Der Kunst-Hansdampf Jürg Halter provoziert gern und geschäftig. Zum Beispiel neulich mit seiner Ausstellung «Fuck Slogans» in Zürich. Ein paar Bilder mit mehr oder weniger bedenkenswerten Sprüchen.
Nun würzte Halter die Ausstellung mit der Behauptung, auf Twitter sei zu Störaktionen aufgerufen worden. Die Finissage stand deshalb unter Personenschutz. Halter sieht sich als Opfer einer Cancel-Kampagne aus vorwiegend linksidentitärer Nische.
Er ist natürlich gewieft genug, um zu wissen, dass eine Ausstellung mit dem Titel «Fuck Slogans» einen vorzüglichen Unique Selling Point im überhitzten Klima des grassierenden Beleidigt-, Empört-, Verletztseins abgibt. Eine gewisse (Selbst-)Ironie ist dem Titel ja auch nicht abzusprechen. Vor allem, wenn ihn noch die diffuse Bedrohung einer möglichen Störaktion – oh Schreck: gar Vandalismus – umschwebt. Mit dem diskreten Charme des Gecanceltseins hat es Halter immerhin zu einem Beitrag in der NZZ geschafft. Darin beklagt er sich unter anderem über das «rauer» werdende Debattenklima in unserem Land. Unterschwellig hört man heraus: Wir armen Kritischen stehen immer mehr unter der Bedrohung des Cancelns.
Das ist in der Tat ein Problem. Kritik ist ein zivilisierter Ersatz für soziale und physische Gewalt. Sie richtet sich gegen Meinungen, Canceln richtet sich gegen die Meinenden. Kritik korrigiert Irrtümer, Canceln bestraft den «inkriminierten» Irrenden, zum Beispiel dadurch, dass man ihm Plattformen der Meinungsäusserung entzieht, Vorträge absagt oder Publikationen verhindert; dadurch dass man ihm mit Kündigung oder Schlimmerem droht. Kritik eliminiert unliebsame Ideen. Canceln eliminiert – schlimmstenfalls – unliebsame Personen.
Derart Dramatisches stand natürlich bei Halters Performance nicht auf dem Spiel. Denn seine Slogans sind Kritik im Diminutiv: Kritiklein. Wie sich nun herausstellte, war das ganze Bohei über die vermeintliche Bedrohung einem Witz in der Zwitschermaschine geschuldet. Ein Journalist postete das Bild «Fuck Slogans» mit dem Kommentar «Kann bitte jemand ENDLICH Tomatensuppe auf dieses Bild spritzen?!». Ein paar Tage nach der Finissage übrigens. Offenbar ein gefundenes Fressen. Halter rückte so mit seinen Slogans gleich in die Liga der Attacken auf Vermeer, Monet, Van Gogh auf.
Das zeigt ein typisches Merkmal des Cancelns, das natürlich den Charakter der Interaktion im Netz spiegelt: Zentral beim Canceln ist das cancelnde Ego. Es geht ihm um libidinöse Aufmerksamkeitshuberei, Bestärkung eigener Wichtigkeit. Man cancelt für die Follower hinter sich, posiert als – oft moralisierende – Rampensau. Das schien sich das Ego Halters nicht bieten lassen zu wollen. Deshalb drehte er den Spiess um: Ich werde gecancelt, also bin ich (in aller Munde). Nice Try.