Wenn die Verwaltung vor lauter Paragraphen die Bürgerin und den Bürger nicht mehr sieht, dann ist es Zeit kurz innezuhalten und zu fragen: Wollen wir das? Sollen Beamte möglichst effizient Staatsaufgaben erledigen oder vor allem sich selbst beschäftigen, wie der Hamster im Hamsterrad, so dass dem Bürger, der zuschaut «trümmlig» wird?
Diese Geschichte braucht eine kleine Vorbemerkung. Wenn Wirtschaftsjournalisten auf Missstände in der Verwaltung stossen, dann haben Sie grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Die klassische: man pirscht sich mit der Recherche via Betroffene an die Wahrheit heran. Die praktische: man testet selbst, was passiert, wenn...
Es geht um hundert Franken
Die zweite Methode, welche in dieser Geschichte zu Beginn angewendet wird, hat den Vorteil, dass die Wahrheit unverfälscht als Resultat vorliegt. Kein Dritter kann sie durch seine Betroffenenbrille verfälschen. Der Nachteil der Methode liegt auf der Hand, der Journalist macht sich selbst zum Betroffenen. Es würde der journalistischen Ethik wiedersprechen, wenn dies nicht offengelegt würde. Dies sei hiermit getan: es geht um 100 CHF, die auf der einen Seite auf dem Spiel stehen. Auf der anderen Seite steht die Glaubwürdigkeit von Verwaltungsbeamten auf dem Spiel, welche sich für das Nichtstun bezahlen lassen und sich dabei auf eine Verordnung berufen, die sie selbst geschrieben haben.
Das Strassenverkehrsamt wollte gegenüber dem Schreibenden nicht Stellung nehmen und verwies lediglich auf den Ehrenkodex der Journalisten.
Nun aber zur Geschichte.
Wer im Kanton Luzern den Namen seiner Firma ändert, hätte damit nicht sehr viel Aufwand. Denn ausser dem Namen ändert sich nichts. Ein Eintrag im Handelsregister. Keine neue Unternehmensnummer, keine Übertragung von Aktiven, keine Neueinschätzung bei den Steuern. Moderne Verwaltungseinheiten wie die AHV, welche ihre Arbeitsabläufe digitalisiert haben, ziehen den neuen Namen sogar vollautomatisch aus dem Handelsregister ab. Es muss deshalb nicht einmal eine Meldung des neuen Namens gemacht werden.
Es steht so in der Verordnung...
Ganz anders sieht dies beim Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern aus. Es ist zwar nachvollziehbar, dass wer ein Auto hat und seinen Firmennamen ändert, für dieses einen neuen Fahrzeugausweis erstellen lassen muss. Und dass der Halter für den neuen Fahrzeugausweis 25 CHF zahlen muss, ist auch klaglos hinzunehmen. Schliesslich muss dieser ja ausgedruckt und zugeschickt werden und man weiss, wie viel Beamten-Schweiss und Arbeit das Ausdrucken eines Dokumentes, das fachgerechte Verpacken und nicht zu vergessen, die ordentliche Frankierung macht. Da sind 25 CHF Gebühren nicht zu viel verlangt.
Doch nicht genug damit. Der Kreativität zur Erhebung von Gebühren sind bei den Schildbürgern keine Grenzen gesetzt. Deshalb wird zusätzlich eine Übertragungsgebühr von 100 CHF verlangt. Auf Nachfrage hin ist das Strassenverkehrsamt allerdings nicht in der Lage zu beschreiben, was denn genau von wem auf wen übertragen werden soll und welche gebührenpflichtigen aufwändigen Arbeiten dafür vom Amt zu erledigen seien. Es stehe so in der Verordnung, ist der nicht sehr aufschlussreiche Kommentar. Anzumerken ist, dass die Verwaltung die unsinnige Verordnung selbst geschrieben hat.
Nun ist aber die Schildbürgerei noch nicht zu Ende. Denn auf diesen Umstand angesprochen antwortet das Strassenverkehrsamt der Luzerner Zeitung: «Grundsätzlich könnte der Kunde in einem solchen Fall auch einfach neue Schilder lösen – das kostet dann nur 40 Franken.»
(Siehe: https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/wegen-gebuehren-weitere-klage-gegen-luzerner-strassenverkehrsamt-ld.1051253).
