Zeigen Sie Stil, Herr Minister!
Von Klara Obermüller
Da schreibt man jahrein, jahraus brav seine Artikel, lange und kurze, bedeutsame und nur für den Tag bestimmte. Und wo landen sie alle? Im Altpapier, im Zeitungsarchiv oder, seit einigen Jahren, nun auch in den Tiefen des Netzes. Vieles, das meiste vielleicht sogar geht dabei vergessen. Auch selbst erinnert man sich längst nicht mehr an alles, was man einmal geschrieben hat, und wenn, dann oft nur noch sehr verschwommen.
So ist es auch mir mit einem Leitartikel zur Europäischen Verfassung aus dem Jahr 2003 ergangen, bis am vergangenen Mittwoch in der Früh die Deutsche Presseagentur bei mir anrief und mir mitteilte, dass Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg in seiner Doktorarbeit aus eben diesem in der „NZZ am Sonntag“ erschienen Leitartikel abgeschrieben habe. Abgeschrieben, wohlverstanden, nicht zitiert oder paraphrasiert, und zwar eine längere Passage ganz ohne Anführungs- und Schlusszeichen, ohne Namensnennung und ohne Quellenangabe. Was ich davon halte, wollte der Redakteur wissen. Ob ich verärgert sei oder mich geehrt fühle und ob ich rechtliche Schritte unternehmen wolle.
Nichts von alledem war der Fall. Ich war bloβ überrascht, erstaunt und ziemlich enttäuscht. Wir Schweizer Journalisten und Intellektuellen leiden zwar immer ein wenig darunter, dass wir in Deutschland nicht wahrgenommen werden, und sehnen uns manchmal nach ein bisschen mehr Beachtung. Aber doch nicht so? Vom deutschen Verteidigungsminister in seiner Doktorarbeit zitiert zu werden – zustimmend oder kritisch, egal – wäre mir eine Ehre gewesen, und ich hätte mich über sein „Summa cum laude“ klammheimlich ein wenig mit gefreut. Satt dessen aber hat er sich bei mir wie auch bei anderen einfach bedient. Insgesamt 86 Zeilen, mehr als die Hälfte des ganzen Artikels, hat er aus meinem Text in seine Arbeit übernommen: 86 Zeilen, in denen ich pointiert eine Meinung vertrete – meine Meinung! Ähnlich ist er offenbar in der Einleitung zu seiner Dissertation auch mit einem Artikel aus der „FAZ“ verfahren: auch da ein Meinungsartikel, der ohne irgendeinen Verweis als eigener Gedankengang ausgegeben wird. Wissenschaftlich gesprochen, nennt man so etwas ein Plagiat. Auf gut deutsch könnte man es auch Diebstahl geistigen Eigentums oder schlicht Gedankenklau nennen.
Es liegt mit fern, Herrn zu Guttenberg böse Absichten zu unterstellen, doch an ein bloβes Versehen vermag ich angesichts des Umfangs und der Bedeutung der übernommenen Texte auch nicht zu glauben. Im besten Fall, denke ich, hat er geschludert, im schlimmeren ist er äuβerst leichtfertig mit dem Eigentum anderer Leute umgegangen. Oder hat er sich am Ende gar gedacht, bei journalistischen Texten komme es nicht so drauf an, die tummelten sich ja ohnehin im Netz, frei zugänglich und für jeden verfügbar? Dem ist jedoch nicht so, würde ich dem Herrn Minister entgegen halten. Kolumnen, Glossen, Leitartikel und Reportagen sind nicht weniger geistiges Eigentum als Produkte wissenschaftlicher Forschung oder schöne Literatur. Dieses Eigentum gilt es zu schützen und zu verteidigen, gerade weil der Zugriff im Zeitalter des Internets leichter und der Nachweis schwieriger geworden ist.
Es ist jetzt an der Universität Bayreuth, zu entscheiden, wie schwerwiegend die Verfehlungen ihres einstigen Doktoranden sind und welche Folgen sie nach sich ziehen sollen. Ich persönlich würde mir wünschen, dass Herr zu Guttenberg sich hinstellt, seinen Fehler zugibt und sich entschuldigt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Denn kläglicher als das Abschreiben finde ich die Art, wie er bisher zu verharmlosen und sich herauszureden versucht hat. So viele Seiten, so viele Fuβnoten, da kann schon mal was untergehen, lieβ der Angeschuldigte auf Anfrage verlauten. Schmutzkampagne aus der links-grünen Ecke, tönte es aus seinem politischen
Lager. Doch so einfach ist es nicht. Ganze Passagen und zentrale Gedankengänge geraten nicht von allein in den eigenen Text, und wissenschaftliche Redlichkeit einzufordern, ist noch lange keine Kampagne. Das sind faule Ausreden. Das ist, mit Verlaub, schlechter Stil. Und auf Stil, Herr Minister, legen Sie doch sonst so besonderen Wert.