Nach der letzten Finanzkrise vor 15 Jahren – der dritten im Neuen Jahrtausend und der dritten innerhalb von 15 Jahren - hatte man sich endlich für eine neue Finanzarchitektur entschieden und dafür, das in den vorhergehenden 20 Jahren entstandene Finanzchaos zu entrümpeln.
Endlich: Verbot sogenannter Universalbanken
Eine Kernentscheidung: Universalbanken – eine inzwischen leer gewordene Bezeichnung für irgendwelche Strukturen, die im völlig undurchsichtig vor sich her dampfenden und sumpfenden Finanzdschungel mehr oder weniger taten oder entstehen liessen, was immer sie gerade wollten – wurden verboten.
Es gibt heute – wir befinden uns wie gesagt, im Jahre 2035 -, noch vier Bereiche, in denen man sich als Finanzmensch niederlassen kann: Bank, Wertschriftenhaus, Vermögensverwalter und/oder Finanzinfrastruktur.
Die Tätigkeit der Banken
Die Banken betreiben mehr oder weniger das traditionelle Bilanzgeschäft, bei welchem sie öffentliche Gelder gegen Verzinsung annehmen oder sich anderweitig finanzieren, um die entsprechenden Gelder als Intermediär an kreditsuchende Wirtschaftssubjekte zu verleihen. Zusätzlich stellen sie für das breite Publikum eine Zahlungsverkehrs-Infrastruktur zur Verfügung. Im Prinzip eine reine IT-Funktion, da ja alle Bargeld- und Zahlungsverkehrsfunktionen heute über „Smart-Gadgets“ abgewickelt werden.
Zahlungsmittel gibt es unterschiedliche. Auf der einen Seite die althergebrachten Währungen, die in den letzten Jahren viel an Popularität verloren haben, da ihr realer Wert starken Schwankungen unterlag. Man zahlt halt immer noch den Preis für eine verfehlte Expansionspolitik einiger Zentralbanken in den späten 10er und frühen 20er Jahren, die letztlich halt doch zu den Inflationsraten und den entsprechenden Währungsturbulenzen geführt haben, an die damals niemand glauben wollte.
Digitalwährungen verdrängen traditionelle Devisen
Immer populärer werden dagegen reine Digitalwährungen, die im Prinzip in freier Konkurrenz zu den von den Notenbanken kreierten Zahlungsmitteln stehen, aber (noch) nicht überall akzeptiert werden. Immerhin befinden sich aber qualitativ hochstehende digitale Zahlungsmittel im Umlauf, die den traditionellen Währungen mehr und mehr Konkurrenz machen.
Experten sind der Meinung, dass diese über kurz oder lang die traditionellen Währungen verdrängen werden. Einmal mehr scheint sich die geldtheoretische Hypothese zu bestätigen, dass stabile Zahlungsmittel – in welcher Form auch immer -, schlechtes (sprich: inflationsgeschädigtes) Geld verdrängen. Banknoten und Münzen sieht man kaum mehr, man lässt sie aber bestehen, da man die älteren Jahrgänge nicht völlig vor den Kopf stossen will. Für grössere Transaktionen sind sie aber nicht mehr relevant. Ein sterbender Schwan.
Die Wertschriftenhäuser – früher Investment Bank
Die Wertschriftenhäuser – diese sollen früher den etwas verwirrlichen Namen „Investment Bank“ getragen haben – konzentrieren sich auf Strukturierung, Kauf/Verkauf und Analyse von Wertschriften gegen Kommissionen, den Handel auf eigene Rechnung sowie vor allem die Beratung von Unternehmen bei Nachfolge-, Restrukturierungs- und Finanzierungsfragen.
Rechtlich sind die Wertschriftenhäuser im Normalfall als Partnerschaften organisiert. Sie entscheiden selber darüber, wie und warum man welche Art von Risiken eingehen will, ob im Handelsgeschäft oder in der reinen Wertschriftenabwicklung oder wo auch immer.
Vermögensverwalter und Infrastruktur-Institute
Die Vermögensverwalter, welche sich auf die Verwaltung und die Beratung privater und institutioneller Vermögen spezialisieren und sich darauf konzentrieren, im Interesse einer möglichst guten Performance die entsprechenden Mittel einer effizienten Allokation zu zuführen.
Und schliesslich der Infrastrukturbereich, der ein ordentliches Funktionieren aller möglichen Wertschriftenverwahrungs-, Transaktions- und Zahlungsverkehrsvorgänge sicherzustellen hat.
