Indien ist präsent und trotzdem weitgehend unbekannt. Für Europäer ist es schwierig, ein einigermassen stimmiges Bild zu gewinnen. Kenner des Landes wie Bernard Imhasly leisten dafür unschätzbare Dienste.
Entsprechend strahlt der Name Bernard Imhaslys aus. Der Saal im Volkshaus Zürich fasste kaum die mehr als einhundert Zuhörer, die der Einladung von Journal21.ch gefolgt waren. Und sie wurden nicht enttäuscht. Denn sie erlebten einen Beobachter, dem seine jahrzehntelange Präsenz in diesem Land viel gelehrt hat, ohne dass er darin versunken wäre. Er ist ein Europäer in Indien, aber wenn er Europa besucht und sich zum Beispiel den Segnungen der Zürcher Bahnhofsstrasse aussetzt, spürt er „Heimweh nach Indien“.
In seinen Ausführungen setzte Imhasly drei Schwerpunkte. Zunächst befasste er sich mit den erstarkten fundamentalistischen Strömungen, an denen auch Modi beteiligt ist. Wie soll, so fragte er, eine moderne Wirtschaft auf religiösem Fundamentalismus gebaut werden?
Das zweite Thema ist ebenso befremdlich wie abstossend: die fehlenden Toiletten und die Abwesenheit jeglichen Sinns für die Mindeststandards von Hygiene. Wie können ein Staat und seine Wirtschaft einen solchen eklatanten Mangel überwinden?
Als Drittes hat sich anders als in China gezeigt, dass die Zeiten des Wirtschaftswachstums auf der Basis riesiger Industriekonglomerate vorbei sind. Kleinbetriebe und Roboter sind die Stichworte für Entwicklungen, die für viele Inder nicht mehr als präkere Nischenenxistenzen bereit halten.
Das Fazit des Abends war, dass Indien nach wie vor ein faszinierendes Land ist, aber in Frage steht, ob es seine Probleme und vor allem die Widersprüche zwischen Rückständigkeit und dynamischer Entwicklung auflösen kann.