Kurze Rückblende: Die Stadt Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah erhielt 1995 den Zuschlag als Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2002. Im Jahr 1998 informierte der damalige IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch das IOC über die Tatsache, dass es im Vorfeld der Vergabe zu verschiedenen nachweisbaren Bestechungsfällen gekommen war. So wurden die Stimmen einzelner IOC-Mitglieder unter anderem durch Reisen, Immobilien, medizinische Operationen, Barzahlungen, Aufenthaltsgenehmigungen und Stipendien für Angehörige in Höhe von 1,2 Millionen Dollar gekauft.
Ein damaliges IOC-Mitglied machte den zuerst unter Verschluss gehaltenen Skandal öffentlich. Dieses Mitglied prangerte nicht nur den Vergabeskandal rund um Salt Lake City an, sondern brachte vor, diese Handlungsweisen seien im Sport kein Einzelfall. Mit der Veröffentlichung geriet das IOC in eine Glaubwürdigkeitskrise. Ein Jahr später führte der Skandal um Salt Lake City zum Ausschluss von insgesamt zehn IOC-Mitgliedern.
Korruptionsskandal in Brasilien
Und wegen des Fifa-Theaters kaum bemerkt: Am 11. Juni beginnt in Chile (Rang 21) die Copa América, die südamerikanischen Fussball-Kontinentalmeisterschaft. Brasilianische Medien sind nun einem möglichen Korruptionsskandal im grössten lateinamerikanischen Land auf der Spur: Die Zeitung "O Estado de São Paulo" berichtete jüngst von einem vertraulichen Vertrag zwischen dem brasilianischen Fussballverband CBF und einer Briefkastenfirma auf den Cayman Islands mit Namen International Sports Events (ISE), wonach der CBF eine Strafe von 500’000 Dollar zahlen müsse, wenn Stars wie Neymar nicht für die Nationalmannschaft spielten. ISE zahle angeblich eine Million Dollar für die Rechte an jedem Freundschaftsspiel der Nationalmannschaft und verlange dafür auch Gegenleistungen.
22 Millionen Euro für fiktive Beratungsleistungen
Deutschland (Rang 12): Der deutsche Baukonzern Bilfinger soll gemäss diverser Medienberichte zur Fussballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien (Rang 69) Bestechungsgelder in Höhe von 20 Millionen Euro an Fifa-Funktionäre und Lokalpolitiker gezahlt haben. Bilfinger hatte Verkehrsleitzentralen mit Displays und Software ausgestattet. Während Bilfinger für die Software knapp drei Millionen Euro gezahlt habe, seien den Brasilianern 25 Millionen Euro berechnet worden. Die Differenzsumme von rund 22 Millionen Euro sei für fiktive «Beratungsleistungen» an Firmen geflossen, die das Geld an Fifa-Verantwortliche und brasilianische Lokalpolitiker weitergaben. Im Moment laufen Untersuchungen. Es gibt noch kein endgültiges Ergebnis.
Wussten Sie übrigens? Das Korruptionsabkommen der Uno hat Deutschland erst am 12. November 2014 nach jahrelangem Gerangel ratifiziert, die Schweiz fünf Jahre früher, im September 2009.
Korruptionsbekämpfung à la grècque
Nun gibt es ja Korruption nicht nur im Fussball und auch nicht nur bei internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz. (Wir belegen übrigens Rang 5 von 175 im Corruption Perception Index 2014 der Transparency International Organisation, der weitweit grössten unabhängigen Organisation im Kampf gegen Korruption. Dänemark liegt auf Platz 1 und ist damit am wenigstens korrupt. Sie finden den Rang anderer in diesem Bericht genannter Länder jeweils in Klammern nach der Nennung des Landes). Da wäre zum Beispiel der Siemensskandal in Griechenland (Rang 69). 2012 hatte Siemens 90 Millionen Euro bezahlt, um die Affäre aussgerichtlich zu erledigen. Im März dieses Jahres hat der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis die Affäre wieder aufgerollt. Kurz davor hatte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras mehr als 100 Millionen Euro Entschädigung von deutschen Firmen gefordert, weil diese Schmiergelder an Politiker des Landes gezahlt hätten, um Rüstungsgeschäfte zu ermöglichen.
Oder vor 10 Jahren die VW Korruptionsaffäre in Deutschland: Aus der Firmenleitung des Volkswagen-Konzerns heraus waren Mitglieder des Betriebsrates mit finanziellen Zuwendungen, Luxusreisen und Dienstleistungen von Prostituierten bestochen und in ihren Entscheidungen korrumpiert worden. Im Sommer 2005 flog die ganze Sache auf.
Auch rund um den Bau des noch immer nicht eröffneten neuen Flughafens in Berlin sollen Bestechungsgelder geflossen sein. Die Untersuchungen laufen.
Keine korruptionsfreie Zone
Im Februar 2014 hat die EU-Kommission erstmals einen Bericht über die Korruption in allen 28 Mitgliedsstaaten vorgelegt. 120 Milliarden Euro hoch seien die wirtschaftlichen Kosten, die durch Korruption in der EU verursacht werden. Das ist ein Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts der EU. In Europa gebe es keine korruptionsfreie Zone.
