Die Schweizer Bankenaufsicht Finma rügt die französische Bank BNP Paribas, dass sie in ihrer Genfer Filiale nur «ungenügendes Risikomanagement im Umgang mit US-Sanktionen» betrieben habe. Die Finma verfügt ein «zweijähriges Verbot von Geschäften mit von EU- oder US-Sanktionen betroffenen Gesellschaften oder Personen». Das bedeutet, dass eine staatliche Schweizer Behörde sich zum Lakaien ausländischer Rechtsordnungen macht, ein Skandal.
Aber um welche US-Sanktionen handelt es sich, wer bestimmt die, gegen wen richten sie sich? Handelt es sich um demokratisch abgesicherte Entscheidungen, haben die Betroffenen Rechte, funktioniert wenigstens hier der Rechtsstaat USA? Die Antwort ist Nein.
Dunkelkammer OFAC
Die lange Liste der von US-Sanktionen betroffenen Personen, Firmen und Staaten wird von einer Dunkelkammer namens OFAC verwaltet. Das steht für «Office of Foreign Assets Control». Die Behörde ist Teil des US-Schatzamtes und dort dem «Untersekretär für Terrorismus und finanzieller Geheimdienst» unterstellt. Die insgesamt 26 Sanktionsprogramme, von «Balkan related sanctions» bis «Zimbabwe sanctions», werden durch «Anordnung des Präsidenten» beschlossen. Dieses Exekutivrecht stammt aus den Zeiten des «Trading with the enemy act» von 1917. Eine Massnahme zurzeit des Ersten Weltkriegs, mit der der Präsident die Möglichkeit bekam, ohne Federlesen US-Bürgern oder -Firmen zu verbieten, mit feindlichen Staaten Geschäftsbeziehungen zum Schaden der USA zu unterhalten.
Dieses Kriegsrecht ist, unter diversen Namen, bis heute in Kraft. Aber natürlich deutlich ausgeweitet und ergänzt. Unter der Rubrik «Special Designated Nationals» sind Personen mit Namen, Wohnsitz und Passnummer aufgeführt, mit denen kein US-Bürger Geschäftsbeziehungen unterhalten darf. Dann gibt es eine «Liste von ausländischen Sanktionsumgehern», ebenfalls mit Namen oder Firmenanschrift aufgeführt, darunter auch eine Schweizer Firma in Windlach, Kanton Zürich. Obwohl es sich hierbei nicht um US-Firmen oder -Bürger handelt, trifft auch sie der Bannstrahl des OFAC. Insgesamt befinden sich über 6000 Einträge in den Sanktionslisten. Soweit diese öffentlich einsehbar sind.
Bezüglich Kuba gibt eine 21-seitige Broschüre unter dem Titel «Alles, was Sie über US-Sanktionen gegen Kuba wissen müssen» Auskunft. Ein kafkaesker Katalog, der selbst das Überfliegen von kubanischem Luftraum extraterritorial regelt und eigentlich alles, was mit Kuba zu tun hat, verbietet. Ausgenommen Spezialbewilligungen, die wohl in Kafkas «Schloss» ausgestellt werden.
Weltweite Gültigkeit
Das macht aus US-Sicht auch Sinn, denn schon längst geht es nicht mehr darum, Sanktionen innerhalb des Wirkungsbereichs von US-Recht, also in den USA, durchzusetzen, sondern weltweit. Der Kniefall der Bankenaufsicht Finma in der Schweiz ist dafür nur ein besonders hässliches Beispiel.
In der Trophäensammlung des OFAC werden die eingenommenen Bussen aufgelistet. Zuoberst der 16-Ender BNP Paribas, die im Rahmen ihres Schuldeingeständnisses sagenhafte 963'619'900 Dollar an diese Dunkelkammer zahlen musste, von insgesamt 8,9 Milliarden. Aber wenn man die Einnahmen der OFAC in der ersten Hälfte des Jahres 2014 zusammenzählt, kommt man auch auf eine Summe, die oberhalb einer Milliarde liegt, genauer 1'185'946'672 Dollar. Eine hübsche Geldmaschine, diese OFAC.
Niemand weiss, wieso er auf diese Sanktionsliste kommt, denn dafür reicht eine «Presidential Order». Niemand hat das Recht, mit juristischen Mitteln seine Entfernung von der Liste zu verlangen. Der Bannstrahl des OFAC trifft weltweit Staaten, Firmen, Personen. Das können Schuldige sein, Schurkenstaaten, Händler von Blutdiamanten – oder völlig unschuldig Betroffene. Genau gleich, wie wenn die USA eine Killerdrohne einsetzen, um im Ausland von ihnen ohne Gerichtsverfahren zum Tode verurteilte mutmassliche Terroristen umzubringen. Und häufig dazu auch noch unschuldige Zivilisten. Bedauerliche Kollateralschäden, hatten halt das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
Und eine Schweizer Behörde verpflichtet die in der Schweiz arbeitende Filiale der französischen Bank Paribas, sich den Befehlen dieser US-Willkür zu unterwerfen. Das ist so, wie wenn man in finsteren Zeiten sich in der Eidgenossenschaft aufhaltenden Personen befohlen hätte, sich auch hierzulande den Entscheidungen der spanischen oder römischen Inquisition zu unterwerfen. Auf diese Idee kam man nicht mal im Mittelalter.
Absurde Gesetze
In den USA gibt es nicht nur die moderne Inquisitionsbehörde OFAC, sondern jede Menge absurde Gesetze. Darunter, dass man im Auto kein alkoholisches Getränk, auch nicht verschlossen, sichtbar mit sich führen darf. Sondern es zumindest in die berühmte braune Papiertüte zu stecken hat. Andere Länder, andere Sitten. Was die Finma hier angeordnet hat, würde in diesem Beispiel aber bedeuten, dass auch in der Schweiz sich jeder, ob US-Bürger, Schweizer oder Ausländer, an dieses US-Gesetz zu halten hat. Wenn er ein in den USA hergestelltes Auto benützt, in dem sich sichtbar eine Flasche Bier befindet, müsste er vom Schweizer Polizisten angehalten, in Handschellen gelegt und in den Knast abgeführt werden.
Der Entscheid der Finma ist skandalös, weil er die Schweizer Rechtssouveränität ohne Not aufgibt und einer Bank, die sich in der Schweiz nichts zuschulden kommen liess, die Einhaltung von US-Sanktionen befiehlt. Der Entscheid ist doppelt skandalös, weil diese Sanktionen ausserhalb jeglicher rechtsstaatlicher Regeln beschlossen und rechtsimperialistisch international durchgesetzt werden. Dieser Entscheid ist dreifach skandalös, weil niemand, weder Betroffene selbst und schon gar nicht internationale Organisationen, die geringste Möglichkeit haben, sich gegen eine allfällige Fehlentscheidung der OFAC-Inquisition zu wehren.
Es steht der Schweiz nicht an, das Funktionieren oder offenkundige Mängel von US-Behörden zu kritisieren. Es stünde der Schweiz aber sehr wohl an, ihre eigene Rechtssouveränität zu verteidigen. Statt sich in Form einer wichtigen staatlichen Behörde zum Erfüllungsgehilfen von illegalem US-Machtanspruch in ihrem eigenen Hoheitsgebiet zu machen. Oder aber, die Finma ruft vor jeder Entscheidung die OFAC an, um sich die Befehle abzuholen. Dafür gibt es sogar eine kostenfreie Hotline-Telefonnummer: 1'800'540’63’22.