Als Lektion in Umweltschutz (den Begriff gab es noch nicht) unternahm der Chemielehrer mit uns Mittelschülern eine Exkursion auf den Zürichsee. Vom Polizeiboot aus nahmen wir Wasserproben aus verschiedenen Tiefen. Befund: trostlos. Ein toter See. Das ist gut fünf Jahrzehnte her. Heute liefert der gleiche See Trinkwasser in bester Qualität. Dazwischen liegt eine politische Parforce-Aktion. Mit Milliardenaufwand wurden in der ganzen Schweiz Kläranlagen und Kanalisationen gebaut. Das Problem der Gewässerverschmutzung kann im Prinzip als gelöst gelten.
Was wird man in fünfzig Jahren konstatieren? Zersiedelung gestoppt? Verkehrsinfarkt kuriert? Finanzkrisen präventiv behoben? Klimaerwärmung eingedämmt? Trotz einigem Aktivismus zur Abwendung solcher Bedrohungen will kein Optimismus aufkommen. Was ist heute anders als bei der Gewässerverschmutzung der 1960er Jahre?
Sauerstoffarme Gewässer konnte man damals künstlich beatmen und den Eintrag düngender Stoffe stoppen. Nicht trivial, aber mit den gewohnten Mitteln politischen Handelns zu bewältigen. Im Vergleich dazu sind die genannten heutigen Phänomene hyperkomplex und grenzenlos. Nicht «Sachen» laufen aus dem Ruder, sondern Systeme. Ursachen und Reichweiten der drohenden Zusammenbrüche sind vielfach nur vage bekannt. Und je schwieriger die Probleme, desto überzeugter treten Bescheidwisser und Lobbys, aber auch Besorgte und Bewegte auf. In der Kakophonie der Stimmen gibt es keine Orientierung.
Was also tun? Autoritär Ruhe gebieten kann und soll man nicht. Etwas so Simples wie ein gordischer Knoten, den man durchhauen könnte, ist auch nicht in Sicht. Möglich, dass uns der eine oder andere Kollaps bevorsteht. Wahrscheinlich wäre es gut, sich das möglichst nüchtern einzugestehen – und dann die nötigen Vorkehren zur Milderung und Eindämmung allfälliger Zusammenbrüche zu planen, zu erläutern und umzusetzen. Solche Leistungen wären der des landesweit verwirklichten Gewässerschutzes ebenbürtig.