Der Multi-Milliardär Silvio Berlusconi hat fünf Kinder. Alle leben in Saus und Braus, alle werden Hunderte Millionen erben. Seine älteste Tochter Marina leitet sein Medienimperium.
„Meine Kinder sagen, sie fühlten sich so, wie sich jüdische Familien während des Hitler-Regimes gefühlt haben. Alle sind gegen uns“.
So wird Berlusconi in einem neuen Buch des Journalisten Bruno Vespa zitiert. Vespa gilt als Vertrauter Berlusconis. In dem Buch „Salz, Zucker und Kaffee“ fragt Vespa Berlusconi, ob es wahr sei, dass seine Töchter und Söhne ihn aufgefordert hätten, alles zu verkaufen und Italien zu verlassen.
Eine Beleidigung der Millionen Toten
Berlusconi ist bekannt für seine dümmlichen Sprüche. Es gibt lange Webseiten, die seine Witzchen aufführen. Doch dies hier ist kein Witzchen.
Riccardo Pacifici, Präsident der jüdischen Gemeinde in Rom, ist perplex. „Ich muss zuerst darüber nachdenken, was ich dazu sage“, zitiert ihn die linksliberale Zeitung La Repubblica. Nachdem er darüber nachgedacht hatte, sagte er dem Fernsehsender Sky TG24: „Ich bin bestürzt. Berlusconi muss sich nicht bei den Juden entschuldigen, er muss sich bei sich selbst entschuldigen“.
Renzo Gattegna, Präsident der „Unione delle comunità ebraiche italiane (Ucei) sagt: „Das republikanische Italien ist eine Demokratie. Das Leben der Juden unter den Nazis war eine Katastrophe, nicht nur für das jüdische Volk, sondern für die gesamte Menschheit. Jeder Vergleich mit den Angelegenheiten der Familie Berlusconi ist nicht nur deplatziert und unverständlich, sondern auch eine Beleidigung all jener, denen alle Rechte entzogen wurden und die unglaubliche Grausamkeiten erleiden und diese mit dem Leben bezahlen mussten."
"Grauenhaft"
Marcello Pezzetti, Direktor der Stiftung des „Museo della Shoa“, sagt: "Oh Gott, wie kann man so etwas sagen, eine solche Dummheit!“
Der linke Abgeordnete Danilo Leva, Verantwortlicher des „Justizforums“ seiner Partei, erklärt: „Berlusconi hat völlig jedes Mass verloren. Seit 20 Jahren erzählt er uns das Märchen, dass er verfolgt würde. Anstatt, dass er sich für seine Steuerbetrügereien entschuldigt, verirrt er sich in grauenhaften Vergleichen mit Tragödien wie dem Holocaust.
„Grauenhaft“ nennt auch Nichi Vendola, der Chef der linken SEL-Partei, den Berlusconi-Vergleich.
Und wie reagiert Berlusconis Mitte-rechts-Partei, die Forza Italia? Silenzio. Einzig Gabriella Giammanco, eine 36-jährige Journalistin und Parlamentsabgeordnete, äussert sich. Sie greift die Linke an, die Berlusconis Zitat ausschlachte. Dieser Ausspruch sei “ein Gefühlsausbruch eines Familienvaters, der erschüttert und besorgt ist um seine Lieben”. Das eigentliche Thema sei seine “abnorme Verfolgung durch die Justiz”.
Delirium
Berlusconi erklärt in dem Buch “Sale, zucchero e caffè”, er sei ein hundertprozentiger Italiener. “Ich war Unternehmer, bin ein Mann des Sports, ein politischer Führer. Das ist mein Land, das Land, das ich liebe. Das Land, in dem ich alles habe, meine Familie, meine Freunde, meine Unternehmen, mein Haus. Hier habe ich Erfolg gehabt, als Student, als Unternehmer und als Staatsmann…. Ich beziehe es nicht einmal in Betracht, Italien zu verlassen.”
Aufgeschreckt durch den Hitler-Vergleich erklärt Berlusconi am Abend: Der Satz sei aus dem Zusammenhang gerissen und würde von seinen Gegnern "instrumentalisiert". Was seine Haltung zum Holocaust betreffe, gebe es keine Zweifel.
In Blogs des bürgerlichen Corriere della sera heisst es: “Der Mann ist im Delirium”. Oder: “Sinnlos, einen Kommentar dazu zu schreiben, lasst ihn machen”.