Zum 14. Mal findet das Swisscor-Gesundheitscamp für Kinder aus armen Ländern in der Schweiz statt. Es war alt-Bundespräsident Adolf Ogi, der im Jahre 2000 diese Form der Armutsbekämpfung und Entwicklungszusammenarbeit initiierte. Der Kampf um die Finanzierung beginnt jedes Jahr wieder neu und auch kritische Fragen werden seit Jahren gestellt. Journal21 hat mit Adolf Ogi bei seinem Besuch der Kinder im Gasterntal ein Gespräch geführt:
Wie ist diese Hilfsaktion seinerzeit überhaupt zustande gekommen?
Ich wollte, als Bundespräsident und VBS-Vorsteher, im Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert etwas Nachhaltiges schaffen. Allerdings wollte der Bundesrat nichts, was Geld kostet. So stellte ich 100'000 Franken aus meinem Departementsbudget zur Verfügung und lud arme und kranke Kinder aus Ex-Jugoslawien in die Schweiz ein. Wir nahmen sie ins Militärspital Melchtal, wo ein Sanitätsbataillon die Kinder betreute.
Nach Kindern aus dem Kosovo, aus Serbien, Kroatien, Albanien und Palästina werden jetzt während drei Jahren Kinder aus Moldavien betreut – weshalb diese Wahl?
Moldavien ist eines de ärmsten Länder in Europa, ist aber mit der Schweiz ein stückweit vergleichbar: Es kennt auch drei Ethnien und ist bloss wenig kleiner als die Schweiz. Diese Phase über drei Jahre lässt uns vertiefte Erfahrungen machen und die Nachhaltigkeit besser überprüfen.
Nach welchen Kriterien werden die Kinder ausgewählt?
Sie stammen aus zehn Heimen und werden in Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen (DEZA, SRK) ausgewählt. Daheim leben diese 10- bis 12-jährigen Buben und Mädchen in Armut, sind Waisen oder wurden von ihren Eltern allein zurückgelassen. Viele sind körperlich oder sozial behindert und werden jetzt in der Schweiz untersucht und gepflegt. So wählen wir primär Kinder aus, denen wir hier auch gezielt helfen können.
Es heisst „Gesundheitscamp“ – wie wird denn konkret geholfen?
Neben dem kindergerechten Ferienlagerbetrieb werden sämtliche Kinder medizinisch untersucht, wenn nötig zum Zahnarzt geschickt. Wir haben mehrere Rollstühle und Hörgeräte beschafft, ein Kind ist blind und kriegt Unterstützung – insgesamt sind auf die knapp 90 Kinder 27 freiwillige BetreuerInnen und Übersetzerinnen im Einsatz.
Seinerzeit konnten Sie als VBS-Chef weitgehend über militärische Ressourcen verfügen, heute macht die Armee kaum mehr mit – ärgert Sie das?
Das stimmt, ich was sehr enttäuscht, 2006 hat sich die Armee leider zurückgezogen. Man sagte mir, man habe kein Geld mehr – das habe ich begriffen. Es hiess auch, man habe keine Kaserne frei und kein Personal – das habe ich nicht begriffen. Dabei waren diese Armeeeinsätze fürs Militär ideale praktische Anwendungen. Zum Beispiel konnten Zahnärzte so ihren WK-Einsatz leisten. Unter Ueli Maurer hat die Armee heute wieder mehr Herz für uns…
So ein Lager kostet übe eine Viertelmillion – womit finanzieren Sie das?
Wir müssen relativ viel Aufwand für die Finanzierung treiben. Diesmal haben die Rotarier 300'000 Franken gesammelt, auch Kiwanis und Lions unterstützen uns. Aber für jedes Camp müssen wir wieder das Geld organisieren.
Bei dieser Summe stellt sich die Frage, ob mit diesem Geld nicht direkt, im Land selber, besser geholfen werden könnte?
Man darf diese Frage stellen – aber sie lautet eher: Kann im Land selber eine solche Hilfe adäquat umgesetzt werden? Eine medizinische Betreuung wie hier, ist dort zurzeit nicht möglich und Moldavien muss man noch mehr Zeit lassen, sich zu entwickeln. Wir sind allerdings auch im Land selber tätig: Hörapparate z.B. werden dort gewartet.
Besteht aber nicht die Gefahr, dass die Kinder unser Land als kleines Paradies erleben und – vielleicht noch nicht heute, aber in einigen Jahren - ins Land, wo Milch und Honig fliesst, wiederkommen werden? Vielleicht als Asylsuchende?
Völlig auszuschliessen ist das natürlich nie. Die Grundfrage bleibt: Machen wir etwas oder machen wir nichts? Nichts tun ist für mich keine Alternative. Ich bin zudem überzeugt, dass sich dieses Land in den nächsten Jahren entwickeln wird. Dafür gibt es zahlreiche Beispiel: Mazedonien, Albanien, Kosovo zeigen, dass da starke soziale und wirtschaftliche Entwicklungen im Gang sind – nicht zuletzt dank de Unterstützung de EU. Die Kinder hier sind jetzt 11 Jahre alt – in zehn Jahren bereits werden sie zuhause viel bessere Chancen haben als heute. Wir stellen fest, dass Kinder, die hier waren, aufmerksamer und disziplinierter sind und auch bessere Schulleistungen erbringen. Das hier wird sie prägen, fürs Leben.