In den sechziger Jahren gab es tatsächlich Leute, die wegen der «Pilzkopf»-Frisur von vier Jungs aus Liverpool den Untergang des Abendlandes befürchteten. Und erst ihre Musik mit dem ewigen «Yeah-Yeah-Yeah»! Sie befeuerte den Pop, die Songs der Beatles, wie sich die Band bald nannte, rutschten fast ein Jahrzehnt lang praktisch nie unter die Spitze der internationalen Charts.
Zwar handelten sie meist von Sehnsucht und Liebe, aber die Texte waren nicht ganz weltfremd. Das wäre auch ein Makel gewesen, angesichts der Ereignisse in den sechziger Jahren: Der amerikanische Präsident John F. Kennedy wurde 1963 ermordet. Im Vietnam-Krieg starben Zehntausende, in aller Welt wurde dagegen demonstriert, und 1968 gingen erst in Frankreich, dann in anderen Ländern die Studierenden endgültig auf die Strasse. Aber da neigte sich das gemeinsame Jahrzehnt der Beatles bereits seinem gewollten und freiwilligen Ende zu.
Liverpool und Hamburg
Es gibt Wenige, die nicht sofort die Namen der vier Beatles und gleich noch ein Dutzend ihrer Songs nennen könnten. Die fröhlichen Burschen aus Liverpool, die schon als Schüler mit Bands begonnen hatten und ihre Sporen in kleinen Hamburger Klubs abverdienten, gehören zum kollektiven Gedächtnis mehrerer Generationen.
Nach verschiedenen Wechseln in der Besetzung kam zu John Lennon, Paul McCartney und George Harrison der Schlagzeuger Ringo Starr dazu, und diese Formation blieb bestehen. Keine Band war jemals bekannter und beliebter als die Beatles, auch nicht die Rolling Stones, die wenig später starteten.
Viel Nostalgie und viel Neues
Und nun hat der Starregisseur Ron Howard eine Dokumentation mit dem Titel «The Beatles. Eight Days A Week. The Touring Years» geschaffen, die viel Nostalgie, aber auch viel Neues bietet. Ein gewaltiger Kraftakt mit allein 150 Musik-Einsätzen, die mit heutiger Technik auf die Reihe gebracht werden mussten. Der Film lohnt den Gang ins Kino, auch wenn er überlang ist (140 Minuten).
Aber er schenkt dem Kinopublikum als Dessert noch zusätzlich einen halbstündigen Zusammenschnitt des legendären Beatles-Konzerts von 1965 in einem New Yorker Sportstadion vor einem Rekordpublikum von 55'000 Menschen.
Rettung im Polizeiwagen vor den Fans
Hier wird die Anstrengung sichtbar, die der Auftritt erfordert. Ausser Atem und mit schweissnass verklebten Pilzkopffrisuren sagen die Musiker, meist John Lennon, den nächsten Song an. Und sie legen mit erneuter Energie und Freude los. Doch zum Schluss müssen sie in einem Polizei-Van für Häftlinge direkt von der Bühne weg aus dem Stadion gefahren werden, um sie vor ihren Fans zu retten.
Spannend sind die Interviews mit den beiden noch lebenden Beatles Paul McCartney und Ringo Starr, aber auch mit Zeitzeugen, die verschiedene Aspekte beleuchten. Zum Beispiel der später sehr berühmte blutjunge Radioreporter, der vor der ersten USA-Tournee der Beatles den Auftrag erhielt, diese «Brits» zu begleiten und nicht verstehen wollte, weshalb er dies tun sollte. Schliesslich, murrte er damals, gebe es viele unbekannte Bands.
Er liess sich überraschen und wurde ein regelmässiger Chronist und ein enger Freund der Beatles. Er traf eine hoch musikalische Band mit lauter eigenen Songs, die am liebsten in Sportstadien auftrat und die Mädchen reihenweise in Ohnmacht fallen liess. Auch in den USA kreischten die Fans so laut, dass die Musiker sich auf der Bühne nicht mehr hören konnten. «Ich wusste oft nicht, wo genau im Song wir gerade waren», gesteht einmal Ringo Starr im Film.
