Nachdem mit Luxemburg und Österreich die beiden letzten Bastionen innerhalb der EU wanken, die gegen den sogenannten automatischen Informationsaustausch (AIA) sind, legen die G-5-Staaten (Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Spanien) nach. Was die USA mit dem Schnüffelmonster FATCA vormachen, soll nun innerhalb der EU gelten, selbstverständlich auch für die Schweiz. Grenzüberschreitender, freier Zugriff auf alle Kontodaten. Damit wäre der finanziell gläserne Bürger Realität geworden.
Heuchelei eins
Die unglaubliche Heuchelei bei FATCA und AIA besteht darin, dass die USA die grössten Off- und sogar Onshore-Steueroasen der Welt betreiben und in Florida die grössten Geldwaschmaschinen des Planeten Drogengeld in erster Linie aus Lateinamerika in den legalen Wirtschaftsbetrieb einspeisen. Während die gleichen USA mit FATCA sich überall den Zugriff auf Kontoinformationen von US-Bürgern erzwingen und gleichzeitig ihr nationales Steuersystem für weltweit gültig erklären, schmettern sie routiniert Rechtshilfegesuche lateinamerikanischer Regierungen ab, die den ihre Stabilität bedrohenden Drogensumpf finanziell trockenlegen wollen.
Heuchelei zwei
Neben den USA betreibt England die umfangreichsten Offshore-Paradiesinseln der Welt. Singapur, Hongkong und Shanghai sind zwar auf dem Vormarsch, aber nicht so schön diversifiziert wie die Commonwealth-Inseln überall auf der Welt und sogar im Ärmelkanal. Spanien und Frankreich teilen sich Andorra, Italien hält sich San Marino, nur Deutschland hat auf diesem Gebiet nichts zu bieten. Alles wunderbare Geldverstecke. Die dort tätigen Treuhänder, Trust-Firmen und Finanzdienstleister wissen nicht, ob sie Tränen des Mitleids oder der Schadenfreude vergiessen sollen, wenn sie die Schweiz betrachten.
Dummheit eins
Die Eidgenossen haben sich, in einer historisch eigentlich einmaligen Zangenbewegung von unfähiger Regierung und zu geldgierigen Bankern ihr schönes Geschäftsmodell mit Bankgeheimnis selbst kaputt gemacht und erfüllen in vorauseilendem Gehorsam sämtliche Auflagen, die ihnen mit FATCA und demnächst AIA gemacht werden. Der Bundesrat kann einen gewissen Stolz nicht verbergen, dass die Schweiz nun sogar von den gleichen Politikern gelobt wird, die vorher ungeniert auf ihr rumtrampelten. Die sich darin zeigende Dummheit ist erschütternd.
Dummheit zwei
Die Schweiz verfügt schon seit Jahren über eines der schärfsten Geldwäschereigesetze der Welt. Daher dürfte der auf helvetischen Konten gelagerte Anteil an Drogenkartellgeldern und anderen aus Verbrechen gewonnenen Einkünften minim sein. Neben den USA und England sind auch Frankreich und Deutschland dafür bekannt, dass es dort mit der Anwendung von Geldwäschereigesetzen nicht so genau genommen wird. In all den Verhandlungen mit den USA, der EU oder innerhalb der OECD ist es der Schweiz nicht im Ansatz gelungen, für all ihre Zugeständnisse und ihren vorauseilenden Gehorsam, für sogar rechtsbrüchige Auslieferung von Kunden- und Mitarbeiterdaten, auch nur die geringste Gegenleistung zu erhalten. Auch das ist erschütternd.
Legal und illegal
Ein Trust oder eine Stiftung wird von der überwiegenden Mehrheit der Privatpersonen, die einen solchen besitzen, völlig legal betrieben. Dass dabei auch völlig legale Steuererleichterungen möglich sind, ist ein hübscher Nebeneffekt, meist aber nicht der ausschlaggebende Grund für die Errichtung einer solchen Konstruktion. Trusts werden auch von Hedge Fonds, Finanzinstituten (alles, was mit dem Begriff «Schattenbank» zu tun hat), institutionellen Anlegern wie Pensionskassen – und natürlich von Verbrecherorganisationen benützt. Nur bei Letzteren handelt es sich um von Anfang an kriminelle Absichten und Zwecke.
Und die Schweiz?
Aus dem ganzen Datenmeer von angeblich 260 Gigabite wurden bislang nur ein verstorbener Multimillionär und eine schillernde Kunstsammlerin mit Schweizbezug der Öffentlichkeit präsentiert. Ohne dass bislang der geringste Nachweis erbracht wurde, dass die beiden durch die Verwendung solcher Finanzgefässe gegen irgendein Gesetz oder sogar nur gegen Steuervorschriften verstossen hätten. Es sieht ganz so aus, als würde dieser grösste Daten-Scoop aller Zeiten im grössten journalistischen Flop enden, seit es die Presse gibt. Die Betreiber der Offshore-Paradiese und wirklich verbrecherische Benützer von Trust-Konstrukten hingegen werden ungeschoren davonkommen. Die Schweiz aber garantiert nicht.