Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) übt sich im geduckten Kriechgang. Patrick Odier, Genfer Poschettlibanker und einstmals stolzer Präsident einer mächtigen Institution, bejammerte am einstmals bedeutungsschwangeren Bankiertag, dass «Banken als arrogante, selbstsüchtige und jeden Realitätssinn vermissende Institutionen» von vielen wahrgenommen würden. Hätte ich auch nicht besser formulieren können. Aber diese Weinerlichkeit aus dem Mund des obersten Vertreters des Finanzplatzes Schweiz?
Liebe Banker, wo Odier recht hat, hat er recht. Aber die SBVg ist die Lobbyorganisation für die Interessen der Schweizer Banken, da muss man doch einen Unterschied zu einem Juso-Kongress erkennen.
Verraten und verkauft
Natürlich beklagt Odier völlig richtig die Vergangenheit. Zuerst wurden rechtsstaatliche Grundsätze verraten und verkauft, um die UBS zu retten. Dann wurden Mitarbeiter verraten und Kunden verkauft, um weitere Banken zu retten. Dann verhandelte der Bundesrat eine «Globallösung» mit den USA, Regierung und SBVg verkündeten eine völlig untaugliche «Weissgeldstrategie». Ging alles fürchterlich in die Hose und wird in Milliardenbussen, der Abschaffung des Bankgeheimnisses und des für viele Schweizer Banken existenziell nötigen Geschäftsmodells Beihilfe zu Steuerhinterziehung enden. Genug Grund für Gegreine ist wahrlich vorhanden. Aber auch nach einer Beerdigung geht das Leben weiter. Das alles ist doch kein Schweizuntergang, höchstens ein Marignano für den Finanzplatz.
Es ist offenkundig, dass Regierung und SBVg sehr unglücklich agiert haben. Ohne Strategie, ohne Konzept, ohne Wehrwillen. Man hoffte, mit Gewurstel und dem Opfern von Sündenböcken durchzukommen. Man träumte davon, dass der klassische Schweizer Gnom nur mal kurz den Kopf einziehen müsse, zuschauen könne, wie in ein paar Banken US-Drohnen explodieren – und dann weiter im gewohnten Geschäft. Kollateralschäden, möge der Blitz beim Nachbarn einschlagen, vielleicht sollte man die Versicherungssumme erhöhen und ein paar Eimer Wasser parat stellen. Und um die eigene Bank zu salvieren mit dem Finger auf andere zeigen, die Sachen machten, die wir niemals, aber unter keinen Umständen, gemacht haben. Alles untauglich, Unfug, tatsächlich Ausdruck eines selbstsüchtigen Abhandenkommens jeglichen Realitätssinns. Aber es gibt natürlich auch Gewinner, wie immer bei einer Marktbereinigung.
Es wird ein Blutbad geben
Den Schweizer Finanzplatz kann man ganz grob in fünf Segmente aufteilen. Die beiden Dinosaurier UBS und CS, die Kantonalbanken, Raiffeisen, die Privatbanken und ein bunter Zoo von Regionalbanken. Vielleicht mit Ausnahme Letzterer sind alle mit zwei Problemen konfrontiert: Wie teuer wird die Busse für vergangene Untaten, ist sie existenzgefährdend? Und: Ist die Bank in der Lage, den mit FATCA und anderen Schnüffelmonstern auf sie zukommenden Regulierungswust, auf Banglisch Compliance genannt, zu finanzieren? Das sind keine Peanuts, alleine die Umsetzung von FATCA nur in der Schweiz verschlingt einen dreistelligen Millionenbetrag. In Zukunft wird grenzüberschreitender Finanzverkehr noch viel anspruchsvoller und komplizierter, als er heute schon ist.
Bei den Privatbanken wird es ein Blutbad geben, das steht ausser Frage. Bussen, Wegfall eines wichtigen Geschäftsmodells, Compliance – drei Schläge auf einmal werden nur ganz wenige überleben. Die Staatsgarantie und der damit implizierte Wettbewerbsvorteil bei Kantonalbanken wird wohl die aktuelle Krise auch nicht überleben. Raiffeisen meint, durch die genossenschaftliche Struktur und die damit verbundene weitgehend unabhängige Existenz ihrer Einzelbanken das US-Gewitter weitgehend unbeschädigt zu überstehen. Kann sein, kann auch nicht sein. Aber als triumphale Sieger werden die beiden Grossbanken vom Schlachtfeld gehen.
Grösse zählt
Das Schweizerischste an der UBS ist ihr Sponsoring des Eidgenössischen Schwingfests. Ansonsten ist die UBS, wie die CS, ein internationaler Bankriese, der mehr aus folkloristischen Gründen und als Asset auf seine Schweizer Wurzeln verweist, weil dieses Image in der Welt viel strahlender ist, als es lokal von Odier beschrieben wird. Geschäftsmodell steuerneutrale Aufbewahrung von Privatvermögen am Ende? Na und, bedauerlich, aber die Post geht in Asien, in den USA, in Grossbritannien ab, das Management ist angliziert, die Schweiz spielt höchstens als «chocolate, mountains and watches» eine Rolle, vielleicht noch als netter Zweitwohnsitz am «Lake of Zurich» und wegen renommierten Internaten, in die man die Brut stecken kann.
Mehr Regeln, umfangreiche neue Anforderungen an Compliance, «piece of cake», wie da der Banker sagt. Schon längst umgesetzt, weltweit, der Vorteil eines riesigen Legal Department und des Zugriffs auf die wichtigsten Grosskanzleien der Welt. Den beiden Grossbanken geht es nur um einen möglichst ungehinderten Marktzutritt, beispielsweise in der Euro-Zone. Selbst gigantische Bussen werden sie wegstecken oder haben das schon getan.
Was die beiden Monsterbanken am Schweizer Markt interessiert, ist lediglich das Fressen bei der Marktbereinigung. Es ist Blut im Haifischbecken, viele kleine Haifische paddeln verzweifelt an die Oberfläche und schnappen nach Luft. Und zack, weg sind sie. Zu einem, nie war der Ausdruck passender, Schnäppchenpreis, denn ihre Assets sind kontaminiert, die Probleme sind fast unüberwindlich. Und der Goodwill, also wenn der stolze Privatbankier auf seine jahrhundertealte Tradition verweist, die Geschichte, das Vertrauen, das Poschettli, die über Generationen gepflegte Kundschaft, die Bedeutung der persönlichen und vertrauensvollen Beratung – da bleckt der grosse Haifisch nur kurz seine Zähne und sagt: Da du den Laden wohl zumachen musst, spielt das alles doch ebenso wenig eine Rolle wie dein goldener Füllfederhalter und dein Schreibtisch, an dem angeblich schon Necker gesessen ist. Beides darfst du, unser Goodwill, behalten und mitnehmen, aber sonst nichts.
Da nimmt dann der Privatbankier sein Poschettli aus der Tasche, wischt sich ein paar Tränen ab und trollt sich.