Unterschiedliche Regulierung
Bei der Ausgestaltung der Neuen Finanzarchitektur war man sich mehr oder weniger einig, dass man die Regulierung von Wertschriftenhäusern und Vermögensverwaltern dem Markt überlassen konnte. Ein Wertschriftenhaus, das schlechte Abwicklungsdienstleistungen bot oder sich im Eigenhandel verspekulierte, würde über kurz oder lang vom Markt verschwinden. Genau gleich wie ein Asset Manager, der ungenügende Performance oder inadäquate Beratung bot.
Bei den Banken und den Infrastrukturunternehmungen sollte auf der anderen Seite von Anfang an eine vernünftige Regulierung greifen, weil bei den ersten die öffentliche Annahme von Geldern im Vordergrund stand – Konsumentenschutz im weitesten Sinne - und bei den zweiten das öffentliche Interesse eines reibungslosen Funktionierens von Basisfinanzdienstleistungen.
Ordnung im Finanzdschungel
Nach Einführung der Neuen Finanzarchitektur herrschte einigermassen Ordnung im Finanzdschungel. Die hässlichsten Interessenskonflikte, die letztlich als Auslöser der verschiedenen Finanzkrisen identifiziert wurden, waren aus der Welt geschafft. Die verschiedenen Kundensegmente begannen zu den unterschiedlichen Dienstleistern im Finanzbereich wieder vernünftig Vertrauen aufzubauen – letztlich die Basis einer funktionierenden Finanzarchitektur.
Natürlich schrumpften die Margen im Finanzbereich gegenüber dem was in den „Roaring 90s“ des letzten Jahrhunderts oder den frühen „Nullerjahren“ erwirtschaftet wurde. Natürlich gingen die Gehälter in der Finanzindustrie zurück. Aber auch im Jahre 2035 gilt noch immer was in allen Bereichen der Wirtschaft immer galt: Wer gut arbeitet verdient auch heute noch gut. Soviel zur Finanzindustrie im Jahre 2035.
Zurück in die Gegenwart des Sommers 2016. Ich hoffe Sie erlauben mir den kurzen augenzwinkernden Ausflug in die Zukunft. Ist das Obige ein vernünftiges Denkmodell? Ich weiss es nicht. Und natürlich ist es unvollständig und alles andere als im Detail durchdacht.
Besser als das, was im Moment abläuft
Aber es ist alleweil besser als das, was im Moment abläuft: Noch immer viel zu tiefe Eigenkapitalquoten für Universalbank-Giganten, die offensichtlich nicht vernünftig zu führen sind. Eigenkapitalregulierungen, deren Ausgestaltung und Spezifikation ein Buch mit sieben Siegeln geblieben ist. Interessenskonflikte, die man versucht mit Regulierungswerken in den Griff zu bekommen, deren Umfang inzwischen nicht mehr in Seiten sondern in Kilogramm angegeben wird.
Verzweifelte Banker, die sich um die Kunden kümmern möchten, dies aber nicht mehr können, weil ihre ganze Arbeitszeit durch irgendwelche regulatorischen Anforderungen und Compliance verbraten wird. Ein Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde (ich wiederhole mich: die Basis jeder funktionierenden Finanzarchitektur), das in der Nähe des Nullpunktes angekommen ist und sich keinen Deut davon wegzubewegen scheint.
Handeln erst nach der nächsten Finanzkrise?
Und schliesslich Zentralbanken, die das Gefühl haben, sie könnten mit irgendwelchen geldpolitischen Massnahmen Investition und Konsum auslösen ohne zu realisieren, dass ihre verzweifelten Stimulierungsversuche die Verunsicherung in der Bevölkerung nur noch mehr erhöht, und sie vielleicht gar das Gegenteil von dem bewirken, was sie möchten.
Müssen wir wirklich bis zur nächsten Finanzkrise warten, damit wir dann im Jahre 2035 zurückblickend sagen können: „Es war gut, dass wir anno Domini 20XY die Axt genommen haben ....“? Natürlich: Schwarz/weiss – und ein bisschen böse. Aber wir wollten ja Grenzen überschreiten. Das öffnet manchmal den Blick für Wesentliches.
Dieser Beitrag ist die leicht revidierte Fassung einer Arbeit, die in PRIVATE 3/2016 erschienen ist.