Der Lega-Chef hat die Wahlen in der Emilia-Romagna überraschend deutlich verloren. Die Lega-Kandidatin Lucia Borgonzoni erzielte 8 Prozent weniger Stimmen als der siegreiche sozialdemokratische Stefano Bonaccini. Das ist deshalb überraschend, weil Umfragen lange Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen prophezeit hatten.
Nach seinem überraschenden Erfolg in der linken Hochburg Umbrien im vergangenen Herbst glaubte Salvini, auch die traditionell „rote“ Emilia-Romagna erobern zu können. Die Chancen für einen neuen Coup standen gar nicht so schlecht.
Weshalb es nicht gelang, darüber wird wild spekuliert. Sicher hat der Massenaufmarsch der vorwiegend jungen „Sardinen“ einen Teil der Wählerschaft gegen Salvini mobilisiert. Die hohe Wahlbeteiligung deutet darauf hin. Zudem: Salvinis penetrantes Trommelfeuer empfinden mehr und mehr Italienerinnen und Italiener als „Overdose“: als störend. Immer mehr Leute durchschauen seine sehr einfach gestrickte populistische Masche.
Trotzdem sollte sich die siegreiche Linke nicht allzu früh freuen. Denn Salvini ist und bleibt vorerst der starke Mann. Laut nationalen Meinungsumfragen würde er Neuwahlen in Italien klar gewinnen.
Das Trauerspiel der nationalen Römer Regierung, die aus Sozialdemokraten und der Protestbewegung Cinque Stelle besteht, spielt ihm in die Hände. Der Regierung von Giuseppe Conte gelingt fast nichts, und Salvini macht sie fast täglich mit grossen Worten für den italienischen Stillstand verantwortlich.
Wenn diese Regierung bald einmal zerbricht – und die Möglichkeit ist sehr gross – dann gibt es Neuwahlen. Und dann wird wohl Salvini – Emilia-Romagna hin oder her – neuer Regierungschef.
Ein weiterer Vorteil Salvinis besteht darin, dass die mitregierenden Sozialdemokraten, wie immer, wenig geeint sind und auch über keine charismatischen Führungspersönlichkeiten verfügen.
Also: Trotz seiner Niederlage in der Emilia-Romagna: Salvini kann vorerst hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.
Auch vom Debakel der Cinque Stelle kann er profitieren. Die Protestpartei, die die letzten nationalen Wahlen noch klar gewonnen hat, ist zu einer Chaos-Truppe verkommen und steht vor dem Zusammenbruch.
Um sich zu profilieren und zu erneuern, müssten die Fünf Sterne die nationale Regierung in Rom verlassen. Doch dann gibt es Neuwahlen und dann könnten die Sterne fast ganz vom politischen Firmament verschwinden. Und Salvini würde die nötig gewordenen Neuwahlen für sich entscheiden.
Halten die Sterne jedoch an der Römer Regierung fest, werden sie wohl bis zur Unkenntlichkeit aufgerieben. Was sie also auch immer tun: ihre Zukunftschancen sind gering. Erste Untersuchungen zeigen, dass bereits viele Sterne-Wähler zu den Sozialdemokraten abgewandert sind.
Auch wenn die Niederlage von Salvini stark relativiert werden muss: unwichtig ist sie nicht. Der Lega-Chef mit seiner riesigen Propagandamaschinerie galt bisher als fast unbezwingbar. Aufgrund der Meinungsumfragen und der Ergebnisse vieler lokaler und regionaler Wahlen galt er vielen Italienern als strahlender neuer starker Mann. Jetzt ist sein Sieger-Typ-Image angeschlagen; zum ersten Mal hat er einen wichtigen Rückschlag erlitten. Das ist in Italien, einem Land, in dem Sieger-Typen verehrt und Verlierer schnell versenkt werden, nicht unwichtig. Die italienischen Wählerinnen und Wähler haben immer wieder demonstriert, dass sie mit angeschlagenen Politikern ungnädig umgehen.
Wird Salvinis Niederlage eine nationale Trendwende einleiten? Niemand weiss es. Vorerst wohl eher nicht. Doch das Ergebnis in der Emilia-Romagna hat gezeigt, dass es Früchte tragen kann, wenn man sich energisch gegen den Rechtspopulismus wehrt und sich organisiert. Vielerorts in Italien liess man bisher den Siegeszug der Lega fatalistisch und lethargisch über sich ergehen. Diesmal war es anders.
Interessant wird sein, welche Rolle die „Sardinen“ künftig spielen. Sie haben gezeigt, dass sie eine junge, potente, phantasievolle Macht sein können. Vereint waren sie bisher vor allem im Kampf gegen den Rechtspopulismus. Werden sie die Linke aufmischen und ihr neues Leben einhauchen? Dann allerdings müssen sie mehr sein als eine reine Anti-Salvini-Partei.