Ein Unglück kommt selten allein – und zwei schon gar nicht. Diesen Montag erleidet Berlusconi den dritten Tiefschlag innerhalb von sechs Tagen: In einer Meinungsumfrage der Zeitung „La Repubblica“ verliert er im Vergleich zum vergangenen Mai 12,1 Prozent und stürzt auf 17,6 Prozent ab.
Begonnen hatte seine Demontage am vergangenen Mittwoch. Damals war er mit seinem Versuch gescheitert, die Regierung des Sozialdemokraten Enrico Letta zu stürzen.
Am Freitag folgte die zweite Schmach: Eine Senatskommission empfahl, Berlusconi aus dem Senat auszuschliessen.
“Si è chiuso un ventennio" hatte Enrico Letta am Wochenende im Fernsehen gesagt: zwanzig Jahre sind vorbei. So lange hatte Berlusconi Italien dominiert, aufgewühlt, zerrissen, lächerlich gemacht – und mit in den Ruin geritten.
Immer wieder tot
In diesen zwanzig Jahren ist er mindestens vier Mal für politisch tot erklärt worden. Das letzte Mal vor knapp einem Jahr. Damals hatte er sich in seinen Gemächern in der Villa Grazioli in Rom verschanzt. “Es geht ihm schlecht, sehr schlecht”, hatte einer seiner Freunde gesagt. Berlusconi hatte angekündigt, sich definitiv aus der Politik zurückzuziehen. Es hagelte Nachrufe. Endlich war Italien ihn los.
Doch wie immer bäumte er sich auf. Er verpsrach die Abschaffung der Eigenheimsteuer und vermasselte so der Linken den sicher geglaubten Sieg bei den Wahlen im vergangenen Februar.
Und jetzt? Wird er sich nach der Schmach der letzten Tage wieder aufrappeln? Vieles hat sich verändert.
Ein Ausschluss aus dem Senat gilt als sicher
Seit dem 1. August gilt Berlusconi als rechtmässig verurteilter Krimineller. Auch in Italien ist dies nicht gerade karrierefördernd.
Als Folge davon hat die Immunitätskommission des Senats beschlossen, ihn aus dem Senat auszuschliessen. Der Gesamt-Senat wird bis spätestens Ende Monat definitiv entscheiden. Im Senat haben die Berlusconi-Gegner die Mehrheit. Die Linke wird sich mit der “5 Sterne-Bewegung” zusammenraufen und gegen Berlusconi stimmen. Ein Ausschluss gilt also als wahrscheinlich.
Berlusconi würde dann nicht mehr im Parlament vertreten sein. Eine wichtige Bühne wird ihm fehlen. Zwar poltert er, er werde von ausserhalb des Parlaments das Land regieren. Das klingt nach Verzweiflung.
"Vatermord"
Doch am schlimmsten trifft ihn der “Vatermord”. Zum ersten Mal erlebte er eine offene parteiinterne Rebellion. Rund 50 Senatoren seiner eigenen Partei waren am vergangenen Mittwoch nicht bereit, die Regierung zu stürzen. Hinter den Kulissen wird jetzt an einer Mitte-rechts-Partei ohne Berlusconi gearbeitet.
Nicht genug: Ein Gericht wird ihn möglicherweise bald mit einem mehrjährigen Politverbot belegen. Und was dann?
Zudem hat Berlusconi Ende September seinen 77. Geburtstag gefeiert. Auch in seiner eigenen Partei werden Stimmen lauter, die für einen Genrationenwechsel in der Parteiführung plädieren.
Beliebter "Vatermörder"
Und jetzt diese Meinungsumfrage des Insituts “Demos” *). Im Mai noch kam Berlusconi auf einen Zustimmungswert von 29,7 Prozent. Die jetzigen 17,6 Prozent sind das schlechteste Ergebnis, das er je in einer Umfrage des Instituts “Demos” erzielt hat.
