Dies sowohl im Inland und im Ausland, speziell in der europäischen Nachbarschaft, wo schweizerische Innenpolitik bislang als stabil galt.
Insgesamt verheisst das Echo wenig Gutes für die Schweiz. Offensichtlich sind die Gewinner vom Sonntag recht siegestrunken. Wie wäre es sonst zu erklären, dass SVP-Übervater Blocher die Suisses Romands – wie übrigens die Mehrheit aller Stadtbewohner, auch in der Deutschschweiz – als mindere Schweizer beschimpft, weil sie Nein stimmten? Immerhin hat er damit jenen, welche ihn möglichst schnell vom helvetischen Politikfenster weg haben wollen, einen Dienst erwiesen. Er dürfte sich damit für irgendein politisches Comeback selbst aus dem Rennen genommen haben.
Blochers Entgleisung
Mit dieser bösen Entgleisung ist weiter die eigenartige Forderung von FDP-Seite weggefallen, Blocher als schweizerischen Verhandler nach Brüssel zu entsenden. Das wäre ungefär so intelligent gewesen wie wenn damals Wolfgang Schüssel, als er die FPÖ nach deren Wahlgewinnen in die österreichische Regierung aufnahm, Jörg Heider zu seinem Europaminister ernannt hätte. Kein Hit war offensichtlich auch SVP-Chefideologe Mörgeli als ‘Dauergrinser’ im deutschen Fernsehen.
Beide haben die Hauptkritik aus dem offiziellen Europa bestätigt, das ‘Ja’ leiste nationalkonservativem Populismus, in Resteuropa meist vertreten durch rechtsextreme Parteien unwillkommenen Vorschub. Die in schweizerischen Medien oft zitierte ‘Financial Times’, wohl die global einflussreichste Medienstimme schlechthin, spricht ausdrücklich von der SVP als ‘ Partei der extremen Rechten’.
Die SVP wird damit in eine Ecke gestellt nicht mit den Grossparteien des rechten politischen Spektrums (Tories, CDU/CSU, UMP und so weiter), sondern mit anderenorts zwar wachsenden - aber im Gegensatz zur SVP als wählerstärkster Partei in der Schweiz - kleinen Parteien am rechten Rand, wie sie Martine Le Pen und Gert Wilders verkörpern.
Mögliche Annahme auch in andern EU-Ländern?
Einmal ganz abgesehen vom internationalen Ansehen der Schweiz verheisst dies nichts Gutes was internatiole Marktreaktionen anbelangt. Die Rating-Agentur Fitch hat bereits eine Warnung erlassen mit Blick auf eine mögliche Herabstufung der Schuldnerqualität der Schweiz. Bislang galt die Schweiz als verlässlich und absolut stabil. Sollte sich diese Perzeption ändern, wird hochklassiges Human- und reichliches Finanzkapital - Hauptmotoren unseres Wohlstands - andere Investitionsorte suchen.
Was ist nun aber von der durchaus zutreffenden Rechtfertigung des schweizerischen ‘ Ja’ zu halten, das generelle Problem ‘Immigration’ brenne auch anderswo den Wählern unter den Nägeln? ‘Würde im Land X. über Einwanderung abgestimmt, wäre ebenfalls mit Zustimmung zu mehr Beschränkungen zu rechnen’, lautet ein oft gehörter Satz, verwendet in zahlreichen Kommentaren in ausländischen und schweizerischen Medien.
Dazu sind zwei Dinge zu sagen. Auch andere europäische Länder kennen Referenden, wenn auch in viel selteneren verfassungsrechtlichen Momenten als die Schweiz. In solchen Fällen, beispielsweise in Abstimmungen über grundlegende europäische Schritte, gelten aber andere Regeln als in der Schweiz. Einmal legt die Regierung Thematik und Bezeichnung eines Volksentscheides fest und sind weiter die Rahmenbedingungen von Kampagnen durch entsprechende Gesetze zur Politikfinanzierung geregelt.
Einzig erfolgreicher Mix
Nicht so in der Schweiz. Wie bereits dargelegt, handelte es sich bei der ‘Masseneinwanderungsinitiative’ insofern um eine Mogelpackung, als sie - wissentlich von Seiten der Initianten, wohl unwissentlich von einer Mehrheit der Ja-Stimmenden - nicht Einwanderung generell, sondern mit der Beschränkung des freien Personenverkehrs ein Kernelement der schweizerischen Beziehungen zur EU zum Ziele hatte. Diese EU, gegen welche schweizerische Europhobiker mit blindem Hass und oft grober Verunglimpfung anrennen.
Zudem existieren in der Schweiz keinerlei Regeln zur Politfinanzierung, was einmal mehr einer Milliardärsclique erlaubte, offensichtlich gewaltige Mittel in nationalistische Ja-Propaganda zu stecken. Weiter existieren natürlich auch in vielen anderen Ländern, zumal im hochentwickelten und reichen Norden und Westen von Gesamteuropa, Sorgen und Ängste in grossen Teilen der Bevölkerung, was Einwanderung, Bevölkerungsverdichtung sowie Zugang zu und Finanzierung von Sozialwerken anbelangt.
Wie der schweizerische Bundesrat sind die entsprechenden Regierungen bemüht, sozialen und politischen Begleiterscheinungen der wirtschaftlich erfolgreichen Öffnung von Märkten im einzig erfolgversprechenden Mix von nationalen Massnahmen und international koordinierter - im Falle der EU durch(Kommission), und in(Ministerrat) Brüssel - Zusammenarbeit Herr zu werden. Dies nach wie vor mit Blick auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, als Abschottung, nationale Alleingänge und populistische Angstmache unseren Kontinent auf den Weg in die Katastrophe brachten.
Der wahre Grund
Dies ist der wahre Grund für die heftigen offiziellen Reaktionen aller politisch Verantwortlichen in Europa auf den schweizerischen Entscheid. Natürlich mag das im privaten Gespräch zwischen Politikern, oder in der Verkürzung des politischen Schauspiels im Fernsehen mitunter etwas anders, verständnisvoller klingen. Bislang galt die Schweiz eben als zwar hartköpfiges aber letztlich vernünftiges Land. Diesmal ist die ausländische Perzeption anders, was uns zu denken geben muss. Ein entsprechender Kommentar des bedeutendsten schweizerischen Karikaturisten, welcher auch für das zweite Weltmedium, die International New York Times tätig ist, zeigt dies wunderschön: Chapatte zeichnet einen treuherzigen schweizerischen Unterhändler welcher einem Europäer in Brüssel die Hand schüttelt und gleichzeitig seinen rechten Arm absägt.