Am 24. September verwarf der Souverän die Abstimmungsvorlage zur Altersvorsorge, das Volk mit einem Nein-Anteil von 52,7% eher knapp, die Kantone mit 9,5 zu 13,5 Standesstimmen hingegen deutlich. Klar über dem Nein-Durchschnitt lag der Aargau mit 57%. Im Bezirk Kulm wurde die Vorlage mit 67,8% gar förmlich versenkt; auch in den Bezirken Zurzach, Lenzburg und Zofingen resultierten Nein-Mehrheiten von über 60%.
Jede Volksabstimmung hinterlässt Sieger und Verlierer. Aber das Ergebnis ist hinzunehmen, ob es einem passt oder nicht. Selbst Bundesräten fällt das mitunter schwer. Unvergessen etwa Jean-Pascal Delamuraz, als er 1992 das Nein zum EWR als „schwarzen Sonntag für unser Land“ abqualifizierte. Seither pflegen die Schweiz und die EU miteinander den „bilateralen Weg“ und dieser wird von den damaligen Abstimmungsverlierern plötzlich als der Königsweg bezeichnet. Gescheiter werden ist offenbar nicht verboten ...
Der Seniorenrat sieht schwarz
Der Schweizerische Seniorenrat (SSR) versteht sich als Konsultativorgan des Bundesrates für Anliegen der älteren Generation und wird dafür vom Bund mit jährlich 300’000 Franken entschädigt. Er ist zusammengesetzt aus je 16 Mitgliedern der politisch links ausgerichteten Senioren-Organisation VASOS und des eher nach mitte-rechts tendierenden Verbandes SVS. Der SSR kämpfte an vorderster Front für ein Ja zur Altersvorsorge 2020 und verlor.
Überrascht hatte mich die Ja-Parole dieses nationalen Seniorenrates nicht, denn in seinen Reihen dominiert das politische Mitte-links-Spektrum, also von SP bis CVP, und diese Parteien setzten sich bekanntlich ebenfalls vehement für die Vorlage ein. Erstaunt hatte mich aber die harsche Reaktion des SSR. Bereits am Abstimmungssonntag schleuderte er das Unwort „Scherbenhaufen“ ins Land hinaus. Und in seinen „SSR-Oktober-News“ dann behauptete er, jede neue Lösung werde teurer als das Paket, das abgelehnt wurde und weiter wörtlich: „Sicher ist, dass die Zukunft der AHV gefährdet ist, da ihre Finanzierung nicht mehr gesichert ist.“
Warum denn dieser Zweckpessimismus? Entspringt das einfach dem Zorn schlechter Verlierer? Ich meinerseits, der sich politisch ebenso den Anliegen der Senioren-Generation verbunden fühlt, teile diese Schwarzmalerei jedenfalls nicht. Der AHV-Reservefonds wird selbst 2030 noch mit mehreren Milliarden Franken im Plus sein, wenn bis dann politisch überhaupt nichts ginge. Sogar das Bundesamt für Sozialversicherungen, das sich ebenfalls aktiv im Pro-Lager in den Abstimmungskampf eingebracht hatte, bestätigt diese Feststellung.
Verbesserte Vorlage alsbald im Bundesrat
Natürlich werden Bundesrat und Parlament aber nicht untätig bleiben, im Gegenteil. Wie schon bei der im Frühjahr 2017 abgelehnten Unternehmenssteuerreform III wird der Bundesrat bereits innert weniger Monaten mit neuen Reformvorschlägen aufwarten. So hat Bundesrat Alain Berset die zuständigen grossen Parteien und Verbänden bereits auf den 24. Oktober zu einer umfassenden Aussprache über das weitere Vorgehen eingeladen und anschliessend verlauten lassen, noch vor Jahresende ein neues Projekt in den Bundesrat einzubringen. Und da inzwischen ausgewertet ist, warum die beiden Vorlagen am 24. September abgelehnt wurden, wird er seine Konsequenzen daraus ziehen. Zur Erinnerung: Es waren vor allem die 70 Franken, die allen Neurentnern versprochen wurden, die bestehenden Rentner aber leer ausgehen liess. Das Schweizervolk wollte keine AHV-Zweiklassen-Gesellschaft.
Ich gehe davon aus, dass eine sanfte Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie Rentenalter 65 für alle im neuen Paket enthalten sein werden. Statt höherer Renten für alle dürften individuelle Bedarfs- und Härtefälle vermehrt über Ergänzungsleistungen abgefedert werden. In der nächsten Legislaturperiode 2019–2023 werden die Weichen dann im Parlament samt Volksabstimmung definitiv gestellt werden und die AHV trotz weiter zunehmender Lebenserwartung für die nächsten 20 Jahre saniert sein. Von Scherbenhaufen à la SSR also keine Spur!