Alle ungewohnt schräg aussehenden Besucher wurden zur blutjungen Novizin im grossen Büro des ausgebauten Dachstocks geschickt. Dieses Redaktionsbüro des «St. Galler Tagblatts» teilte der Juniorchef Hans Zollikofer mit mir, wenn er anwesend war.
Ein Mann schreibt über Mode
So betrat eines Tages Anfang der sechziger Jahre ein Mann meine Klause, der ganz in Türkis gekleidet war. So etwas hatte die eher konservative Modestadt St. Gallen noch nie gesehen und ich schon gar nicht. Er stellte sich als der in Paris lebende Basler Journalist Franz Weber vor und bot mir seine Mode-Berichterstattung an. Weil es sich damals angeblich nicht gehörte, dass ein Mann über Mode schrieb, unterzeichnete er seine Berichte, die auch in Basel erschienen, stets mit «Françoise». Wir wurden rasch handelseinig, als auch der zum Gespräch hinzugestossene Hans Zollikofer von den Arbeitsproben sehr angetan war.
Wenige Jahre später nahm ihn Franz Weber auch mit zur «Schweizer Illustrierten». Er schrieb spannende – echte – Interviews mit Stars und Couturiers, Dichtern und Schauspielerinnen. Unvergesslich bleibt mir eine Foto, weil Franz Weber darauf die strahlende junge Mireille Mathieu auf den Armen trägt. Weber vertraute mir auch alle paar Monate das neueste Exemplar der von ihm hrausgegebenen Zeitschrift für französischprachige Dichter mit dem Namen «La Voix des Poètes» an. Die Jahrgänge füllten mein Bücherregal, bis die Zeitschrift nicht mehr erscheinen konnte.
In der geliehenen Ritterrüstung
In der Pariser Modewelt war Weber hervorragend vernetzt. Er trug Anzüge und Mäntel von Cardin. Eines Morgens holte er mich im Hotel ab und bugsierte mich, die nichts davon gewusst hatte, in den Coiffeursalon der Schwestern Carita, der damals angesagtesten Frisurkünstlerinnen der westlichen Welt, für eine von ihm organisierte Gratis-Behandlung. Unvergesslich, wie Rosita Carita mit ihrer berühmten goldenen Schere auftauchte und streng blickend meinen frisch gewaschenen Zürcher Haarschnitt begutachtete.
Eines Tages im Sommer 1965 rief Franz Weber mich an, mit empört zitternder Stimme. Er war durch sein geliebtes Engadin gefahren und hatte erfahren, dass die idyllische Surlej bei Silvaplana überbaut werden konnte. Da müsse etwas geschehen. Er startete eine Kampagne, und wir publizierten eine grosse Reportage. Das war die erste. Für die Rettung des grossen Platzes von Regensberg steckte ich Weber für die Fotografie in eine geliehene Ritterrüstung, die er der Sache zuliebe bereitwillig anlegte. Und bei der Kampagne am Sempachersee lernte Franz Weber die Aktivistin Judith kennen, seine spätere Ehefrau und Muttter seiner Tochter Vera, die seit fünf Jahren die Fondation Franz Weber präsidiert.
Kampf mit Brigitte Bardot für Robben-Babies
Die Überzeugungskraft des eigentlich erst einmal schüchern wirkenden Franz Weber, seine Ausstrahlung und sein inneres Feuer führten ihn zum Ziel. Ob er die Landschaft beim griechischen Olymp oder die Donau-Auen in Österreich retten wollte, er schaffte den überzeugenden Kontakt zu Bevölkerung und Behörden. Weber kam immer und überall sehr elegant gekleidet daher. Noch immer trug er seine Cardin-Anzüge und -Mäntel, nie hätte er sich in Jeans und Windjacke gezeigt. Oft brachte er es auch fertig, eine Gruppe Journalisten auf eine Kampagnenreise einzuladen.
Legendär wurde die Reise nach Labrador im kanadischen Neufundland, das Kaff hiess Lourdes de Blancs-Sablons und war bald tief eingeschneit. Dort kämpfte Franz Weber gegen die Abschlachtung von schneeweissen schwarzäugigen süssen Robben-Babies. Aber auch gegen das Wetter, das bei lediglich 25 Grad minus das Packeis brechen liess, sodass die Helikopterpiloten keine Landung auf diesem unsicheren Grund wagen durften. Und die Organisation Green Peace machte sich davon. Dafür kam Brigitte Bardot angeflogen, um Franz Weber in diesem Kampf zu unterstützen. Auch in Labrador bot Weber eine elegante Erscheinung.
Fast eine Heiligsprechung
Niemand hätte darauf gewettet, dass Volk und Stände der Schweiz eine Vorlage namens Zweitwohnungs-Initiative von Franz Weber annehmen würden. Doch Webers leidenschaftlichen, charismatischen Auftritte und Appelle brachten das Unfassbare zustande. Auch mit dieser politisch korrekt durchgezogenen Aktion machte sich Weber keine Freunde. Doch das war er gewohnt. Man unterstützte ihn oder man bekämpfte ihn. Kalt liess er niemanden.
Ebenfalls legendär inmitten von anderen Kreuzzügen war Franz Webers Kampf um das prächtige Grandhotel Giessbach am Brienzersee. Er bewahrte es vor dem Abbruch und erwarb es kurzerhand für das Schweizer Volk. In diesem prachtvollen Haus fand das Fest zu Webers 80. Geburtstag statt. Die Weinbauern des Lavaux gehörten zu den Gratulierenden. Sie dankten ihm mit Tränen in den Augen dafür, dass er in einer spektakulären Aktion ihre Weinberge gerettet hatte. Es hätte nicht viel gefehlt, dass sie seine Heiligsprechung verlangt hätten.
Im Grandhotel Giessbach soll im Sommer die Gedenkfeier für Franz Weber stattfinden. Weiterleben wird er allerdings auch durch die Fondation Franz Weber, die weiterhin unter der Ägide von Vera Weber für gefährdete Tiere und Landschaften kämpfen will. Im Sinne ihres Vaters und Wegweisers, wie sie ihn nannte.