Für die Steuerkontroversen mit den USA und der EU müssen rasch Lösungen gefunden werden, die Rechtssicherheit schaffen.
Als mittelgrosse, offene Volkswirtschaft ist die Schweiz stark von der globalen Nachfrage abhängig – jeder zweite Franken wird im internationalen Austausch verdient, jeder dritte Franken im Austausch mit der Europäischen Union, unserer wichtigsten Handelspartnerin. Dies ist nicht nur aufgrund des Volumens der Fall, sondern vor allem auch aufgrund der geografischen, politischen und kulturellen Nähe.
Allerdings konnten wir die Nachfrage-Einbrüche in der Vergangenheit durch eine relativ stabile Inlandnachfrage abfedern (die wir im übrigen auch der Personenfreizügigkeit verdanken) und von Aufschwüngen in verschiedenen Weltregionen profitieren. Eine geografisch diversifizierte Aussenwirtschaftspolitik macht die Schweiz zwar nicht immun gegenüber externen Schocks, doch etwas weniger stark verwundbar. Besonders zu schaffen machte der Schweiz in den letzten zwei Jahren der überbewertete Schweizer Franken. Mit den Interventionen der Nationalbank und der Festlegung eines Euro-Mindestkurses auf 1.20 Franken konnte eine weitere Überbewertung unserer Währung verhindert werden. Die Exportwirtschaft (namentlich die Industrie), aber auch die Binnenwirtschaft, (namentlich der Tourismus) leiden stark unter dem starken Franken, währenddem die Kaufkraft der Schweizerinnen und Schweizer sowie der Schweizer Unternehmen in der Welt gestiegen ist.
Die Aussenwirtschaftsstrategie von 2004 gibt uns drei Stossrichtungen, die sich soweit bewährt haben: Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk, Binnenmarktpolitik der Schweiz sowie den Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern. Die weitgehende Befolgung dieses aussenwirtschaftlichen und ordnungspolitischen Kompasses haben uns die Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise bisher gut überstehen lassen. Doch der Ruf nach ordnungspolitischen Sündenfällen (wie beispielsweise die Befreiung der Hotellerie von der Mehrwertsteuer für ein Jahr, die Beschränkung des Cassis-de-Dijon-Prinzips oder die Wiedereinführung von Exportsubventionen) wird angesichts des überbewerteten Schweizerfrankens immer lauter. Die FDP.Die Liberalen haben sich mit guten Argumenten und als ordnungspolitisches Gewissen den Partikularinteressen einzelner Branchen stets erfolgreich widersetzt und damit den Wirtschaftsmotor der Schweiz am Laufen gehalten.
Widersinnig im Parlament ist das Verhalten von SVP und CVP, die einerseits den (von Tourismus und Hotellerie geforderten) Agrarfreihandel torpedieren und gleichzeitig den Tourismus und die Hotellerie mit Steuererleichterungen bei Laune halten wollen. Das ist Klientelpolitik, die dem Standort Schweiz auf Dauer viel mehr schadet als nützt.
Gegenwärtig fühlen wir wieder einmal den konkreten Druck des Auslands aufgrund der verschiedenen langjährigen Steuerkontroversen. Darauf müssen wir Antworten finden wie bspw. mit dem Zusatzbericht zum Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA oder mit dem neuen Steueramtshilfegesetz. Gleichzeitig gilt es aber, uns innenpolitisch schlau zu verhalten und uns das Leben nicht zusätzlich schwer zu machen. Standortschädigende oder -verteuernde Initiativen wie 6 Wochen Ferien für alle, die Minder-Initiative gegen Abzockerei oder die 1:12 Initiative der Juso gehören deshalb wuchtig abgelehnt.
Die Schweiz muss ihren Platz in der multipolaren Weltordnung noch finden – in zahlreichen Organisationen und Foren spielen wir derzeit eine Rolle und können unsere Interessen und Werte aktiv einbringen, bei anderen Organisationen und Plattformen sind wir bloss Zaungast und haben keinen direkten Zugang zu Informationen und damit auch keinen Einfluss.
In der WTO ist die Schweiz seit der Gründung stark engagiert und hat mit der Unterstützung des Beitritts von Russlands zur WTO auch ihren Teil dazu beigetragen, dem Ziel des Bundesrats einen Schritt näher zu kommen, dass möglichst alle Staaten Mitglied der WTO werden, sofern sie bereit sind, die mit dem Beitritt verbundenen Verpflichtungen zu übernehmen. Für die Schweiz als offene Volkswirtschaft ist eine funktionierende WTO mit einem stabilen Regelwerk zur Bekämpfung der gefährlichen protektionistischen Tendenzen und zur Fortführungen von Marktliberalisierungen zentral.
Natürlich hätte ich dieses Jahr dem Bundesrat und insbesondere der verhandelnden Staatssekretärin gerne zum Abschluss der Doha-Runde gratuliert. Doch wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Abschluss dieser Handelsrunde leider nicht in greifbarer Nähe ist.
In diesem Kontext ist es sicherlich wünschenswert, dass sich der Bundesrat darum bemüht, sich dem Forum der G20 anzunähern. Auch wenn die G20 keine Legitimation wie statuierte internationale Organisationen haben, beanspruchen sie faktisch eine Führungsrolle in der Weltwirtschaftspolitik. Es liegt deshalb im Interesse der Schweiz sich in den formellen und informellen Foren rund um die G20 entsprechend einzubringen und Allianzen mit anderen Nicht-Mitgliedstaaten zu suchen. Immerhin ist in diesem Bereich die Erkenntnis gediehen, dass man als Drittstaat oder Zaungast keinen Einfluss geltend machen kann.
Schliesslich spielt auch die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit in der Aussenwirtschaftspolitik eine wichtige Rolle. Der jüngste Vorstoss der SVP zielt in die Richtung: „Lieber Kampfjets statt Entwicklungshilfe“. Solche Signale gegenüber dem Ausland sind für das Ansehen der Schweiz – diplomatisch ausgedrückt – nicht förderlich. Zum einen liegen ökonomische Entwicklungsperspektiven für Entwicklungs- und Transitionsländer im Interesse der Schweiz, da sich neue interessante Absatzmärkte eröffnen. Zum anderen ist auch die Solidarität wichtig, denn die Schweiz hat durch die Globalisierung und sich öffnenden Weltmärkte enorm profitiert. Unterstützenswert sind die Initiativen des Staatssekretariats für Wirtschaft in den Bereichen Budgethilfe, Entschuldung, Zusammenarbeit im Finanzsektor, Gewährung von Zollpräferenzen und Investitionsförderung. Denn eine wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung, an der die Menschen partizipieren können, ist zentral für die Bekämpfung von Extremismus, Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung und Krieg.
Die Zeiten, in denen sich Innen- und Aussenpolitik voneinander abgrenzen liessen, sind definitiv vorbei. Es liegt jedoch in unserer Hand, inwiefern wir innenpolitisch angemessen, antizipierend, kreativ und schlau auf neue aussenpolitische Realitäten eingehen.
Christa Markwalder, Nationalrätin, Mitglied Aussenpolitische Kommission