Vor zwei Jahren sorgte eine Riesenspinne, ein Werk von Louise Bourgeois, in verschiedenen Schweizer Städten für Aufsehen. Nicht weniger spektakulär ist das monumentale Werk „Vier grosse Geister“ (2003) des deutschen Künstlers Thomas Schütte. Die überlebensgrossen Figuren werben für die nächste Ausstellung in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel (6. Oktober 2013 bis 2. Februar 2014).
Die vier Skulpturen sind nach Stopps in Zürich und Genf in Bern eingetroffen und stehen nun auf der Kleinen Schanze, die Grünanlage mit dem Denkmal des Weltpostvereins und in unmittelbarer Nachbarschaft des Bundeshauses. Die vier Botschafter, die Beyeler für zwei Wochen in die Bundesstadt entsandte, wurden in hauptstädtischem Geist und Stil mit viel Prominenz aus Politik, Kultur und Diplomatie begrüsst. Die „Geister“ reisen Ende September weiter nach Basel, wo sie die Besucherinnen und Besucher der angekündigten Schütte-Ausstellung empfangen werden.
Ausrufe- und Fragezeichen
Die Schweizreise der unübersehbaren Skulpturengruppe „vier große Geister“ von Thomas Schütte ist eine äusserst aufwendige und teure Angelegenheit. Ohne den Einsatz von Transportspezialisten, von Sattelschlepper und Kran nicht machbar. Jede Skulptur ist 2 Meter 50 gross und wiegt etwa 500 Kilogramm. Die Figuren sind aus Bronze gegossen und schwarz patiniert. In ihrer Aufstellung als Gruppe stehen die einzelnen Gestalten in merkwürdiger Interaktion miteinander. Durch das Imitieren einer Pose oder die stille Betrachtung lenken sie die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich. Ein Geist reckt den Kopf weit nach hinten und blickt in den Himmel, ein zweiter steht mit hängendem Kopf da, der dritte verharrt in Siegerpose, der vierte steht leicht gebückt und in sich gekehrt an ihrem Platz. Gegensätze von Bewegung und Stillstand, Hektik und Ruhe, Flüchtigkeit und Dauerhaftigkeit, wie sie jeden öffentlichen Raum prägen, kommen hier zum Ausdruck. Die ganze Gruppe ist zudem ein äusserst attraktives Photosujet.
Sie erinnern in ihrer Formgebung an schwerfüssige Golems, haben etwas von den Michelin-Figuren oder wecken Assoziationen an eine Riesenfamilie aus Gullivers Reisen. Etwas schwerfällig und sperrig kommen sie daher. Große Geister, die etwas unheimlich wirken und mysteriöse Züge aufweisen. Sie wirken gleichzeitig fremd und vertraut und lassen wohl niemanden gleichgültig. Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler, stellte in Bern im Namen des abwesenden Künstlers das Werk vor und nahm Bezug auf Schüttes Definition, wonach jede Skulptur wie Ausrufezeichen oder wie Fragezeichen Betrachterinnen und Betrachter herausfordern. Es bleibt jedenfalls dahingestellt, wie weit die „grossen Geister“, die Beyeler aussandte, die grossen und kleinen Geister im „Nachbarshaus“ begeistert und inspiriert…
Geister sind überall
Thomas Schütte ist 1954 in Oldenburg, in Deutschland, geboren. Im Laufe der letzten 30 Jahre ist ein vielbeachtetes und äusserst vielseitiges und eigenwilliges Werk entstanden, vorwiegend aus Skulpturen und Zeichnungen, in dessen Zentrum stets die menschliche Figur steht. Gerade die riesigen Kreationen sind zum Markenzeichen dieses Künstlers geworden. „Vier große Geister“ geistern in der Welt herum und überraschen in diversen urbanen Landschaften wie beispielweise in Wien (2011) und in Potsdam (2010). Ein Trio der Geister steht seit 2004 vor dem Museum of Contemporary Art in Chicago. Bis vor kurzem wurde ein ähnliches Projekt in Central Park in New York präsentiert. Schütte zählt heute zu den international bedeutendsten Künstlern der Gegenwart.
Die Fondation Beyeler in Riehen widmet dem faszinierenden Werk und seinem Schöpfer eine breitgefächerte Ausstellung, die Schüttes Werk lückenlos erkennen lassen wird. Als Kuratorin zeichnet Theodora Vischer, Senior Curator der Fondation Beyeler und frühere Direktorin der jüngsten und modernsten Basler Kunstinstitution, dem Schaulager. Thomas Schütte ist in der Schweiz übrigens kein unbekannter. Schon zu Beginn der 80er Jahre hatte er in der Berner Kunsthalle die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.
Breite Unterstützung
Die Fondation Beyeler, die immer wieder schweizweit und international mit hochkarätigen Prestige-Ausstellungen die Kunstfreunde in Scharen nach Basel lockt, geht in der Kunstvermittlung ganz allgemein neue Wege und sorgt jeweils für Aufsehen. Mit der Aktion will die Basler Institution u.a. breite Bevölkerungsschichten mit der modernen Kunst im öffentlichen Raum vertraut machen. Ja, man will ganz allgemein mit Kunst direkt zu den Leuten auf der Strasse gehen. Die Schockwerbung, sozusagen vor den Toren der Konkurrenz-Museen, ist ein Beispiel. Die Reaktionen sind mehrheitlich positiv.
Noch so gerne würden die Berner Institutionen ähnliche Aktionen starten. „Wir haben die Mittel dafür leider nicht“, wird betont. Beyeler hat sie. Und für solche Auftritte wurde auch ein finanzstarker Partner gefunden, nämlich der Tabakkonzern JTI Japan Tabacco International mit Hauptsitz in Genf (800 Personen) und einer Fabrik im luzernischen Dagmersellen (400 Personen). Das Unternehmen realisiert im Rahmen eines weltweiten kulturellen Engagements verschiedenste Projekte und unterstützt u.a. zeitgenössische Kunst im öffentlichen Raum. Zu den Beyeler Projekten gehörte letztes Jahr auch der wunderbare Riesenhund aus Blumen und Grünpflanzen von Jeff Koons, bekannt u.a. als Künstler mit „grünem Daumen“ und grosser Blumenfreund. Grosszügig mitgetragen wurde das diesjährige Aussenprojekt auch von Simone und Peter Forcart-Staehelin und der Georg und Bertha Schwyzer-Winiger Stiftung.