An diesem Jubiläumsbuch zum 50-jährigen Bestehen des Stadtzürcher Heimatschutzes ist einfach alles erfreulich. Es präsentiert sich als Arbeitsinstrument im Sinn des Werkbundes; mit seinem gefühlten A5-Normformat, seinem biegsamen Hardcover und seinem leichtgewichtigen, matten Papier ist es ausgesprochen handlich.
Dazu passt der schlicht-elegante Einband. Die Gestalterinnen – Ursina Landolt und Lea Pfister – haben auf die übliche Glanz-Farbfotografie zugunsten von hellgrauem Sichtleinen und einer blauen Titelgraphik verzichtet.
Bauerhalt ist nicht Musealisierung
Das Layout und die Bildregie sind pfiffig und frisch; die Schrift ist klein und kompakt, aber kraftvoll, die Bildregie spannend: Farbfotografien wechseln mit schwarzweissen, Bildstrecken mit Textabbildungen, historische Bilddokumente mit Bildessays der Fotografin Seraina Wirz, die den heutigen Zustand der besprochenen Bauten, Anlagen und Stadträume zeigen.
Veranstaltet man mit den Seiten zunächst einmal ein Daumenkino, indem man sie von hinten nach vorn vorbeirauschen lässt, ergibt sich der Eindruck intensiven städtischen Lebens, obwohl es vorwiegend historische Bauten und Anlagen sind, die auftauchen. Schon bei diesem Zeitraffer-Durchgang wird augenfällig, wie dümmlich die polemische Gleichsetzung von Bauerhalt mit Musealisierung und Mumifizierung ist: Das heimatschützerische und denkmalpflegerische Recyceln von bestehenden Bauten ist ebenso ein Neu-Gestalten wie die Kreierung von Ready Mades.
Auch eine Zeitreise durch Zürich
Blättert man das Buch in Lektürerichtung durch, stellt man fest, dass es aufs Flanieren angelegt ist, auf ein Flanieren, das, anders als das reale Stadtwandern, auch eine Zeitreise ist. Was dabei entsteht, ist ein träfes und anziehendes Porträt von Zürich – und dies obwohl oder gerade weil kein einziges bekanntes «Baudenkmal» und keine einzige Postkartenvedute vorkommt.
So locker das Ganze daherkommt: Es ist aufs sorgfältigste recherchiert und komponiert. Aus Hunderten von Objekten, mit denen sich der Stadtzürcher Heimatschutz im letzten halben Jahrhundert beschäftigt hat, sind ein paar Dutzend besonders aussagekräftige herausgegriffen, und diese wiederum sind nach Baugattungen gruppiert. Es sind keine klassische wie Kirchen und Rathäuser, sondern lebensnahe: Sozialer Wohnungsbau, Kulturbauten, grosse Industriekomplexe, Gast- und Gastronomiebauten und Grünräume. Solche Objekte sind es – das zeigen die Abbildungen überdeutlich –, die die Lebensqualität einer Stadt ausmachen.
Bauten weiterentwickeln statt abbrechen
Unter dem Diktat der Innenverdichtung wird allerdings weiterhin in grossem Umfang abgebrochen, vor allem an den Stadträndern und in der Agglomeration. Weiternutzung und -entwicklung wird, obwohl inzwischen auch aus ökologischer Warte empfohlen, beinahe nur bei geschützten oder inventarisierten Bauten praktiziert; Baumeisterhäuser und Objekte jüngeren Datums haben diesbezüglich ganz schlechte Karten.
Um so wichtiger ist die Arbeit des Heimatschutzes. Welch enorme Energie und welchen Durchhaltewillen es allerdings braucht, um einer Stadt zu ihrem Glück zu verhelfen, welche Fantasie nötig ist, um sinnvolle Umnutzungen zu finden, zeigen die Beiträge auf eindrücklichste Weise.
Andreas Hauser studierte Kunstgeschichte und Geschichte an der Universität Zürich, er promovierte mit der Dissertation über den Zürcher Architekten Ferdinand Stadler und war den grössten Teils seines Berufslebens Mitarbeiter am «Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850–1920», einem Lexikon für Architektur und Städtebau. Er veröffentlichte zahlreiche Studien und Publikationen u. a. über Gottfried Semper, über die Geschichte der Kunstgeschichte und die Kunsttopografie und über den Frührenaissancemaler Andrea Mantegna.