Oft frage ich Leute, vor allem Israelkritiker aus dem Ausland, woher sie ihre Informationen über Israel beziehen. „Vor allem aus Gideon Levys Kommentaren in der englischen Version der israelischen Tageszeitung Haaretz“, ist dann die häufigste Antwort.
Nichts Gutes zu berichten?
Oft werden auch Gideons Haaretz-Kollegin Amira Hass, Uri Avnery und Moshe Zimmermann genannt, wovon letztere beide ein hervorragendes Deutsch sprechen. Denn es gibt wenige ausländische Israelkritiker der Berufsgattung Journalismus, die Hebräisch sprechen, oft sind sie auch im Deutschen nicht sattelfest, sodass sie dann aufs Englische ausweichen und bei Gideon Levy in „Haaretz“ landen.
Doch ohne Hebräisch können sie kein israelisches Radio verstehen, nicht mit der Durchschnittsbevölkerung sprechen, nicht hebräische Tageszeitungen lesen. So bleiben diese Kritiker von sehr vielen Realitäten des wirklichen Geschehens, sei es in Politik oder Kultur, ausgeschlossen. Doch möchte ich mich hier ein wenig mit dem König aller einseitigen Israelkritiker, nämlich Gideon Levy, befassen.
Gideon Levy hat sich eine Karriere geschaffen, mit der er zum Guru journalistischer „Israelkritik“ wurde. Vor allem im englischen und deutschen Sprachbereich gilt er als eine zentrale Quelle für Kritik und das Wissen über alles, was in Israel passiert. Gutes zu berichten gibt es für ihn nicht, sogar aus den besten Aspekten des Lebens und der Politik im jüdischen Staat konstruiert er Negatives, dreht Wahrheit und Absichten auf den Kopf. Eines der letzten Beispiele dieser Kunst stand im Zusammenhang mit der israelischen Hilfe für die Erdbebenopfer in Nepal. Er schrieb beispielsweise “die böse Armee in Palästina wird zur Heilsarmee in Nepal“ und nannte den Einsatz der israelischen Armee eine „moralische Heuchelei“. Ob die geretteten Nepalesen es genau so sehen? Wohl kaum.
Zweierlei öffentliche Reaktionen
Ähnlich tönt es heute im Zusammenhang mit dem Mord an einem palästinensischen Baby in der Westbank: „Alle Israelis sind schuldig, eine palästinensische Familie zu verbrennen“. Als ob es gerade in Israel, in völligem Gegensatz zu den palästinensischen Gebieten, keine Demonstrationen des Entsetzens und der Solidarisierung mit den Opfern dieser schrecklichen Tat gäbe. Zwar bringt das die Opfer nicht ins Leben zurück, macht jüdischen Terror nicht weniger schrecklich, doch demonstriert es einen wesentlichen Unterschied der öffentlichen (und privaten) Empathie auf jüdischer und palästinensischer Seite.
In der israelischen Öffentlichkeit werden Entsetzen und Entschuldigungen laut über derartige Verbrechen. Im Unterschied dazu erhalten manche palästinensischen Baby-Killer von der palästinensischen Autonomiebehörde eine Pension, ihre Familie wird unterstützt, Strassen werden nach ihnen benannt und der oder die Killer als Helden gefeiert. Dieser Unterschied ist nicht neu, aber muss doch erwähnt werden.
Was leider vorläufig fehlt, ist der Wille israelischer Regierungen, Sicherheitsbehörden und Gerichte, jüdischen Terror genauso hart zu verfolgen und zu bestrafen, wie den palästinensischen. Dazu gibt es in Israel Nachholbedarf.
„Not my business“
Durch meine Arbeit für eine israel-arabische Kunstgalerie habe ich Gideon Levy ein klein wenig persönlich kennengelernt. Nur ein klein wenig, doch das hat mir vollauf genügt. Der Mann ist völlig humorlos, auf sich selbst bezogen. In seinem dieses Jahr erschienenen Buch „Allein unter Juden“ interviewte der Autor Tuvia Tenenbom Gideon Levy. Daraus geht hervor, dass Gideon kein Wort Arabisch spricht. Wie kann er denn seine Horror-Geschichten aus den besetzten Gebieten erzählen? Seine Westbankbesuche unternimmt er mit einem Team von Arabischsprechern, denn die meisten der Interviewten sprächen weder Englisch noch Hebräisch. Damit sind seine Interviewten leichter in der Lage, sämtliche gern gelesenen Versionen über das israelische Benehmen in der Westbank unkontrolliert an den Mann zu bringen.
