Zugegeben, auf Diskussionen über Political correctness reagiere ich in der Regel eher gelangweilt. Als die Wochenzeitung „Die Zeit“ sich in langen Beiträgen mit der Frage auseinandersetzte, ob es richtig sei, dass deutsche Verlage Kinderbuchklassiker wie Ottfried Preusslers „Die kleine Hexe“, Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ oder Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ Wörter wie Neger oder Negerprinzessin durch weniger umstrittene Begriffe ersetzten, habe ich diese Seiten rasch überblättert. Doch zwei Wochen später brachte das gleiche Blatt eine ganze Seite mit temperamentvollen Leserbriefen pro und contra Beibehaltung des Ausdrucks Neger in Kinderbüchern. Besonders die Zuschriften eines neunjährigen Mädchens aus Frankfurt, dessen Vater aus Senegal stammt, und einer Berlinerin, die mit einem Afroamerikaner verheiratet ist, lassen erahnen, wie verletzend solche Wörter auf nicht weisse Menschen in unseren multikulturellen Gesellschaften noch immer wirken können. Der schwarze amerikanische Autor James Baldwin schrieb 1953 in einem Essay über seine Erlebnisse in einem Schweizer Bergdorf: „The black man insists that the white man cease to regard him as an exotic rarity and recognize him as a human being.“ Inzwischen gibt es einen schwarzen US-Präsidenten und vielleicht bald einen schwarzen Papst. Fortschritte im Sinne Baldwins sind offenkundig. Könnte es sein, dass eines fernen Tages sogar der historisch belastete Ausdruck Neger von allen Bürgern nicht mehr als herabsetzend empfunden wird? (Reinhard Meier)