Live und schlagfertig
Überraschungen gibt es in der Doku genug. Zum einen, wie viel Stress die vier Musiker auf sich nahmen, weil sie so gerne Musik machten und weil die Kadenz ihrer Neuheiten gewollt und verlangt war. Alle drei Monate eine Single mit A- und B-Seite! Zwei neue Alben im Jahr! 200 Konzerte pro Jahr! Eine Plackerei. «Ich schrieb immer gerne Songtexte», erklärt Paul McCartney im Film. «John und ich schrieben gemeinsam etwa 300 Songs.» Auch die beiden anderen trugen etliche Lieder bei.
Zwei weitere Überraschungen: Wie hervorragend präzise und mit wie viel Charme die Beatles live sangen, musizierten und harmonierten, immer mit spürbarer Begeisterung, zumindest in den ersten paar Tournee-Jahren. Und zweitens wie gescheit und schlagfertig sie in Live-Interviews antworteten, als wahre Meister von One-linern. Frage eines Reporters: «Was tut Ihr nach dem Konzert in euren Hotelzimmern?» Antwort: «Eislaufen.»
Auch wenn sie sich gegenseitig hänselten, blieben sie doch Freunde. Beispiel: «Ich heisse George Harrison und spiele Solo-Gitarre.» John Lennon: «Ich heisse John Lennon und spiele besser Gitarre.» Ringo Starr sagt im Film, es sei gewesen, als hätte er plötzlich drei Brüder. Die Beatles hatten auch feste Grundsätze. Als sie vernahmen, dass in den US-Südstaaten der Einlass in die Stadien, in denen sie auftreten sollten, nach Rassen getrennt war, weigerten sie sich, vor einem segregierten Publikum zu spielen und gewannen nachhaltig.
Am Anfang immer im Anzug mit Krawatte
Ein Zeitraffer zeigt den Wahnsinn der Tourneen zwischen Deutschland, Australien, den Philippinen und wieder den USA. Kaum Zeit zum Atmen, bis die vier Musiker Knall auf Fall beschlossen, ab 1966 nur noch im Studio zu arbeiten.
Die Dokumentation mit laut Produktionsfirma noch nie gezeigten und gehörten Aufnahmen zeigt auch die ganz normale Entwicklung der vier Jungs aus Liverpool. Ihr Manager Brian Epstein hatte sie dazu gebracht, stets in Anzug und Krawatte aufzutreten und sich auf der Bühne anständig zu benehmen.
Im indischen Ashram
Mit der Zeit wurden die Haare länger, es gab Schnurrbärte, die Kleider bunter und salopper, George Harrison führte auf der Bühne die indische Sitar-Gitarre ein. Einige eher psychedelische Songs entstanden, es wurde mit Drogen experimentiert, und auf Betreiben von Pattie Harrison kam der auch in der Schweiz bestens bekannte Maharishi Mahesh Yogi ins Spiel.
Die Beatles verbrachten einige Wochen in dessen indischem Ashram, wo Dutzende neuer Songs entstanden. Alle vier kokettierten bereits mit Solo-Karrieren, blieben sich jedoch, auch nach dem Tod ihres Managers, treu.
Ein Ende in Frieden
Aber die ersten Ehefrauen, nette Mädchen von nebenan, mussten später spezielleren Gefährtinnen weichen. Paul McCartney wandte sich der Fotografin Linda Eastman (aus der Kodak-Familie) zu, Ringo Starr heiratete die Filmschauspielerin Barbara Bach. Und John Lennon lernte Yoko Ono kennen. Von ihr sagt man, dass sie das Ende der Band herbeiführte.
Doch es gibt im Film keinerlei Schuldzuweisungen. Die Beatles trennten sich 1970 offenbar im Frieden – als Millionäre und als weiterhin erfolgreiche Musiker. Ihre Medienmitteilung, in der die Beatles ihre endgültige Trennung bekannt gaben, war so witzig wie immer. Sie endet mit den Worten «The Beat Goes On».