Uno-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat seine bisherige Zurückhaltung aufgegeben und geisselt die „Indifferenz der Welt“ gegenüber den Opfern des Syrienkonflikts und den Zynismus jener Mächte, die die verschiedenen Kriegsparteien in Syrien bewaffnen und auf eine „militärische Lösung“ setzen. Vor der „Asian Society“ in New York schlug Ban am Wochenende einen Plan in sechs Punkten vor, um die Gewalt zu beenden und politische Gespräche anzustossen. Punkt eins ist ein internationales Waffenembargo.
"Wir müssen handeln"
„Ich stehe hier, um meinen Zorn über das vorherrschende kalte Kalkül auszudrücken, wonach im Syrienkonflikts nichts anderes getan werden kann, als alle Parteien zu bewaffnen und zu schauen, wer gewinnt“, erklärte der Uno-Generalsekretär. „Wir müssen handeln. Alle Werte, die wir verkörpern, und alle Gründe, warum die Vereinten Nationen existieren, stehen in den verwüsteten Landschaften Syriens auf dem Spiel.“
Die Zahl der Todesopfer überschreite wahrscheinlich bereits 150.000, meinte Ban. Die UNO hat ihre Zählungen im Juni vergangenen Jahres beim Stand von 100.000 eingestellt. Es sei „unmöglich, traurig und tragisch“, ständig die Toten zu zählen. Derzeitig kämen in Syrien mindestens 300 Menschen täglich um. Die Hälfte der 22 Millionen Einwohner wurde aus ihren Heimstätten vertrieben. Immer mehr Männer, Frauen und sogar Kinder seien in Gefängnissen und Lagern in Haft.
Kein Ende in Sicht
Ein Ende des Kriegs sei nicht in Sicht. „Die Differenzen innerhalb Syriens, in der weiteren Region und sogar in den Vereinten Nationen, gepaart mit andauerten Waffenlieferungen, heizen den Konflikt an“, stellt Ban Ki-Moon fest. Jetzt seien die Gewalt und die sektiererischen Spannungen auf den Irak übergeschwappt. Plötzlich würden der Zusammenhalt und die Integrität von nicht nur einem, sondern gleich von zwei grossen Ländern in Frage gestellt.
Der Konflikt habe einen fruchtbaren Boden für radikale bewaffnete Gruppen wie die Hizbullah, Jabhat al-Nusra und Isis geschaffen, sagte Ban. Ausländische Kämpfer seien in Syrien auf beiden Seiten im Einsatz. Ungeachtet der Differenzen hinsichtlich der Zukunft des Landes müsse die Welt zusammenstehen, um die Finanzierung solcher terroristischer Gruppen zu unterbinden.
Verletzung des Völkerrechts
Ban prangert die „Verantwortungslosigkeit“ der fremden Mächte an, die verschiedene Kriegsparteien in Syrien militärisch unterstützen, obwohl diese Gräueltaten begehen und das humanitäre Völkerrecht massiv verletzen. Er fordert den Weltsicherheitsrat auf, ein Waffenembargo durchzusetzen. Dieses soll sowohl für den Luftraum als auch für die Nachbarstaaten Syriens gelten, über deren Grenzen Waffen geschmuggelt werden.
„Ich anerkenne, dass ein Waffenembargo zum jetzigen Zeitpunkt die syrischen Regierungstruppen begünstigen würde“, sagte Ban. Aber der Bürgerkrieg könne nicht mit militärischen Mitteln gewonnen werden: „Die Eroberung von Terrain durch Bombenangriffe gegen dicht besiedelte Gebiete ist kein Sieg. Die Aushungerung belagerter Gemeinschaften bis zu ihrer Kapitulation ist kein Sieg.“
Ahndung der Kriegsverbrechen
Punkt zwei von Bans Plan ist die Fortsetzung der internationalen Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung. Derzeit liefert die UNO Hilfsgüter für vier Millionen Syrer. Aber sowohl das Regime in Damaskus wie einige Gruppen von Aufständischen behindern diese Hilfe. Ban fordert daher die Aufhebung aller Belagerungen und den Zugang der Hilfsorganisationen zu allen Bedürftigen.
Drittens verlangt der UNO-Generalsekretär ernsthafte Verhandlungen über die politische Zukunft Syriens. Die Genfer Syrienkonferenz wurde im Februar auf unbestimmte Zeit vertagt. Vermittler Lakhdar Brahimi trat zurück. Ban setzt jetzt auf die begonnenen Gespräche zwischen Iran und Saudi-Arabien. „Ich hoffe, dass diese Kontakte Vertrauen aufbauen und die zerstörerische Rivalität in Syrien, Irak, Libanon und anderswo umkehren“, erklärte er.
Ein weiteres Elemente in Ban Ki-Moons Syrien-Strategie ist die Ahndung der schweren Kriegsverbrechen durch den Internationalen Strafgerichtshof (ICC). „Das syrische Volk hat ein Grundrecht auf Justiz“, sagte der UNO-Generalsekretär, „und die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsländer haben die Pflicht, dieses Recht zu verteidigen.“ Bisher haben sich Russland und China einer Anklage des ICC gegen Baschar Al-Assad und andere Kriegsherren in Syrien mit dem Argument widersetzt, dass dies eine Verhandlungslösung völlig verunmöglichen würde. „Welche glaubhafte Alternativen haben jene zu bieten, die eine Aktion des Weltstrafgerichtshofs ablehnen?“ hält Ban dem entgegen.