Wer vor einem US-Untersuchungsausschuss antanzen muss, bereitet sich minutiös vor. Heerscharen von Juristen und Kommunikationsspezialisten basteln sogenannte Wordings, Formulierungshilfen, für die Antworten auf alle denkbaren Fragen. Umso jämmerlicher ist das Verhalten der Spitzenmanager der Credit Suisse. Aber es folgt einem bekannten Muster.
Der Mitarbeiterverrat
Das erste Muster ist altbekannt. Einzelne Kundenberater, auf niedriger hierarchischer Stufe, hätten gegen Gesetze und auch gegen interne Richtlinien verstossen. Ohne Wissen ihrer direkten Vorgesetzten. Und vor allem ohne Wissen des damaligen Chief Legal Counsel und heutigen VR-Präsidenten Urs Rohner. Und natürlich wusste auch der heutige CEO Brady Dougan, der heutige General Counsel Cerutti sowie die Co-Chefs Private Banking Shafir und Meister von nichts.
Um diese Verteidigungslinie aufrecht zu halten, ist die CS ohne weiteres bereit, die Namen von Mitarbeitern, selbst von Assistenten im Backoffice, selbst wenn gegen diese keine Ermittlungen laufen, den US-Behörden bekannt zu geben, wie spätestens aus den auf über 800 Seiten veröffentlichten Dokumenten zum Senats-Hearing letzter Woche hervorgeht. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, der vielleicht auch für mögliches Fehlverhalten einfacher Angestellter Verantwortung übernehmen sollte? Aber doch nicht bei einer Bank.
Der Kundenverrat
Auch wenn ein bedeutender Kunde der Credit Suisse in den Ausschuss-Unterlagen als «Client 5» bezeichnet wird, ist er aus gelieferten Unterlagen der Bank einwandfrei identifizierbar, samt seiner Tochter. Wohlgemerkt wird ihnen von niemandem, nicht einmal den US-Behörden, irgendein Fehlverhalten vorgeworfen.
Aber ihr Recht auf Privatsphäre und ihre berechtigte Annahme, dass sie die Höhe ihres Vermögens, Transaktionen und andere Details bei einer Schweizer Bank nicht öffentlich zugänglich im Internet wiederfinden würden, wurde in die Tonne getreten. Denn für die Bankleitung ging es um Wichtigeres: um rette sich, wer kann. Kundenvertrauen auf Diskretion? Aber doch nicht bei einer Bank.
Das Controlling
Bei einer globalisierten Finanzwirtschaft und vor allem bei Geschäften mit den USA, die für ihre eher hemdsärmelige Auslegung von Gesetzen bekannt sind, ist die interne Überprüfung von Handlungen auf ihre Gesetzeskonformität das A und O. Sie macht nur Sinn, wenn der interne Auditor weiss, dass er seines Amtes unabhängig und unbeeinflusst walten kann.
Dass das Geschäft mit US-Kunden hohe Risiken birgt, fiel den internen Kontrollinstanzen der CS tatsächlich auf. Sie liessen es aber zu, dass die Ergebnisse ihrer Untersuchungen vom operativen Management geschönt und entschärft wurden. Dümmer noch: Damit wird gleichzeitig klar, dass die Verteidigungslinie der obersten Bosse, «wir haben von nichts gewusst», nicht haltbar ist.
Mitarbeiter und Kunden lässt man über die Klinge springen, um die zweitoberste Maxime des modernen Banking zu befolgen: Wenn es eng wird, schaue ich für mich. Umso höher meine Position, umso ausgeprägter ist mein Bedürfnis, alles zu unternehmen, um sie auch zu behalten. Übertroffen wird dieser Erhaltungstrieb nur noch von einem fundamentaleren.
Zahlenschiebereien
In der Vermögensverwaltung ist der Zufluss von Neugeld, auf Banglisch NNA abgekürzt, das wichtigste Kriterium für die leistungsabhängige Zusatzvergütung, schlicht Bonus. Gleichzeitig ist das auch ein bedeutender Massstab für den Zustand einer Bank. Sind neue Kunden bereit, ihr das eigene Vermögen anzuvertrauen oder ziehen bestehende es ab? Daran lässt sich messen, welches Vertrauen die Bank im Markt geniesst.
Der Laie könnte nun meinen, dass die Einbuchung von über 5 Milliarden Franken im Jahre 2012 beweist, dass die CS in diesem Jahr grandios dastand. Zumindest trompetete sie es entsprechend in die Öffentlichkeit. In Wirklichkeit verwandelte sich dieser Betrag nur von einem Aggregatszustand in einen anderen. Der der Öffentlichkeit preisgegebene Grosskunde hatte im Jahr zuvor seine Anteile an einer Firma verkauft, womit sie mit ein paar legalen buchhalterischen Handgriffen zu Neugeld wurden, obwohl die CS schon vorher dieses Vermögen aufbewahrte.
Nun ist die CS seit ihrem letzten Umbau in vier geografische Regionen aufgeteilt, die ihre Ergebnisse gesamthaft, aber auch pro Einheit ausweisen. Die Schweiz als Heimatmarkt ist eine dieser Regionen. Und die hätte im 3. Quartal 2012 einen Abfluss von minus 1,5 Milliarden Franken zu verzeichnen gehabt. Aber wozu gibt es kreative Buchhaltung.
Der Bonus als Mass aller Dinge
Also wurden 1,6 Milliarden Franken diese «Neugeldzuflusses» eines bedeutenden Kunden rückwirkend (!) von der Region «Amerikas» in die Region Schweiz verschoben. Damit wiesen Nord- und Südamerika immer noch ein positives Resultat von plus 0,2 Milliarden und die Schweiz, schwups, von plus 0,1 Milliarden aus. Ob das stubenrein war, wird gerade untersucht. Senator Levin kommentierte seine diesbezügliche Befragung mit dem abschliessenden Satz: «Ihr Jungs habt da wirklich ein Problem.»
Der für die Schweiz zuständige Co-Chef der Vermögensverwaltung, Hans-Ulrich Meister, konnte sich während der Befragung natürlich nicht erinnern, ob er von diesem Vorgang wusste oder gar darin involviert war. Aber diese Verschiebung hatte einen netten Nebeneffekt: auf den Bonus.