Israel und der Libanon scheinen sich einem Ziel genähert zu haben, um das beide seit Jahren ringen: Eine Regelung der Nutzungsrechte der beiden nahöstlichen Nachbarstaaten auf mindestens zwei Gasfeldern am östlichen Ende des Mittelmeers. Und in diesem Zusammenhang einer klaren Definition der Wassergrenze zwischen beiden Staaten.
Eine endgültige Regelung ist in wenigen Tagen zu erwarten – nachdem die Regierungen in Jerusalem und Beirut sich auf das vorliegende Konzept geeinigt haben und die Uno die Vereinbarung zu einem Vertrag nach internationalem Recht erklärt hat. Trotz positiver Verlautbarungen in beiden Hauptstädten aber besteht kein Zweifel darüber, dass jederzeit neue Probleme auftauchen und das Vereinbarte gefährden können.
Libanesen und Israeli hatten einander in den letzten Jahren immer wieder mit Rechtsansprüchen auf das umstrittene Gebiet im Mittelmeer übertrumpft, und nicht selten drohten diese Meinungsverschiedenheiten – oder Streitigkeiten – in militärische Eskalation überzugehen. Obwohl beide Seiten nach zahllosen bewaffneten Konflikten und verlustreichen Kriegen jeden Grund haben sollten, solch eine Entwicklung zu verhindern.
Bewaffnete Drohnen aus dem Libanon
Trotzdem schien die Gefahr sich erst vor einigen Monaten in eben diese Richtung zu entwickeln: So tauchten über Karish, dem wichtigsten der umstrittenen Gasfelder, wiederholt bewaffnete Drohnen aus dem Libanon auf, während israelische Spezialisten dort Vorbereitungen für die geplanten Förder-Anlagen trafen. Die israelische Luftwaffe schoss die Drohnen ab, die ganz offensichtlich aus dem Fundus der schiitischen «Hisbollah» stammten.
Diese seit ihrer Gründung 1982 vom Iran mit Waffen jeder Art und Ausbildung unterstützte schiitische Miliz hatte sich längst zum «Staat im Staat» entwickelt, nachdem sie als einzige religiöse oder ethnische Bewegung im Libanon nicht ihre bewaffneten Einheiten aufgeben musste, sich gleichzeitig aber auch zur einflussreichsten politischen Partei des Landes entwickelte. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Rückzug Israels aus dem Libanon im Frühsommer 2000: «Hisbollah»-Führer Hassan Nasrallah verstand es, diesen Abzug als vermeintlichen Sieg seiner Organisation zu präsentieren, und er war bis vor kurzem noch von den Libanesen gewollt oder ungewollt deren wichtigster Sprecher.
Verbesserung der wirtschaftlichen Lage im Libanon?
Nasrallah war es denn auch, der zunächst versuchte, die Forderungen Israels in der Erdgas-Frage empört zurückzuweisen. Zudem drohte er mit Gewalt. Nachdem «Hisbollah» aber bei den diesjährigen Parlamentswahlen an Stärke verloren hatte, ist auch Nasrallahs Einfluss offenbar zurückgegangen. Und das trotz seiner – unter anderem mit Raketen verschiedenster Art – gefüllten Waffenlager: Seit Verkündung der Einigung in den Verhandlungen über die Gasfelder hält er sich zurück mit militanten Äusserungen.
Er scheint eingesehen zu haben, dass eine friedliche Einigung seinem Land nur von Vorteil sein könnte, nachdem der Libanon zum Gegenteil der einstigen «Schweiz des Nahen Osten» geworden ist. Eine Folge der militärischen Ereignisse im Nachbarland Syrien und der Flutwelle von Flüchtlingen von dort, aber auch der in der libanesischen Öffentlichkeit immer offener demaskierten, verurteilten und bekämpften Korruption der alteingesessenen Familien der unterschiedlichen Volks- und Religionsgruppen, die sich nach den Regeln der Verfassung von jeher die Macht untereinander teilen. Die Ausbeutung der Gasfelder vor der Haustür verspricht vielen Libanesen deswegen die Chance auf eine Linderung der geschilderten Umstände und auf eine Verbesserung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage in ihrem Land. Von der libanesischen Bevölkerung und von volksnahen Politikern ist deswegen wohl kaum ein Veto gegen die Vereinbarung mit Israel und den USA zu befürchten.
Hintertreibt Netanjahu das Abkommen?
Wenn da nicht in Israel am 1. November wieder einmal gewählt würde: zum fünften Mal innerhalb von drei Jahren. Die Nachricht von der israelisch-libanesischen Einigung platzte mitten in die Endphase des Wahlkampfes. Und da geht es einmal mehr drunter und drüber. Vor allem, weil der Anfang letzten Jahres endlich abgewählte Dauer-Premier Benjamin Netanjahu sich nun anschickt, in das ihm so heimisch gewordene Amt zurückzukehren.
Die Chancen dafür scheinen nicht schlecht zu stehen: Umfragen nur Tage vor der Wahl sagen Netanjahu einen knappen Sieg voraus: Er und politisch Gleichgesinnte sollen auf 60 der 120 Mandate kommen, sodass ihm nur noch ein Mandat fehlt, um die Mehrheit zu haben. «Bibi» ist seit anderthalb Jahren Oppositionsführer und steht der grössten Partei vor, dem rechten «Likud», und er muss sich auch weiterhin vor Gericht gegen mehrere Korruptionsklagen verteidigen, aber das scheint nichts an seiner Gelassenheit zu ändern: Nachdem er als Premier immer darauf bestanden hatte, dass Israel allein ein Recht auf das Gas von Karish habe und es deswegen keine Fortschritte mit dem Libanon gab, fordert er jetzt lauthals eine ähnlich harte Haltung und er droht: Wenn die jetzige Regierung den Kompromiss mit Beirut noch vor der Wahl durchpauke, dann werde er das annullieren, wenn er gewählt werde. Netanjahu war immer eng liiert mit Donald Trump. Man kann es heute noch hören.