Der «Tages-Anzeiger» will Einblick in den Inhalt des Vertrags bekommen haben, den der fahnenflüchtig gewordene Staatssekretär Michael Ambühl mit den USA «ausgehandelt» haben soll. Ein Dokument des Grauens. Nachdem der Nationalrat, trotz gewaltigem Druck der Bankenlobby, die «Lex USA» ablehnte, soll sie nun durch etwas noch Schlimmeres ersetzt werden. Eigentlich unvorstellbar, dass eine verantwortungsvolle Regierung so etwas ernst meinen kann.
Teile und herrsche
Zunächst einmal werden die Schweizer Finanzhäuser in vier Kategorien aufgeteilt. Gruppe eins beinhaltet die zwölf Banken, unter ihnen Credit Suisse, Basler Kantonalbank und ZKB, die bereits in Rechtshändel mit den USA verwickelt sind. Sie sind von der neuen «Globallösung» ausgenommen. Kategorie zwei umfasst alle Banken, «die davon ausgehen müssen, dass ihnen die USA eine Verletzung von US-Recht vorwerfen, und die eine Busse bezahlen müssen». Kategorie drei sind alle Banken, «die nachweisen können», dass sie kein US-Recht verletzt haben. Und schliesslich Kategorie vier: Lokalbanken «gemäss FATCA-Abkommen». Falls der Leser verwirrt sein sollte: Doch, wir sprechen hier von Schweizer Banken in der Schweiz, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach an gültige Schweizer Gesetze gehalten haben.
Wir wiederholen die nötige Zwischenbemerkung: Es geht nicht darum, Finanzhäuser zu salvieren, die in den USA Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet haben. Aber es geht darum, dass sich Schweizer Banken zu Paaren treiben lassen und die Schweizer Regierung dazu Beihilfe leisten will, dass die USA möglichst grosse Beute machen.
Tribut nach Kolonialherrenart
Das «Abkommen» soll den Zeitraum vom 1. August 2008, also vor dem nicht mal in Kraft getretenen neuen Doppelbesteuerungsabkommen, das Beihilfe zu Steuerhinterziehung zu einem Amtshilfeakt macht, bis Dezember 2014 umfassen. Fein abgestuft sollen betroffene Banken, wohlgemerkt für das gleiche Vergehen, 20, 30 oder 50 Prozent Busse bezahlen, je nach dem Zeitpunkt der «Tat». Als Berechnungsgrundlage gilt dabei die Maximalsumme von «U.S. Related Accounts». Unabhängig vom steuerlichen Zustand dieser Gelder. Ausser, die büssende Bank weist nach, dass es sich, zumindest teilweise, um versteuertes oder nachversteuertes Geld handelt.
Aber damit nicht genug. Sollte Kunde Miller aus New York zwischen 2008 und heute seine Schweizer Bankverbindung gewechselt haben, zahlt jede kontenführende Bank eine Busse. Für einen Vorgang, die Entgegennahme von Geld nach Abklärung laut Bestimmungen der Geldwäschereigesetzgebung, der bis heute in der Schweiz legal ist. Da die betroffenen Banken auch die sogenannten Leaver-Listen aushändigen müssen, können das die Amis problemlos nachvollziehen und mehrfach abkassieren. Mehrere Bussen für das gleiche angebliche Vergehen, wir betreten auch hier rechtliches Neuland.
Keine Beweispflicht des Anklägers
Obwohl Staatssekretär Ambühl wiederholt behauptet, die Eidgenossenschaft sei keine Bananenrepublik, hat er einen Vertrag ausgehandelt, der sie genau so behandelt. Nicht nur wird US-Recht der Schweiz aufoktroyiert, alle Banken, die in Gruppe drei kommen wollen, müssen nachweisen, dass sie kein US-Recht verletzt haben. Denn Bananenrepubliken haben noch nie etwas von der Unschuldsvermutung und einer Beweispflicht des Anklägers gehört. Hier muss nun zum ersten Mal in der modernen Schweizer Rechtsgeschichte ein mutmasslich Verdächtiger seine Unschuld beweisen.
Das ist zudem mit gewaltigen Kosten verbunden, denn die USA-Behörden verstehen nicht nur keinen Spass, sondern auch nur Englisch, deshalb müssen alle Bankdokumente, mit denen der Beweis der Unschuld geführt werden soll, übersetzt und erklärt werden. Zudem wird die Vollständigkeit der «aggregierten Angaben zu geschlossenen Konten», auf Deutsch der Kundenverrat, durch einen «Independent Examiner» überprüft, der zufälligerweise US-Beamter ist. In den guten alten Zeiten nannte man das einen fremden Vogt.
Es bleibt der reinen Willkür der US-Behörden überlassen, ob eine Schweizer Bank es durch den Nachweis ihrer Unschuld schafft, in Kategorie drei zu kommen. Oder doch in Kategorie zwei umgetopft wird, eventuell sogar strafrechtlich belangt, womit sie in Kategorie eins gelandet wäre. Umso mehr Zugang sie den US-Behörden zu ihrem Allerheiligsten, internen Bankunterlagen, verschafft, umso grösser ihre Chance, zwar nackt und hässlich, aber ungeschoren davonzukommen.
Was soll die Übung?
Bussen in Milliardenhöhe, reine Willkür statt Recht, vollständiger Sieg des US-Rechtsimperialismus über die Schweizer Souveränität: Was die Amis von diesem Vertrag haben, ist klar. Zudem verrät der Finanzplatz Schweiz seine Kunden, seine Mitarbeiter, seine Prinzipien. Alle weiteren, und davon gibt es einige, nach dem Steuersubstrat ihrer Bürger gierenden Staaten werden diese winselnde Kapitulation der Schweiz vor den USA aufmerksam zur Kenntnis nehmen. Und mit noch mehr Nachdruck ihre eigenen Forderungen anmelden. Im Fall von Staatsbanken wie der Basler Kantonalbank oder der ZKB wird im Ernstfall wieder der Steuerzahler zur Kasse gebeten.
Gibt es in der Schweiz also nur Verlierer? Nein, alle Bankführer, alle Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats einer Bank, kommen so ungeschoren davon. Straffrei und ohne die geringste Verantwortung übernehmen zu müssen. Immerhin gibt es eine gute Nachricht: Die USA haben die Schweiz nicht beschuldigt, am Einsatz von Giftgas beteiligt zu sein. Wäre dies der Fall, würden wir hier demnächst bombardiert werden. Mit freundlicher Genehmigung der Landesregierung. Immerhin nur, wenn es der Schweizer Pharmaindustrie nicht vorher gelingen würde, ihre absolute Unschuld zu beweisen.