In Wirklichkeit hat die UNO unter Bans erster Amtszeit an Sichtbarkeit und Bedeutung verloren. Die Grossmächte entscheiden die wichtigen Fragen unter sich. Beispiele sind der Nahe Osten, Kosovo, Libyen und der Umgang mit dem Iran und Nordkorea. Dafür haben sie das Nahostquartett, die Sechserkonferenz über eine atomwaffenfreie koreanischen Halbinsel und Arbeitsgruppen ausserhalb der UNO geschaffen. Wenn ein Kompromiss steht, wird die UNO aufgefordert, ihn abzusegnen.
In der Begründung seines „natürlichen“ Anspruchs auf eine Wiederwahl schreibt Ban Ki-Moon in Briefen an den Sicherheitsrat und die Generalversammlung, er habe den Klimawandel und die Abrüstung der Atomwaffen auf die Spitze seiner Agenda gesetzt. Damit steht er auf der sicheren Seite. Niemand wird diese hehren Ziele ablehnen, aber durchschlagende Erfolge sind in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
Ban Ki-Moon beschreibt sich selber als „Harmoniestifter und Brückenbauer“. Damit kann er auf breite Unterstützung der Mächtigen zählen. Sogar einer der schärfsten Gegner der UNO, der frühere US-Botschafter John Bolton, freut sich über die unvermeidliche Wiederwahl Bans. „Ich denke, Ban hat den Hauptfehler seiner Vorgänger vermieden – sich nämlich für einen weltlichen Papst zu halten“, erklärte der neokonservative Hardliner, der unter George W. Bush die USA bei der UNO vertrat. Und mit einer Spitze gegen die UNO: „Wer fünf Jahre lang dieser Bürokratie widerstanden hat, kann sie auch weitere fünf Jahre ertragen.“
Ban Ki-Moon trat den „unmöglichsten Job der Welt“ (so der erste Generalsekretär Trygve Lie) am 1. Januar 2007 an. Er erzählte damals, dass er nur fünf Jahre an der Spitze der UN bleiben wolle. Nach Meinung von Insidern rechnete sich der vormalige Aussenminister Südkoreas Chancen aus, den höchsten UNO-Posten als Sprungbrett für die Präsidentschaft seines Landes zu benutzen. Der Verlauf der südkoreanischen Innenpolitik durchkreuzte aber Bans Ambitionen. So änderte er seine Karriereplanung.
Die Russen und die Chinesen sind dem Koreaner nicht besonders hold. Sie werfen ihm vor, in Streitfragen allzu schnell auf die westliche Haltung einzuschwenken. Doch sie sind pragmatisch. Ein anderer Kandidat für das Amt des UNO-Generalsekretärs, der aus einem kleineren asiatischen Land kommen sollte, hat sich bisher nicht gefunden. Ban hat es verstanden, die entscheidenden Staaten durch kleine Geschenke bei der Stange zu halten. Dabei kann es sich um Postenschacher handeln oder die stumme Duldung von Verletzungen der Menschenrechte etwa in China oder Sri Lanka.
Guter Netzwerker
Ban Ki-Moon besitzt nicht das Charisma seines Vorgängers Kofi Annan, ist aber ein besserer Netzwerker. Man muss sich die multilaterale Diplomatie als ein Karussell vorstellen, auf dem immer die gleichen Leute ihre Runden drehen. Einmal sitzen sie auf einem Pferd, dann in einem Feuerwehrauto. Ban wob seine Netze unter anderem als Botschafter bei der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien. 1999 wurde er Präsident der Verhandlungen zur Umsetzung des Verbots aller Atomwaffenversuche. Von dort ging Bans Weg steil aufwärts zum Aussenminister.
Privat ist Ban Ki-Moon ein äusserst freundlicher Mensch, wie auch der Schreiber dieser Zeilen bekunden kann. Auf der Chefetage des UNO-Hauptquartiers in New York umgibt er sich allerdings mit einer „eisernen Garde“ von südkoreanischen Vertrauten, die anderen Mitarbeitern den Zugang erschweren. Das hat zu Frust und Kündigungen hoher UNO-Beamter geführt, doch meistens ist Ban ohnehin auf Reisen. Er brüstet sich damit, jedes Jahr mehr Flugkilometer zurückzulegen als die Distanz von der Erde zum Mond beträgt. Wo immer die Politprominenz sich trifft, ist auch der UNO-Generalsekretär dabei. Von den Verhandlungen zwischen den Mächten bleibt er weitgehend ausgeschlossen, doch auf allen „Familienfotos“ lächelt er vom Rand her in die Kamera.
Der höchste Beamte der Vereinten Nationen wird vom Sicherheitsrat in geheimer Wahl erkoren: auf roten Zetteln für die fünf Vetomächte, auf blauen für die zehn übrigen Mitglieder. Wie eine Papstwahl kann das viele Durchgänge und mehrere Monate Zeit erfordern. Sobald ein Sieger fest steht, empfiehlt ihn der Sicherheitsrat der Generalversammlung zur Bestätigung. Diesmal geht es wohl nur um eine Formalität. Mit 67 Jahren wird der verheiratete dreifache Vater, der das gütige Dauerlächeln zu seinem Markenzeichen gemacht hat, zweifellos sein eigener Nachfolger werden.