Die Krise in Jemen vertieft sich. Das Abkommen vom 21. September zwischen Präsident al-Hadi und den Huthis ist Makulatur. Zustande gekommen war die Vereinbarung durch Uno-Diplomaten und anderer Vermittler.
Al-Hadi versuchte einen neuen Ministerpräsidenten zu ernennen, wie es ihm nach dem Abkommen zustand. Doch die Huthis haben ihn abgelehnt. Sie weigern sich auch, Sanaa zu verlassen, wie es ebenfalls in den Vereinbarungen vorgesehen war. Doch schon kurz nach der Unterschrift unter das Übereinkommen machten sie deutlich, dass sie in der Hauptstadt bleiben würden.
„Knecht der Amerikaner“
Der neuernannte Ministerpräsident, Ahmed Awad Ben Mubarak, wurde von den Huthis als ein "Knecht der Amerikaner" bezeichnet. Er stammt aus Südjemen, wirkt aber als Professor der Politikwissenschaften an der Universität Sanaa. Er hatte als Generalsekretär der Nationalen Dialogkonferenz gedient, die im vergangenen Jahr in Sanaa durchgeführt worden war. Ihre Programme und Pläne, um ein neues politisches Regime in Jemen ins Leben zu rufen, müssen nun als utopisch gesehen werden.
Professor Awad hat inzwischen seinerseits auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichtet. Jemen hat daher gegenwärtig einen schwachen Präsidenten und keine Regierung.
Huthi-Kämpfer versuchen in zwei Richtungen vorzudringen, nach Marib, dem Zentrum der jemenitischen Erdölindustrie und nach dem Rotmeerhafen Hodeida. Die einzigen Gegner, die ihnen Widerstand leisten, sind die Muslimbrüder der Islah-Partei und deren Verbündete unter den Stämmen. Gleichzeitig halten die Huthis Sanaa weiter besetzt.
Selbstmordanschläge
Die jemenitische Armee kämpft nicht gegen die Huthis. Einzig ihre bitteren Feinde, die Leute von Islah, leisten ihnen Widerstand. Auch die Terroristen von AQAP (al-Qaeda of the Arabian Peninsula) haben geschworen, sie würden "die Köpfe der Huthis in die Luft fliegen lassen“. Bei einem Selbstmordanschlag ist genau dies geschehen. Der Selbstmordattentäter jagte sich in Sanaa inmitten einer Demonstration von Huthis in die Luft. 40 Menschen kamen ums Leben. Am gleichen Tag ereignete sich ein Anschlag auf eine Armeestellung in der weit entfernten südlichen Hafenstadt Mukalla. Zehn Soldaten starben.
Der Umstand, dass weder Armee noch Polizei gegen die Huthis einschreiten, muss mit politischen Manipulationen im Hintergrund zusammenhängen. Es gibt mehr und mehr Berichte darüber, dass Altpräsident Ali Saleh Abdullah, entweder die Huthis selbst manipuliert oder Fäden zieht, um ihnen die Konfrontation mit den Sicherheitskräften zu ersparen.
Ali Salehs Rache?
Sein Einfluss und der seines Sohnes und Neffen in der Armee und in den Sicherheitskräften ist nach wie vor gross. Beobachter sagen, der amtierende Präsident, al-Hadi, verfüge über die staatlichen Institutionen. Doch sein Vorgänger, Ali Saleh, habe stets in erster Linie mit Hilfe informeller Beziehungen das Land beherrscht und verfüge weiterhin über diese Verbindungen und Klientelen. Ihnen gegenüber seien die offiziellen Institutionen, lies Bürokratie und Sicherheitsorgane, die schwächeren Kräfte.
Der ehemalige Präsident ist sowohl mit Islah, der Partei der Muslimbrüder, wie mit seinem Nachfolger al-Hadi bitter verfeindet. Als er noch herrschte, war al-Hadi sein langjähriger Vizepräsident, der völlig in seinem Schatten stand. Islah bildete so etwas wie eine loyale Opposition, die zu Vorzeigezwecken diente. Beide haben ihn unter dem Druck der Demonstrationen und auf Zureden der internationalen Vermittler hin verlassen und suchten ihren eigenen Weg zur politischen Macht. Ali Saleh Abdullah sieht sie deshalb als Verräter.
Wie lange kann sich der Präsident halten?
Die Sprecher des ehemaligen Präsidenten erklären, er selbst und seine Partei stünden völlig neutral zwischen al-Hadi und den Huthis. Doch viele Beobachter, Jemeniten und ausländische Diplomaten in Sanaa, sind der Ansicht, der ehemalige Präsident suche die Huthi-Bewegung, die er als Präsident in mindestens vier Kriegen bekämpfte, nun auszunützen, um al-Hadi zu schwächen. Sein Ziel dabei wäre, entweder selbst wieder an die Macht zurückzukehren oder seine Söhne und Neffen an die Macht zu bringen.
Es gibt auch Berichte, nach denen die Vereinigten Arabischen Emirate mit Ali Saleh Abdullah zusammenarbeiteten. Falls dies zutrifft, wäre ihr Ziel, die Muslimbrüder von Islah zu schädigen. Die Emirate sind grosse Kritiker und Feinde der Brüder.
Al-Hadi hat bisher die Unterstützung der internationalen Vermittler und der Uno genossen. Doch ob er sich noch lange gegen die Huthis halten kann, die seine Hauptstadt Sanaa besetzen und nun auch versuchen, wichtige Aussenpositionen im Lande in ihre Gewalt zu bringen, wird immer fraglicher.