Die Unesco nahm im Jahr 2011 drei kenianische Sodaseen im östlichen Arm des Ostafrikanischen Grabenbruchs (Great Rift Valley) – Lake Nakuru, Lake Bogoria und Lake Elementaita – ins Verzeichnis des Weltnaturerbes auf. Die abflusslosen Seen sind stark alkalisch und ein Mekka für Ornithologen, die von über vierhundert Vogelarten berichten. Die drei Seen sind als Nahrungsquelle für das Überleben der Zwergflamingos (Phoeniconaias minor) lebenswichtig.
Die Population dieser kleinwüchsigen Flamingos wird weltweit auf bis zu 6 Millionen Vögel geschätzt. Nur ein kleiner Teil dieses globalen Bestands lebt in Asien auf und an seichten Salzseen, der Grosteil in Afrika, und hier überwiegend auf und an den Sodaseen des Ostafrikanischen Grabenbruchs. Sie finden sich hier zu riesigen Schwärmen zusammen. Der Bogoriasee (in der Kolonialzeit nach einem anglikanischen Missionar Lake Hannington genannt) besitzt für die Flamingos anscheinend eine besondere Anziehungskraft. Rosa Wolken, die aus einer Million anfliegender und wassernder Vögel bestehen, sind hier keine Seltenheit.
Die Zwergflamingos nisten und brüten auf den drei Welterbe-Seen nicht. Ihre Nist- und Brutplätze haben sie auf dem Natronsee in Tansania. Die nördlichen Sodaseen in Kenia dienen ausschliesslich der Nahrungsaufnahme. Der Bogoriasee ist besonders reich an Spirulina platensis, einem Cyanobacterium – für die Zwergflamingos offenbar der (mikroskopisch kleine) Leckerbissen. Ausserdem sind Salinenkrebse in der Nahrung unerlässlich für die Färbung des Gefieders; bei ihrem Verzehr nimmt das beim Schlüpfen an und für sich weisse Küken den rosa Farbstoff, ein Carotinoid, auf. Die Tiere sind an die Extreme ihrer ökologischen Nische hervorragend angepassst. Der Schnabel der Flamingos ist ein raffinierter Seihapparat, mit dem sie die Cyanobakterien, Kieselalgen und Salinenkrebse und anderen Kleinstkrustentiere aufnehmen, ohne die giftige Lauge mitzutrinken. Ihren Durst stillen sie nach sporadischen Regenfällen in Pfützen oder an Süsswasserquellen in Ufernähe. Die Zwergflamingos werden kaum einen Meter hoch, aber im Vergleich zum Körper sind ihre Stelzbeine überlang – länger als bei irgendeinem andern Schreitvogel. Sie können so den Körper über das ätzende Wasser heben. Zudem sind ihre Beine „laugenfest“. Sie waten unbehindert in dem untiefen, chemisch aggressiven Gewässer. Sogar bis zu 70 Grad heisses Wasser verbrüht sie nicht. Am Westufer des Bogoriasees brodeln Geysire, Fumarolen und Heissquellen. Da wird es dann aber manchmal für die Vögel doch zu heiss, und der Flamingoteppich wird durch Aussparungen um die hot spots löcherig (unser Bild).
Den Ornithologen geben die Zwergflamingos noch Fragen auf. Nicht einmal ihr nomadisches Verhalten ist bis ins Detail geklärt; Beringungen schlugen fehl, weil sich die Ringe in den alkalischen Gewässern auflösten. Sogar das Brutgebiet der Vögel, die fünfzig Jahre alt werden können, blieb lange verborgen. Erst 1954 sichtete der Brite Leslie Hilton Brown, Agrarwissenschaftler im Regierungsdienst und Freizeit-Ornithologe, vom Flugzeug aus auf dem Natronsee eine Kolonie von 150 000 Brutpaaren. Als er später versuchte, die Kolonie watend zu Fuss zu erreichen, musste er die Erfahrung machen. dass Menschenbeine nicht laugenfest sind. Er verletzte sich in dem ätzenden Schlamm und Wasser lebensgefährllich. – Jahr des Flugbilds: 1970 (Copyright Georg Gerster/Keystone)