Es ist ein schon seit langem dokumentiertes Phänomen der Berichterstattung aus den palästinensischen Gebieten, dass sich Aussagen in arabischer Sprache von denen in englischer Sprache erheblich unterscheiden, ja oft das Gegenteil aussagen. Der Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ schrieb dazu schon zu Arafats Zeiten im Jahre 2003“: „Palästinenserpräsident Yassir Arafat mit gespaltener Zunge. Auf internationalem Parkett redet er vom Frieden – auf Englisch. Zurück im Gaza-Streifen oder wie jetzt im Westjordanland hetzt Arafat gegen Israel und preist das Märtyrertum – auf Arabisch.“ Das war Arafat, unter dessen Nachfolger Abbas hat sich nichts verändert.
Levy wurde von Tennenbom gefragt ob er auch über palästinensischen Menschenrechtsvergehen schreibe. Er antwortete, das gehe ihn nichts an (not my business). Vielleicht weil es damit schwieriger ist Geld zu verdienen.
„Haaretz“-Abo gekündigt
Ein anderer von Tenenbom beschriebener Aspekt von Gideon Levys Persönlichkeit ist die Tatsache, wie er selbst sagt, er habe keine palästinensischen Freunde in der Westbank habe, alle seine Freunde seien Israelis. Damit ist er auch nicht in der Lage, Aussagen aus palästinensischen Quellen ungeprüft als wahr zu zitieren. (Die Zitate aus Tenenboms Buch sind der englischen Ausgabe „Catch the Jew!“ des oben erwähnten Buches entnommen).
Gideon Levy ist Mitglied der Chefredaktion der linksliberalen israelischen Zeitung „Haaretz“. Er hat sich mit seiner journalistischen Tätigkeit eine Marktnische geschaffen. Aus dieser Nische verbreitet er Abscheu und radikal einseitige Kritik über Israel. Er floriert, wird zu Vorträgen und Gesprächen im In- und Ausland eingeladen und weltweit zitiert. Damit verdient er nicht schlecht.
Vor einigen Monaten annullierte ich mein Abonnement für diese Zeitung, weil es, so meine Begründung, Gideon Levy eine Bühne gibt. Daraus machte ich keinen Hehl. Ein Redaktionsmitglied rief mich an und wollte den Grund dazu nochmals wissen. Auch offerierte er mir einen grossen Rabatt. Ich gab ihm meine Begründung: „Ich weigere mich, Gideon Levys Salär weiterhin mitzubezahlen.“ Ich fügte hinzu, ich bezweifelte, dass Gideon Levy seine von Israelkritikern so gerne gelesenen einseitigen Kommentare gegen Juden und Israel wirklich glaube. Der Redaktor antwortete mir tatsächlich: „Da könntest Du recht haben“. Neuerdings berichtet die israelische Presse, dass in den letzten Monaten einige hundert „Haaretz“-Abonnenten wegen Gideon Levy gekündigt hätten.
Ärger auch mit rechten Kommentatoren
Inzwischen lese ich die „Jerusalem Post“ und ärgere mich über Kommentare rechtsgewickelter Schreiber, die spiegelbildlich dasselbe zu Papier bringen, wie Gideon Levy. Nur eben rechtsextremistisch statt linksextremistisch. Geniessbar sind keine Kommentare dieser extremistischen Art. Beide Zeitungen publizieren - als Gegengewichte oder auch als Alibi – gelegentlich entgegengesetzte Meinungen. Jetzt bleibt mir zu entscheiden, welche Zeitung ich als Informationsquelle wirklich will – oder ob ich mich mit andern unter den vielen möglichen Quellen begnügen werde.