Allerdings: Fussball ist ein Spiel, Nordkorea dagegen bitterer, buchstäblich blutiger Ernst.
Wenn Jungspund Kim Jong-un völlig überraschend Raketen in den Himmel steigen und A-Bömbchen im Untergrund explodieren lässt, haben es die Experten natürlich schon immer gewusst. Neulich aber wurden sie – um im Fussball-Lingo zu bleiben – auf dem, je nach politischer Ausrichtung, linken oder rechten Fuss erwischt. Ähnlich übrigens wie damals 1966, als an den Fussballweltmeisterschaften im „Mutterland des Fussballs“ England Nordkorea unter Trainer Myung Rye-hyun mit einem Tor von Stürmer Pak Doo-ik die hochfavorisierten Italiener 1: 0 besiegten. Im Viertelfinal reichte es beinahe zur Sensation. Nordkorea führte mit 3:0 Toren gegen Portugal, bevor es – zum Entsetzen der mittlerweile Nordkorea-hörigen Experten aus Ost und West – noch mit 3:5 Toren ehrenvoll unterging. Den Nordkorea-Experten zum Trost mag gereichen, dass nicht einmal der südkoreanische Geheimdienst die Galavorstellungen der nordkoreanischen Fussballer an den WM in England prognostizieren konnte.
„Schürzenjäger“, „Alkoholiker“
Im Jahre 2013 freilich war der südkoreanische Geheimdienst wieder auf der Höhe seiner Aufgabe. Er berichtete vier Tage nicht nur vor den Experten sondern auch vor der nordkoreanischen Propaganda Verurteilung und Hinrichtung von Jang Song-thaek. Jang war nicht irgendwer. Er hatte, so die amtliche nordkoreanische Nachrichten-Agentur KCNA, „schmutzige politische Absichten“ und „wilde Ambitionen“. Er war, so lehrt Pjöngjang das eigene Volk und das Ausland, ein „Verräter an der Nation“, „Schürzenjäger“, „Alkoholiker“, „Drogenabhängiger“ und er war in höchstem Masse „korrupt“, „schadete der nationalen Wirtschaft“ und führte einen „extrem dekadenten Lebenswandel“.
Er war, so die wie immer wortgewaltige nordkoreanische Propaganda, „menschlicher Abschaum und schlimmer als ein Hund“. Der 67 Jahre alte Jang wurde aus einer Sitzung des erweiterten Politbüros abgeführt und stand zwei Tage später vor einem Militär-Sondertribunal. Er habe „alle Verbrechen gestanden“ und das Urteil wurde „sofort vollstreckt“. Jang war aber vor allem auch der Onkel des „Jungen Generals“ Kim Jong-un und galt seit dem Tod von dessen Vater Kin Jong-il als Nummer 2 des Regimes und als Einflüsterers von Kim Junior. Nun, Jang verlor alles. Seine Parteiämter, das mächtige Amt des Vizechefs der Militärkommission und natürlich sein Leben.
Wem nützt das Ganze?
Die Wortwahl der nordkoreanischen Propaganda kann normalerweise selbst Experten nicht erstaunen. Die nordkoreanischen Propaganda-Texter wären für jede westliche Werbe-Agentur ein Knüller, denn sie taten sich schon immer durch deftig-hysterische, plakative, kurz werbewirksame Sprache hervor. Doch jetzt setzten die Revolutionäre in Pjöngjang mit den oben zitierten Anwürfen dem ganzen wahrlich die Krone auf. Der junge, oberste Führer Nordkoreas hat das wohl in seinen Berner Schuljahren gelernt, denn jetzt geschah Unglaubliches. Coram Publico wurde Onkel Jang zur Schnecke, recht eigentlich zur Sau gemacht. Vorgeführt am Staatsfernsehen. So etwas hatte das nordkoreanische Volk noch nie erlebt. Und schon gar nicht die westlichen Experten.
Nordkoreas Supremo Kim Jong-un, seinem Grossvater und „Präsidenten bis in alle Ewigkeit“ Kim Il-sung wie aus dem Gesicht geschnitten, sitzt nun nach Meinung der Experten fester im Sattel als zuvor. Oder eben auch weniger fest. Cui bono? - wie wir alten Nordkorea-Experten zu sagen pflegen. Wem also nützt das Ganze? Die Nordkorea-Experten können so in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten und Jahren wieder aus dem Vollen schöpfen und Tiefgründiges aus den grünen Teeblättern lesen. Natürlich auch Ihr Korrespondent, der den landschaftlich traumhaften, politisch aber eher makabren Einsiedler-Staat seit fast dreissig Jahren schon x-mal besuchen durfte. Er weiss deshalb nicht mehr, aber auch nicht weniger. Denn um nochmals zum eingangs erwähnten Fussball Zuflucht zu nehmen: Der Balls ist rund! Basta!