Das Schweizer Bankkundengeheimnis, falls das vergessen gegangen sein sollte, ist bis heute gültiges Gesetz. Es schützt die Privatsphäre des Kunden, der es natürlich auch für Steuerhinterziehung nützen kann. Es ist Bestandteil der Schweizer Rechtssouveränität. Daraus entstehende Konflikte mit anderen Nationen, die sich um ihr Steuersubstrat geprellt sehen, werden normalerweise mit zwischenstaatlichen Verträgen geregelt. Sonst gehen Souveränität und Rechtssicherheit zum Teufel.
Und tschüss
Es ist bis zum heutigen Tag weder Verpflichtung noch Aufgabe einer Schweizer Bank, den steuerlichen Zustand von ihr anvertrauten Vermögenswerten zu überprüfen. Eine Selbstdeklaration des Kunden ist oft das Papier nicht wert, auf dem sie erfolgt. Wenn Schweizer Banken selbst Nachforschungen in den rund 200 existierenden Steuergesetzen auf der Welt anstellen müssten, könnten sie die Abteilung Vermögensverwaltung auch gleich schliessen.
Sollten die durchgesickerten Informationen über diese vom Schweizer Chefunterhändler Michael Ambühl vorgelegte «Einigung» mit den USA zutreffen, bedeutet sie das Ende des Finanzplatzes Schweiz, wie wir ihn kennen. Die Grossbank Credit Suisse und die Basler und Zürcher Kantonalbank werden unter einer Multimilliardenbusse ächzen. Diverse Privatbanken können ihre Schalter schliessen. Denn durch die Bresche, die die Amis geschlagen haben, werden natürlich zuerst die EU-Staaten, angeführt von Deutschland, anschliessend alle anderen Staaten der Welt marschieren.
Geschäftsmodell Steuern
Man kann zu Recht der Auffassung sein, dass die Tatsache, dass Beihilfe zu Steuerhinterziehung und Steuerhinterziehung selbst in der Schweiz kein Straftatbestand ist, bedenklich, moralisch verwerflich sei ¬– und dringend der Änderung bedürfe. Man kann auch zu Recht der Auffassung sein, dass dieses Geschäftsmodell von Schweizer Banken und Vermögensverwaltern spätestens seit dem Kniefall der UBS vor dem US-Fiskus obsolet geworden ist. Man kann befriedigt darüber sein, dass steuerhinterziehende reiche Schweinebacken, profitabel unterstützt von Schweizer Gnomen, ihr Schwarzgeld nicht mehr in der Eidgenossenschaft lagern werden.
Man sollte aber zumindest irritiert sein, dass sie es weiterhin in den USA selbst tun können. Oder auf den vielen prosperierenden Steueroasen in den Weltmeeren. Oder in Andorra, San Marino, im Vatikan, auf den Kanalinseln oder in Frankreich. Oder in China, Russland, Brasilien, Südafrika und, und, und.
Mein Herz ist rein
Man könnte sich nun in der Schweiz im wohligen Gefühl sonnen, dass auf diese Weise der Schweizer Finanzplatz sich mit einem Ablasshandel von vergangenen Sünden reinwäscht und zukünftig keinen US-, EU-, G20- oder OECD-Kunden mehr Steuerasyl gewähren wird. Auch wenn’s alle anderen weiterhin tun: Ich bin klein, mein Herz ist rein. Wunderbar. Allerdings: Wichtigere Werte als die Weiterexistenz des Finanzplatzes Schweiz gehen den Bach runter.
Dazu gehört die Rechtssouveränität eines unabhängigen Staates. Die Nicht-Erpressbarkeit seiner Regierung. Die wehrhafte Verteidigung eigener Interessen in einer globalen Finanzwelt. Die Sicherheit, über eine handlungsfähige, geeinte und im Rahmen des Möglichen nicht sonderlich ungeschickte und unfähige Regierung zu verfügen. Die Garantie, dass es keine rückwirkenden Gesetze geben darf, dass gestern noch legale Bankgeschäfte nicht heute rückwirkend für illegal erklärt werden.
Fünf Jahre Nichtstun
Vor fünf Jahren wurde bekannt, dass die UBS nicht nur ein existenzbedrohendes Problem, Riesenverluste in Derivatespekulationen, sondern zwei hat: Rechtsbruch, begangen von Mitarbeitern in den USA. Man könnte meinen, dass fünf Jahre genügen sollten, um sich die hier abzeichnenden Probleme des Finanzplatzes Schweiz zu lösen. In Wirklichkeit wurden Lösungen nur behauptet. 780 Millionen Busse für die UBS: Problem gelöst. Auslieferung von Tausenden von Kundendaten: Problem gelöst. Auslieferung von Tausenden von Mitarbeiterdaten: Problem gelöst. Selbstentleibung der Bank Wegelin: Problem gelöst. Neue Anklagen gegen leitende Mitarbeiter einer Privatbank und einer Anwaltskanzlei: kein Problem.
Die Schweizerische Bankiervereinigung und der Bundesrat arbeiten eine Globallösung aus, die das Problem mit den USA beilegt. Um Deutschland, Frankreich und andere EU-Staaten kümmern wir uns auch. Kommt schon gut, verhandeln, geben und nehmen, wie es sich unter zivilisierten Staaten, die sich gegenseitig respektieren, gehört. Pustekuchen.
Die Kapitulation
Alleine schon die geschätzte Summe von 10 bis 20 Milliarden Franken Busse alleine an die USA wird dem Schweizer Bankenplatz schwer zu schaffen machen. Mit der rückwirkenden Auslieferung von Kunden- und Mitarbeiterdaten werden fundamentale Prinzipien eines Rechtsstaats beschädigt. Mehr an Kapitulation kann gar nicht erreicht werden. Das kommt davon, wenn man über Jahre hinweg eine klar und deutlich drohende Gefahr verdrängt. Wegelächelt. Hofft, dass der Blitz doch bitteschön beim Nachbarn einschlagen möge und sich das Unwetter dann gefälligst verziehe.
Eine ganze Branche, der Bankenplatz, erweist sich als eine Ansammlung von zu analytischem und strategischem Denken unfähigen Lenkern. Sauber assistiert von einer Landesregierung, die meint, verhandeln bedeute, sich über den Tisch ziehen zu lassen.