Die Kämpfe im Wadi Barada sind am 30. Januar zu Ende gegangen. Die syrische Armee war bis nahe an die Quelle von Ain al-Fijeh vorgedrungen, aus welcher Damaskus sein meistes Trinkwasser bezieht.
Die Rebellen wurden vor die Wahl gestellt, entweder ihre Waffen abzuliefern und im Tal bleiben zu können – oder sich mit Bussen und ihren Waffen in die Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten des Landes verfrachten zu lassen. Sie wählten die zweite Möglichkeit. Die Transporte nach Idlib haben bereits begonnen.
Bombardierte Quellen
Damit geht die fünfjährige Herrschaft der Rebellen über das Tal zu Ende. Der Gouverneur der Provinz Damaskus erklärt, die Reparaturarbeiten an der Quelle hätten bereits begonnen. Er versprach, „bald“ werde in den Wasserleitungen nach Damaskus wieder Trinkwasser fliessen.
Die Regierung hatte behauptet, die Rebellen hätten die Quelle mit Dieselöl verunreinigt. Da der Gouverneur jetzt von „Reparaturarbeiten“ sprach, ist diese Behauptung der Regierung wenig glaubwürdig. Glaubwürdiger ist die Version der Rebellen, die erklärten, die Quellen seien von der Regierung bombardiert und beschädigt worden. Es gibt bereits Bilder von der zerstörten Quellfassung.
Eingekesselte Enklaven
Das Vorgehen der Regierung im Wadi Barada entspricht der seit Jahr und Tag erprobten Taktik der Regierungsarmee. Sie umzingelt, belagert und beschiesst die Enklaven, die von Rebellen beherrscht werden. So wird versucht, die Zivilbevölkerung einzukesseln und sie von Nahrung und Wasser abzuschneiden. Anschliessend werden den belagerten Rebellen Abzugspläne angeboten. Diese erlauben es ihnen, mit ihren persönlichen Waffen nach Idlib abzuziehen.
Dieses Vorgehen, vielfach erprobt, führt dazu, dass sich der Widerstand in der Provinz Idlib konzentriert, hat aber den Vorteil für das Regime, dass es weniger Truppen verliert.
Alawitisches Rückgrat der Armee
Die grösste Schwäche der Regierung von Damaskus besteht darin, dass sie über weniger verlässliche Truppen verfügt, als sie benötigte, um ganz Syrien flächendeckend zu beherrschen. Dieser Umstand geht darauf zurück, dass das Rückgrat der syrischen Streit- und Sicherheitskräfte durch Angehörige der alawitischen Minderheit gebildet ist.
Die Alawiten sind darauf angewiesen, dem Regime unter allen Bedingungen treu zu bleiben, weil sie wissen, wenn das Regime stürzt, verlieren auch sie ihre Machtposition und möglicherweise ihre Leben. Doch die Alawiten bilden nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung.
Bomben auf Idlib
Was Idlib angeht, so ist zu erwarten, dass es früher oder später zu einer Grossoffensive der syrischen Truppen auf diese Provinz kommen wird. In der Zwischenzeit wird das Gebiet weiter von der syrischen Luftwaffe, den Russen und gelegentlich auch von den Amerikanern bombardiert.
Die führende Widerstandsgruppe in Idlib ist die frühere Nusra-Front, die heute „Eroberungsfront“ heisst. Deshalb nehmen die USA an den Bombardierungen teil. Die Eroberungsfront war früher der Arm von al-Kaida in Syrien. Doch sie hat sich unter ihrem neuen Namen aus taktischen Gründen und pro forma, im Einvernehmen mit al-Kaida, von dieser getrennt. Die Bombardierungen finden statt trotz des ausgerufenen Waffenstillstands, der in anderen Teilen des Landes einigermassen hält, weil der „Islamische Staat“ (IS) und die Eroberungsfront von dem Waffenstillstand ausgenommen sind.
Gegenwärtig bestehen Spannungen zwischen einerseits den Rebellen der Eroberungsfront und andererseits den anderen Rebellenorganisationen in Idlib. Gelegentlich kommt es zu Zusammenstössen.
Keine Eile in Idlib
Zwei Fronten haben sich in Idlib gebildet:
- Auf der einen Seite die Eroberungsfront mit einigen kleineren Kampfgruppen, die sich ihr angeschlossen haben.
- Auf der anderen Seite die Koalition der „Freien Syriens“ mit ihren Verbündeten.
Durch die Bombardierung eines Teils der Rebellen wird die Spaltung des Widerstandes vertieft. Zudem fordern die Russen und Türken jene Rebellengruppen, die nicht zur Ex-Nusra-Front und zum „Islamischen Staat“ gehören, auf, mit dem Asad-Regime Verhandlungen aufzunehmen. Auch das trägt zu einer Spaltung des Widerstands bei.
Es liegt daher im Interesse von Damaskus, mit einer Bodenoffensive gegen Idlib zuzuwarten, weil sich der dortige Widerstand durch seine inneren Kämpfe selbst schwächt.