Das Wahlergebnis hat globale Bedeutung und wird sich auch auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA auswirken. Je nachdem, ob die Demokratin Hillary Clinton oder der Republikaner Donald Trump die Präsidentschaft antritt, zeichnen sich aussenpolitische Perspektiven ab, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und der Wahlkampf, der an Entgleisungen alles Bisherige in den Schatten stellt, weckte die Neugier zusätzlich. So war denn der Blaue Saal im Zürcher Volkshaus am Donnerstagabend hervorragend besetzt.
Das Informationsbedürfnis deckten vier Journal21.ch-Autoren ab, nämlich die in den USA aufgewachsene und die dortige Politik genau beobachtende Monique Siegel, die langjährigen USA-Korrespondenten Reinhard Meier, ehemals NZZ, und Ignaz Staub, früher Tages-Anzeiger, sowie als Moderator der ebenfalls auslanderfahrene Heiner Hug. Er konnte gewissermassen aus erster Hand Fakten und Einschätzungen abrufen.
Zentral war die Frage, weshalb ein unberechenbarer und flegelhaft jedes Tabu brechender Quereinsteiger von einer Welle der Begeisterung getragen wird. Die wesentliche Erklärung sahen die Diskutanten bei einer breiten Wählerschicht, vor allem im Mittleren Westen, die sich wirtschaftlich abgehängt und vom politischen Establishment vergessen fühlt. In dieser Verbitterung und Wut erscheint ein populistischer Kraftmeier, der verspricht, was gehört werden will, und gegen das offizielle Washington vom Leder zieht, als Hoffnungsträger.
Allerdings, fügte Reinhard Meier an, stütze sich diese Interpretation auf eine eher schwache Datenbasis. Lediglich 15% der amerikanischen Wahlberechtigten hätten an den republikanischen Vorwahlen teilgenommen. Für präzise Folgerungen müsse der 8. November abgewartet werden, um die Gesamtheit der Voten analysieren zu können.
Aussenpolitik ohne Abenteuer
Die Runde war sich mit sachlichen Argumenten über die innen- und aussenpolitische Untragbarkeit Donald Trumps einig, auch darin, dass die von ihm verursachten Verwerfungen die USA zwar nicht aus der demokratischen Bahn werfen, aber noch eine Weile beschäftigen werden.
Monique Siegel attestierte Hillary Clinton Brillanz. Reinhard Meier und Ignaz Staub relativierten das Lob unter Hinweis auf den brennenden Ehrgeiz und die E-Mail-Affäre, anerkannten jedoch den Leistungsausweis der möglichen ersten amerikanischen Präsidentin. Ob es ihr gelinge, der Innenpolitik neue Impulse zu verleihen, müsse offen bleiben. Das hänge auch vom Verhalten der republikanischen Partei im Senat und Repräsentantenhaus ab und von der Kompetenz des Beraterstabes.
Übereinstimmung herrschte darin, dass Hillary Clinton mit ihrer soliden Dossierkenntnis eine Aussenpolitik ohne Abenteuer garantiere und im Nahen Osten vielleicht friedensstiftende Akzente setze. Die Zeit wäre reif, nach dem ersten schwarzen Präsidenten jetzt die erste Frau ins Weisse Haus zu wählen.
Unbehaglicher Gedanke
Die kaum beachteten Kandidaten fürs Amt des Vizepräsidenten brachte Monique Siegel kurz ins Gespräch. Beim Alter der beiden für die Präsidentschaft Kandidierenden sei es nicht völlig unwahrscheinlich, dass lediglich der berühmte Herzschlag den Demokraten Tim Kaine oder den Republikaner Mike Pence vom Einzug ins Oval Office trenne. Dieser Gedanke verursache wegen der geringen Fähigkeiten der Nachrückenden einige Sorge.
Journal21.ch verfolgt den weiteren Wahlverlauf engagiert. Er bleibt spannend, obwohl die Meinungsumfragen Hillary Clinton im Vorteil sehen. Aber die Würfel fallen erst in den Wahlkabinen. An diese Wahrheit, so banal wie rasch verdrängt, wurde auf dem Podium immer wieder und abschliessend auch von Heiner Hug erinnert.
Ignaz Staub reist in den nächsten Tagen nach Washington und wird von dort als direkter Zeuge über Hintergründe und Resultate aktuell berichten.