Eine regelrechte Demütigung für den einst grossen Silvio ist das Ergebnis seines “Vatermörders”. Er ist mehr als doppelt so beliebt wie Berlusconi. Angelino Alfano, Berlusconis langjähriger Kronprinz, hatte am lezten Mittwoch den Putsch gegen seinen Übervater angeführt. Alfano konnte seinen Zustimmungswert auf 36,1 Prozent steigern.
Auch Berlusconis neugegründeter Partei “Forza Italia” geht es schlecht. Laut der Umfrage der “Repubblica” verliert “Forza Italia” 6,2 Prozent und erhält noch 20 Prozent. Damit wird die Partei sogar von den Grillini überflügelt, der “5 Sterne-Bewegung” des Komikers Beppe Grillo. Die “5 Sterne” liegen unverändert bei 20,9 Prozent.
Gestärkte Regierung
Der sozialdemokratische “Partito Democratico” (PD) kann seinen Vorsprung ausbauen. Er erhält 32,2 Prozent Zustimmung; das entspricht im Vergleich zum Vormonat einem Plus von 3,7 Prozent.
Die Regierung von Enrico Letta geht klar gestärkt aus den jüngsten turbulenten Tagen hervor. Vor kurzem noch hatte kaum ein Italiener eine Banane auf Letta gewettet. Vor wenigen Wochen waren noch 41 Prozent der Italiener überzeugt, die Regierung Letta würde innerhalb des nächsten halben Jahres gestürzt.
Jetzt sieht alles umgekehrt aus. Über 40 Prozent glauben heute, Letta könne mindestens ein Jahr oder länger regieren.
Letta contra Renzi
Letta selbst geht als eigentlicher Sieger aus der jüngsten Regierungskrise hervor. Laut “Repubblica” stehen 56,9 Prozent der Italiener hinter ihm. Sein sozialdemokratischer Gegenspieler, Matteo Renzi, der Bürgermeister von Florenz, kommt auf 53,1 Prozent.
Die Linke veranstaltet in zwei Monaten Primärwahlen, um ihren Parteisekretär zu bestimmen. Renzi ist für diesen Posten der einzige ernstzunehmende Kandidat. Er ist bei der Linken beliebt. Es ist anzunehmen, dass er bald Ministerpräsident Letta des Leben schwer machen könnte.
Doch auch wenn Berlusconi von der politischen Bühne verschwinden sollte, wäre es wohl vermessen zu glauben, dass in Rom Harmonie einkehren wird. Die Positionen zwischen der Linken und der Rechten gehen oft weit auseinander.
Sozialarbeiter Silvio
Berlusconi muss bis Mitte des Monats entscheiden, wie er die einjährige Strafe verbüssen will. Er hat die Möglichkeit, sie im Hausarrest abzuzsitzen oder Sozialarbeit zu leisten. Einer seiner Anwälte kündigte am Wochenende an, Berlusconi werde sich für Sozialarbeit entschliessen.
Das ist keine Überraschung. Als “Sozialarbeiter” hofft er auf das Mitleid seiner Anhänger. Er wird sich als Märtyrer aufspielen und sich als ungerecht Verurteilter zelebrieren. Spöttisch fragt ein Römer Journalist: “Wird er jetzt in Altersheimen den Alten die Füsse waschen?” Natürlich begleitet von Fernsehkameras. Werden wir jeden Abend im Fernsehen Berlusconi sehen, wie er im Spital eine alte Frau mit dem Rollstuhl durch die Gänge fährt?
Wer den Schaden hat, hat den Spott
Wird ihm dies den erhofften Popularitätsschub bringen? Wird das genügen, um noch einmal eine tragende politische Rolle zu spielen? Eher nicht.
Wer den Schaden hat, hat den Spott. Böse Zungen in Rom sagen, am besten würde sich “Sozialarbeiter Silvio” dazu eignen, gefallene Menschen wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Vor allem junge Frauen.
*) Die "Demos"-Umfrage wurde vom 2. - 4. Oktober bei 1013 Personen durchgeführt. Dies entspricht einem aussagekräftigen Sample.