Was hier aufgelistet wurde ist freilich wohl ein Klacks im Vergleich zur Schmiergeld- und Korruptionspraxis von militärischen Organisationen wenn es darum geht, Rüstungsaufträge zu sichern. 1969 genossen 200 Senatoren und Abgeordnete den fragwürdigen Ruf, eng mit der Rüstungsindustrie liiert zu sein. Mehr als 2000 ehemalige Offiziere standen im Sold der 95 wichtigsten Pentagon-Lieferanten, öffneten Türen der Beschaffungsbürokratie und priesen bei aktiven Kameraden die Produkte ihrer neuen Herren. Allein die drei Luft- und Raumfahrtkonzerne Boeing, Lockheed und McDonnell Douglas hatten 520 Militärs unter Vertrag. Konkurrent General Dynamics hielt sich 27 ehemalige Generäle - und ergatterte gigantische Aufträge: Das Unternehmen durfte für viele Milliarden Dollar 563 Schwenkflügel-Bomber des Typs F-111 bauen, der durch Mängel und explodierende Kosten von sich reden machte, dazu den Kampfjet F-16.
Nun ist 1969 lange her. Aber auch heute muss naiv sein wer glaubt, dass im Rüstungsbereich Personen und Institutionen nicht geschmiert werden. Nur ist es nicht mehr so einfach, Verdachtsmomente mit Fakten zu belegen. Bekannt sind immerhin einige Beispiele aus der Zeit des Irakkriegs: So stellte sich im Juli 2007 heraus, dass rund 190 000 Waffen fehlten, die für die irakischen Sicherheitskräfte bestimmt waren. Jedes dritte der von den USA (Rang 17) in den Irak (Rang 170) gelieferten Gewehre ging somit im Kampfgebiet «verloren». Im November 2007 musste das US-Aussenministerium zugeben, dass es nicht nachweisen konnte, was mit den 1,2 Milliarden Dollar geschehen war, die für die Ausbildung der irakischen Polizei an die private Sicherheitsfirma DynCorp International bezahlt wurden.
Missbrauch zum privaten Nutzen
«Korruption ist der Missbrauch einer anvertrauten Machtstellung zum privaten Nutzen. Unterschieden werden im Rahmen des Korruptionsbegriffes vorwiegend aktive und passive Begehungsvarianten sowie die Privat- und Beamtenkorruption. Die Bestechung eines Amtsträgers ist eine besonders schwere Form von Korruption. Dabei werden unrechtmässige Geldzuwendungen, Geschenke oder auch immaterielle Vorteile für eine pflichtwidrige Gegenleistung angeboten bzw. gefordert. Eine weitere Handlungsform ist die Vorteilsgewährung bzw. Vorteilsannahme. Im Unterschied zur Bestechung, bei welcher der Bestochene eine pflichtwidrige oder in seinem Ermessen stehende Handlung begeht, liegt keine Pflichtwidrigkeit des Beamten vor. Es genügt, wenn der Vorteil im Hinblick auf die Amtsführung angeboten oder angenommen wird (Anfüttern und sog. Klimapflege).
Korruption führt zu geringeren Investitionen, behindert das Funktionieren des Binnenmarktes, bewirkt Wettbewerbsverzerrung, verursacht Verschwendung von privaten und staatlichen Ressourcen und untergräbt die Ziele einer verantwortungsvollen Führung (Good Governance).» So steht’s im Bericht «Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport» des Bundesrates. Der 70 Seiten dicke Bericht wurde Anfang November 2012 veröffentlicht.
Bestechung hat in den letzten drei Jahren zugenommen
Die Hälfte der im Rahmen der Erarbeitung des aktuellen EU-Korruptionsberichts befragten EU-Bürger gab an, dass Bestechung in den vergangenen drei Jahren zugenommen habe. Drei Viertel glaubten, dass Korruption in ihrem jeweiligen Heimatland weit verbreitet ist. Nicht anders waren die Einschätzungen bei den befragten Firmen. Zu 79% und damit am häufigsten waren die Unternehmen im europäischen Bausektor der Ansicht, dass Korruption in ihrem Bereich weit verbreitet ist.
Vielleicht wird die Fifa nun zerstört. Übrig bleiben wird ein Scherbenhaufen. Zerstört wird damit auch die Chance, dass nun tatsächlich so etwas wie Reformen hätten greifen können. Ich wette, dass innert kürzester Zeit andere «saubere» Organisationen dafür sorgen werden, dass weiter munter bestochen und geschmiert wird. Im Fussball sowieso, aber auch in anderen Sportarten, in anderen Wirtschaftsbereichen, im Rüstungsbereich, in der Politik. Sei’s mit Geld, mit Daten, mit Karrieresprüngen oder wenigstens mit Sex. Korruption gibt es, seit Menschen miteinander Handel betreiben. Das Ziel dabei ist immer dasselbe: Macht respektive mehr Macht, mehr Einfluss.
Dagegen sind wir wohl machtlos.