«Wenn Sie diese Wörter kennen, sind Sie alt», war vor einiger Zeit in der Tageszeitung «Die Welt» zu lesen. Der Schreibende fühlte sich zunächst betroffen von dieser Aussage, weil ihm die meisten der angeführten Wörter einigermassen bekannt vorkamen. Doch nach kurzem Nachdenken reagierte er mit entschiedenem Widerspruch gegen diese für alte und junge Leser gleichermassen diskriminierende Behauptung. Warum sollen sprachlich interessierte junge Leute nicht auch Wörter kennen, die zurzeit nicht mehr absolut in Mode sind?
Nehmen wir den Begriff «Backfisch», den der oben erwähnte «Welt»-Autor als überholte und deshalb obsolete Bezeichnung für Mädchen im Teenageralter anführt. Einverstanden, der Begriff ist nicht mehr zeitgemäss. Aber es schadet nichts, wenn man weiss, dass noch vor zwei, drei Generationen diese Bezeichnung gerade in der deutschen Jugendliteratur ziemlich geläufig war. Wer darüber Bescheid weiss, dem eröffnen sich auch heutzutage allerlei Möglichkeiten (etwa ironischer oder historischer Art) für den Einsatz des Backfisch-Terminus.
Und wer etwas tiefer nach der Backfisch-Geschichte forscht, der wird erfahren, dass schon der junge Goethe das Wort in seinem «Götz von Berlichingen» gebrauchte. Dort lässt er den bäuerlichen Bräutigam nach der glücklichen Zuerkennung einer jungen Braut ausrufen: «Und ich im Besitz des strittigen Stücks, und drüber den hübschten Backfisch im ganzen Dorf.»
Weiter wird im oben zitierten Artikel das Wort «Depesche» den sprachlichen Anachronismen zugordnet. Richtig ist, eine Depesche ist im ursprünglichen Sinne ein offizielles politisches Telegramm. Berühmt ist die «Emser Depesche», mit der Bismarck 1870 gezielt einen Krieg mit Frankreich vom Zaun riss. Doch mit dem Verschwinden des Telegramms ist der Begriff Depesche keineswegs definitiv aus dem deutschen Wortschatz gestrichen. So existiert in der Schweiz immer noch die «Schweizerische Depeschenagentur» (SDA), die die etablierten Medien mit wichtigen Nachrichten beliefert.
Andere Beispiele von älteren, aber deshalb keineswegs völlig ausrangierten oder gar aus dem literarischen Verkehr gezogenen deutschen Wörtern sind «Karzer» (für universitäre oder militärische Gefängnisse), «Wählscheibe» (beim früheren Telefon), «Tropfenfänger» (kleines Schwämmchen am Ausguss der Kafeekanne), «Kaiserwetter», «Groschen» usw.
Schliesslich ein Hinweis auf das heute von aller Welt im E-Mail-Verkehr verwendete Kürzel CC. Es handelt sich um den Begriff «Carbon Copy», die englische Bezeichnung für das gute alte Kohle- oder Durchschlagspapier, das jedem vertraut ist, der seine Texte noch mit einer mechanischen Schreibmaschine kreiert hat. Als Kürzel und dank der globalen Verbreitung der E-Mail-Kommunikation erfreut sich der Begriff «Carbon Copy» robuster Gesundheit. Sprachliche Anachronismen können mitunter zu neuem Leben aufblühen.