Das Unternehmen Glencore ist nicht nur wegen seiner schieren Grösse bekannt. Da es weltweit Geschäfte mit Rohstoffen macht, äusserst profitabel ist und der Firmengründer Marc Rich jahrelang auf den Fahndungslisten des FBI stand, wird man ihm hehre Absichten in der Entwicklungszusammenarbeit nicht im ersten Anlauf unterstellen. Doch gelang es dem Vertreter von Glencore, Michael Fahrbach, die Firmenstrategie so plausibel darzustellen, dass es zu keinen heftigen Kontroversen kam.
Der zweifache Verdacht
Kontroversen sind auch nicht der Zweck des Forums Kirche und Wirtschaft, das seit fünf Jahren vom ehemaligen Buchhändler Christoph Balmer engagiert geleitet wird. Vielmehr sollen Diskussionen in ruhige und konstruktive Bahnen gelenkt zu werden. Wie schon in den vergangenen Veranstaltungen mit Reizfiguren wie Oswald Grübel und anderen umstrittenen Persönlichkeiten ist es auch diesmal gelungen.
Das Bemühen um Entwicklung beziehungsweise die Zusammenarbeit mit armen Ländern zu Gunsten der Verbesserung der Lebensumstände steht unter einem zweifachen Verdacht: Entweder handelt es sich um ein Fass ohne Boden, oder die Entwicklung findet auf Kosten der Ärmsten statt. Willi Graf von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA konnte hier in seinem einleitenden Referat ein paar positive Schlaglichter setzen.
Ein positives Bild
So hat sich entgegen dem verbreiteten trüben Bild die Situation der Menschen in der so genannten Dritten Welt in den vergangenen Jahrzehnten tendenziell verbessert. Die Anzahl der absolut Armen sei zurückgegangen, die Kindersterblichkeit sei gesunken, überhaupt habe die Lebenserwartung deutlich zugenommen. Und entgegen dem verbreiteten Vorurteil, dass in diesen Ländern zu viele Kinder geboren würden, machte Graf darauf aufmerksam, dass weltweit ein Geburtenrückgang stattfindet.
Ganz im Sinne dieses positiven Bildes beschrieb Michael Fahrbach, wie das Unternehmen Glencore, das weltweit von der Förderung der Rohstoffe, über ihre Verarbeitung und Veredlung bis zum Verkauf, also über die gesamte Wertschöpfungskette, tätig ist, sich vor Ort für die Verbesserung der Lebensumstände der Menschen engagiert. Dies geschehe auch im eigenen Interesse, denn die Bekämpfung von Krankheiten wie Malaria oder Typhus sei schliesslich ein Beitrag zur Sicherung der Produktivität. Und mit den Investitionen in die Bildung sorge das Unternehmen dafür, dass auch in Zukunft genügend qualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung stehen.
Die Heuchelei
Dieses schöne Bild trübte der Entwicklungsexperte Peter Niggli, Geschäftsleiter der Alliance Sud. Er machte darauf aufmerksam, dass die Gelder, die von den reichen Ländern beziehungsweise ihren Unternehmen in die armen Regionen fliessen, in einem grotesken Missverhältnis zu den Gewinnen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit in diesen Ländern stünden. Dazu komme, dass Entwicklungshilfe insbesondere von Seiten der USA überwiegend unter strategischen Gesichtspunkten geleistet würde. So haben die USA einen Diktator wie Mobutu jahrzehntelang zur Wahrung eigener politischer Interessen gestützt.
Zudem sei es eine grosse Heuchelei, wenn Unternehmen wie Glencore sich damit brüsteten, sich auf freiwilliger Basis für die Entwicklung zu engagieren. Denn man dürfe nicht vergessen, dass diese Unternehmen in den Ländern, aus denen sie Rohstoffe beziehen oder grosse Fabriken unterhalten, keine oder nur äusserst geringe Steuern zahlten. Dem widersprach wiederum Michael Fahrbach, indem er darauf aufmerksam machte, dass die Unternehmen ganz legal ihre Investitionen von den Steuern absetzen. Seien diese Investitionen abgeschrieben, würde voll gezahlt, wie dies jetzt seitens Glencore in Kolumbien geschehe.
Verzicht auf Moralisierung
Das ist aber nicht allein das Problem. Vielmehr gibt es auch eine Art Standortwettbewerb der armen Länder. Indem sie niedrige Steuern anbieten, wollen sie Investoren ins Land locken. Und wenn dann Geld in das Land kommt, blüht die Korruption. Das sind „fragile Kontexte“. Wer sich hier engagiert, macht sich leicht die Hände schmutzig. Da waren sich alle Teilnehmer der Diskussion einig. Und ironisch fragte der Moderator David Signer von der NZZ, was es denn bringen würde, wenn Glencore sich zum Beispiel aufgrund der Korruption im Kongo aus den Bergwerken zurückziehen würde: „Die werden dann doch nicht von Greenpeace übernommen.“
Kann dann das Geld, das aufgrund der Ausbeutung der Rohstoffe in arme Länder fliesst und zum Teil durch die Korruption aufgezehrt wird, gleichwohl als eine Art „Anschubfinanzierung“ gesehen werden, wie Michael Fahrbach vorschlug? Trocken entgegnete Peter Niggli: „So geht es doch schon seit Jahrzehnten.“
Wohltuend war, dass in der Diskussion kaum moralisiert wurde. Gleichwohl gab es so etwas wie einen moralischen Appell, als Michael Fahrbach darauf hinwies, dass Afrika mit dem weltweit grössten Anteil an junger Bevölkerung viel stärker von den Chancen her gesehen werden müsse. Und es gibt durchaus Möglichkeiten, mit kleinen Massnahmen direkt vor Ort zu helfen. So machte Willi Graf darauf aufmerksam, dass die Schweiz sehr stark bei den sogenannten Mikrokrediten engagiert ist. Aber auch er verschwieg nicht, wie die praktische Hilfe vor Ort Tag für Tag mit den Schattenseiten des Elends und dem Mangel an politischer Ordnung konfrontiert ist.