Dass der tumbe Bürger nicht selbst auf diese Idee gekommen ist! Anstatt das Kontrollschild einfach am Auto befestigt zu lassen, hätte er doch dieses demontieren, aufs Strassenverkehrsamt bringen und sich dort ein neues geben lassen und dieses dann wieder montieren können. Der Beamten-Spartipp des Jahres. Zur Ehrenrettung der andern Innerschweizer Strassenverkehrsämter muss hier gesagt werden, dass diese nichts verlangen fürs Nichtstun im Falle einer Kontrollschildübertragung von sich selbst auf sich selbst.
(50 + 70) : 2 = 100
Doch der Schildbürgerei nicht genug: Denn auch die Berechnungsmethode für die 100 CHF für das Nichtstun, lässt jeden Mathematiklehrer vor Neid erblassen. Früher hat diese staatliche Nicht-Handlung für Private 70 CHF gekostet und für Firmen 50 CHF.
Gemäss Aussage des Strassenverkehrsamtes gegenüber der Luzern Zeitung wolle man mit einer einheitlichen Gebühr von 100 CHF gerecht sein. Beide, Private und Firmen, sollten neu gleich viel zahlen. Ob die Gleichbehandlung die Privaten freut, bleibt bei der Berechnungsmethode des Strassenverkehrsamtes fraglich. Denn die Luzerner Schildbürger-Formel lautete: (50 + 70) : 2 = 100.
Verneunfachte Gebühr
Wer jetzt denkt das sei nicht zu übertreffen täuscht sich in der Kreativität der Strassenverkehrsbeamten von Luzern – denn wer fürs Nichtstun pro Fall 100 CHF verlangen darf, hat viel Zeit und Musse sich weitere Schildbürgereien auszudenken. In den Genuss dieser Schildbürger-Kreativität von Dienststellenleiter Kieser und seinem juristischen Mitstreiter Holzer im Strassenverkehrsamt kommt der Elektroinstallateur Hanspeter Kuster. Er wollte von seinem Sohn, der vom Kanton Luzern in einen anderen Kanton zog, das Kontrollschild übernehmen. Für einen Garagisten eine kleine Sache: Nummer abnehmen, Nummer festmachen.
Die geneigten Leserinnen und Leser ahnen es, so einfach kann das nicht sein, wenn das Luzerner Strassenverkehrsamt seine Finger im Spiel hat. Da könnte das Strassenverkehrsamt ja nur 25 CHF für einen neuen Fahrzeugausweis kassieren. Mit etwas Beamtenkreativität kann man das aber verzehnfachen. Hier der Trick: Zuerst muss der Vater das Kontrollschild des Sohnes als Privatperson übernehmen. Dann muss er es von sich als Privatperson an sich als Geschäftsperson übergeben. Das macht zweimal 100 CHF, womit das Strassenverkehrsamt schwupps 200 CHF zusätzlich fürs Nichtstun generiert. Immerhin: auf die folgende Bürgerfreundlichkeit ist der Jurist des Strassenverkehrsamtes offensichtlich stolz und deshalb weist er auch speziell darauf hin: Weil die Übergabe vom Sohn auf sich selbst und dann nochmals von sich selbst auf sich selbst in einer einzigen Amtshandlung erfolgt sei, habe man nicht zwei sondern nur einen Fahrzeugausweis erstellt, so dass die 25 CHF nur einmal in Rechnung gestellt würden. Die Gebühr wird damit nicht verzehnfacht, sondern nur verneunfacht.
Unnötige Beamte
Für ein mittelständisches Unternehmen, welches einen Wagenpark hat, kann diese Praxis recht ins Geld gehen. Beispielhaft sei hier ein nicht öffentlich genannt sein wollender, dem Journalisten aber bekannter Unternehmer zitiert, der für seine sieben Fahrzeuge mit 700 CHF vom Strassenverkehrsamt zur Kasse gebeten wurde. Er sei darüber so ausser sich gewesen, dass er den Chef des Strassenverkehrsamtes auf 350 CHF heruntergefeilscht habe, mit der Drohung sonst einfach nichts zu zahlen. Zu gerne hätte man vom Chef des Strassenverkehrsamtes und seinem Chef in der Regierung gewusst, welche Bedingungen vorliegen müssen, damit man mit einem Beamten feilschen kann und ob das nur beim Strassenverkehrsamt möglich ist?
Neben dem Unterhaltungswert hat diese Geschichte auch eine Schlussfolgerung: Der Kanton Luzern hat massiv zu viel Geld und bezahlt damit unnötige Beamte, welche unnötige Verordnungen schreiben und die Bürger unnötig schikanieren, um sich selbst zu beschäftigen.