halbnackte echte Indianer, wilde Pferde und sogar echte Büffel. Indianer gegen Weisse – und immer gewannen die Weissen.
So entstand „Buffalo Bill’s Wild West“-Show, die weltweit erste Showbusiness-Show.
Mit seiner riesigen Truppe und Dutzenden Planwagen tourte er durch ganz Amerika. Reiter galoppierten, Kämpfe wurden inszeniert. Bogenschützen schossen haargenau ins Ziel. Der Erfolg war gigantisch. Zu fast jeder Vorstellung kamen Tausende.
Sogar der legendäre Sioux-Häuptling Sitting Bull erniedrigte sich und gastierte eine Saison lang in der Show.
Buffalo Bills Wildwest-Show hatte derart Erfolg, dass die Truppe über den Atlantik setzte und in Europa auftrat – ebenfalls mit riesigem Erfolg. Acht Mal tourte er nach Europa. 1890 wurde die Show erstmals in München aufgeführt. Dafür wurde ein Zelt aufgebaut, das 6’000 Zuschauer fasste. In Braunschweig besuchten an sechs Vorstellungen insgesamt fast 100’000 Menschen die Darbietungen. Auch in Bremen, Karlsruhe und Trier trat die Truppe auf. Mit Dutzenden Eisenbahnwagen wurden die Indianer, Cowboys, Pferde und Büffel transportiert. Auch im Pariser Bataclan trat Codys Mannschaft auf. Während der Weltausstellung in Chicago 1893 besuchten sechs Millionen Menschen seine Vorstellungen.
So erfolgreich seine Shows waren, so wenig erfolgreich war der Geschäftsmann William Frederick Cody. Er investierte in der Viehwirtschaft, im Städtebau und sogar in der Filmindustrie und im Tourismus – mit wenig Erfolg.
Er starb am 10. Januar 1917 an Herz- und Nierenversagen. Zuvor liess er sich noch katholisch taufen.
An seiner Beerdigung nahmen 25’000 Menschen teil. Sogar die Indianer des Pine-Ridge-Reservats, die unter ihm litten und deren Lebensgrundlage er entzog, schickten eine berührende Botschaft: „Ihr sollt wissen, dass das Volk der Sioux in Buffalo Bill einen guten und treuen Freund gefunden hatte. Unser Herz ist schwer von Trauer über seinen Verlust.“
Noch heute wird diskutiert, weshalb sich der legendäre Sitting Bull und seine Sioux zu diesem Kniefall hingaben. Cody galt als brutaler Kämpfer gegen die Indianer. Und dennoch liessen sich Hunderte von ihnen für seine Shows engagieren. Offenbar waren sie so verzweifelt, dass sie sich für ein paar Dollar in seinen Dienst stellten. Andere Quellen sprechen davon, dass er persönlich mit vielen Indianern ein sehr gutes, freundschaftliches Verhältnis hatte.
Der 1976 von Robert Altman gedrehte Film „Buffalo Bill and the Indians“ zeigt die unschönen Seiten des Western-Helden.
Doch Buffalo Bill lebt auch nach seinem Tod weiter. In Filmen und Romanen wird er verherrlicht. Der Western-Star gründete eine Stadt in Wyoming, die heute etwa 9000 Einwohner zählt und nach ihm benannt wird: Cody. An vielen Orten werden jedes Jahr Buffalo-Bill-Festspiele organisiert. Im Pariser Disneyland findet täglich zweimal eine Buffalo-Bill-Show statt. Ein amerikanisches Football-Team aus Buffalo heisst „Buffalo Bills“.
Doch William Codys grosse Zeit ging schon vor seinem Tod zu Ende. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts kam das Kino auf. Die Leute strömten jetzt in die Kinosäle – und nicht mehr zu Buffalo Bill’s Wildwest Show.
(J21)