Nach einem Gespräch mit Burkhalter am Mittwoch im Kreml forderte Putin die pro-russischen Separatisten in der Ost-Ukraine auf, ihr für kommenden Sonntag geplantes Referendum über die Unabhängigkeit der Region Donezk abzublasen.
"Operativer Friedensplan"
„Wir rufen die Vertreter des Südostens der Ukraine auf, das Referendum zu verschieben, um die notwendigen Bedingungen für einen Dialog zu schaffen“, erklärte Putin auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Burkhalter. Die Adressaten dieser Aufforderung haben sich bisher noch nicht alle geäussert. Eine militante Gruppe, die eine „Volksrepublik Donezk“ anstrebt, hat am Donnerstag erklärt, man halte an der Durchführung des Referendums am kommenden Sonntgag fest.
An seiner Pressekonferenz mit Burkhalter hat Putin ferner behauptet, dass Russland seine an der Grenze zur Ukraine massierten Truppen abgezogen habe, „um die Befürchtungen westlicher Staaten zu zerstreuen“. Von Seiten der Nato gibt es dafür noch keine Bestätigung. Der ukrainische Übergangspremier Arsenii Jazenjuk beschuldigte Putin, nur „Wind zu verkaufen“.
Burkhalter hatte seinem russischen Amtskollegen einen „operativen Friedensfahrplan“ in vier Punkten vorgeschlagen: ein Waffenstillstand in den umstrittenen ukrainischen Gebieten, die Abrüstung der paramilitärischen Einheiten, einen Dialog zwischen den verfeindeten Parteien und freie Wahlen. Zusätzlich regte Burkhalter die Schaffung eines OSZE-Fonds an, aus dem die Entwaffnung der verschiedenen Milizen unter internationaler Kontrolle finanziert werden soll. Der OSZE-Vorsitzende will seinen Plan auch den anderen drei Parteien der Genfer Erklärung vom 17. April unterbreiten, nämlich den USA, der EU und der ukrainischen Regierung.
Putin als Zauberlehrling?
Die Schwachstelle dieses Plans ist, dass die selbsternannten Behörden der mehrheitlich russischsprachigen Ost-Ukraine nicht einbezogen sind. Dies lässt Putin die Möglichkeit offen, zu behaupten, er habe keinen Einfluss auf die dortige Bevölkerung.
Das Einlenken Putins in einem nach den Worten Burkhalters „offenen Gespräch über alle Fragen“ lässt wieder Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konflikts aufkeimen. Der Präsident Russlands und seine westlichen Gegenspieler hatten sich in dieser Krise mit weltpolitischen Auswirkungen wie Zauberlehrlinge benommen, die jetzt Mühe haben, die geweckten gefährlichen Kräfte wieder zurückzubinden. Ob Putins Appelle und Zusagen ehrlich gemeint sind, muss sich erst beweisen. Es geht darum, in der Ost-Ukraine keine vollendeten Tatsachen zu schaffen, die eine Teilung der Ukraine unumkehrbar machen würden.
Poroschenkos Perspektive
Auch der Rückzug der von der Nato auf 40.000 Mann geschätzten russischen Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine ist eine Lackmusprobe. Russland hat diesen Aufmarsch mehrmals bestritten, letztlich aber zugegeben.
Wenn Putin die gegenüber Burkhalter abgegebenen Versprechen einhält, steht die andere Seite in der Pflicht, ebenfalls zur Deeskalation beizutragen. Der aussichtsreichste Kandidat für die gesamt-ukrainischen Präsidentschaftswahlen am 25. Mai, Petro Poroschenko, will mit gutem Beispiel vorangehen. Der Süsswarenfabrikant erklärte am Mittwoch in Berlin, er wäre bereit, mit den überwiegend russischsprachigen Regionen über eine „Dezentralisierung der Macht“ zu verhandeln. Poroschenko fügte allerdings hinzu, dass manche Aufständische nur die „Sprache der Stärke“ verstünden. Eine Beteiligung der Separatisten an internationalen Ukraine-Verhandlungen lehnte er kategorisch ab.
Berlins Runder Tisch
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat russischen Quellen zufolge einen „Runden Tisch“ aller Konfliktparteien vorgeschlagen, also unter Teilnahme der Separatisten. Putin begrüsste laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax diesen angeblichen Vorschlag, von dem das deutsche Kanzleramt nichts weiss, den Merkel aber nicht dementierte. „Wir glauben, dass die wichtigste Sache jetzt die Aufnahme eines direkten, umfassenden Dialogs zwischen den Behörden in Kiew und den Vertretern der südöstlichen Ukraine ist“, erklärte der russische Staatschef.
Die Regierung in Kiew hat solche Gespräche mit den als „Terroristen“ bezeichneten Separatisten bisher abgelehnt. Offenbar ist aber auf Druck einiger westeuropäischer Staaten Bewegung in die festgefahrene Lage gekommen. Für eine weitere Runde der Genfer Ukraine-Konferenz, die der deutsche Aussenminister Frank Steinmeier ins Spiel gebracht hat, scheint die Zeit aber noch nicht reif zu sein. Zuvor muss geklärt werden, wer dabei die Ost-Ukraine vertreten würde und mit welchem Status.
Uno-Untergeneralsekretär Jeffrey Feltman, ein Mann Obamas, führte am Dienstag und Mittwoch Gespräche in Moskau und Kiew. In der ukrainischen Hauptstadt konferierte er mit dem amtierenden Präsidenten Oleksandr Turtschinow. Am Mittwoch traf auch der britische Aussenminister William Hague in Kiew ein. Das diplomatische Karussell, auf dem in der Person von Burkhalter auch die Schweiz sitzt, dreht sich schneller, kann aber jederzeit zusammenbrechen.