Erstmals in der Geschichte der Eidgenossenschaft war es nicht mehr der Bundesrat, der den Bundesanwalt wählte. Die Wahl oblag der Vereinigten Bundesversammlung, dem obersten Staatsorgan sozusagen. Und dieses Organ machte vom neuen Wahlmodus gleich mit einem Paukenschlag Gebrauch: Es verweigerte dem einzigen Kandidaten, Erwin Beyeler, die Wahl.
Motive nicht eindeutig klar
Dafür gab es durchaus gute Gründe. Beyeler hat sich mit seiner Amtsführung (Fall Holenweger, Fall Roduner usw.) nicht für die Verlängerung seines Mandats empfohlen. Die Liste der Vorwürfe an seine Adresse ist lang, wobei – das muss man fairerweise auch sagen – nicht gänzlich klar ist, ob alle Vorwürfe auch in allen Punkten stichhaltig sind.
Die Heftigkeit, mit der die SVP gegen den Kandidaten ins Feld zog, hinterlässt jedenfalls nicht den Eindruck, sie operiere mit der „Wahrheit und nur mit der Wahrheit“. Ihr ging es offensichtlich weniger um die „Sache Bundesanwaltschaft“ als vielmehr um Rache an Beyeler, dem sie ein Komplott gegen Christoph Blocher vorwarf – was Beyeler übrigens, wie die meisten andern Vorwürfe, bestreitet.
Beyeler wurde also nicht gewählt. Sein Abgang ist ein Verlust, der sich in Grenzen hält. Die SVP triumphiert. Das ist ein Triumph, der nicht über den Tag hinaus weist. Denn gelöst ist mit der Nichtwahl kein einziges der Probleme rund um die Bundesanwaltschaft. Aus allen politischen Lagern ertönte in den vergangenen Wochen die Forderung, die Unruhe, in der sich diese Amtsstelle befindet, müsse endlich ein Ende nehmen. Die Unruhe wird weiter gehen und womöglich noch fiebriger werden.
Oft im Kreuzfeuer der Kritik
Das liegt einerseits am speziellen Charakter der Institution. Seit den 1950er Jahren gerieten die meisten Bundesanwälte ins Kreuzfeuer der Kritik. René Dubois (im Amt 1955-57) nahm sich als Folge übler Intrigen gar das Leben. Hans Walder (1968-74), der politisch Verdächtige mit geradezu inquisitorischem Eifer verfolgte, war nicht nur bei der Linken, sondern teils auch im bürgerlichen Lager umstritten. Sein Nachfolger Rudolf Gerber (1974-89) hatte nicht immer eine glückliche Hand (z.B. Jeanmaire-, Kopp-, Fichenaffäre) und auch keinen glücklichen Abgang. Carla del Ponte (1994-98) warfen Politiker und Medien unproduktive Hyperaktivität vor, und Valentin Roschacher (2000-06) brachte mit seinen – um es gelinde auszudrücken – unkonventionellen Methoden (Fall Ramos) die Bundesanwaltschaft erst recht in Misskredit.
Es handelt sich, wie die Beispiele zeigen, um ein Amt, dessen Inhaber, exponiert wie er ist, leicht scheitern kann. Und nun muss sich also die Gerichtskommission des Parlaments auf die Suche nach einem neuen Kandidaten oder einer Kandidatin machen. Da kann man nur sagen: Viel Glück! Denn was nottut, ist eine Person, die Augenmass hat und fachlich auf der Höhe, integer, unabhängig und resistent ist gegen Beeinflussungsversuche, insbesondere gegen politische.
In der parteipolitischen Arena
Gibt es diese Person? Und falls sie es gibt: Würde sie sich einer Wahl stellen? Die Nichtwahl Beyelers hat deutlich gemacht, dass der neue Modus problematisch ist. Die Rechte schoss massiv gegen den Kandidaten, die Linke, die ebenfalls starke Vorbehalte hatte, unterstützte ihn irgendwie doch – weil sie der Rechten einen allfälligen Triumph nicht gönnte: So nahm dieser (Nicht)Wahlakt Züge eines Wahlzirkus‘ in einer simplen parteipolitischen Arena an. Es ist schwer vorstellbar, dass die „Wägsten und Besten“, nach denen nun Ausschau gehalten wird, bereit sind, sich in eine solche Arena zu begeben.