Das Bellevue in Zürich, 17.00 Uhr, Feierabend-Rummel. Trams und Menschen kreuzen sich. Im eingeglasten Steh-Café auf der grossen Traminsel drängen sich Leute. Es ist kalt geworden in diesen letzten November-Tagen. Draussen vor dem Café stehen Raucherinnen und Raucher an runden hohen Holztischen, eingepackt in dicke Mäntel. Man trifft sich nach Arbeitsschluss. Auf jedem Tisch liegt ein Aschenbecher. Am Eingang des Cafés steht ein Abfalleimer für Pappbecher und so.
Da erscheint eine ältere, gepflegte Frau in beigem Mantel und rotem Schal. Sie ist wohl bald 70, sehr schlank, eher gross und trägt eine Brille. Keiner bemerkt sie. Stumm geht sie zum ersten Stehtisch, nimmt den vollen Aschenbecher und entleert ihn im Abfalleimer. Dann stellt sie den Aschenbecher zurück und geht zum zweiten Tisch. Dort wiederholt sich der Vorgang.
Gehört die Frau zum Café? Sie sieht nicht so aus.
Auf dem fünften Tisch steht eine leere Kaffee-Tasse. Ein Raucher hat sie herausgebracht und nicht zurückgestellt. Die Frau nimmt die Tasse, geht ins Innere des Cafés, wartet an der Kasse und übergibt die Tasse der Kassiererin. Diese wirkt freudig überrascht.
Jetzt kommen Tisch fünf, sechs und sieben an die Reihe. Auf Tisch acht, dort, wo man sitzen kann, steht eine leere Cola-Dose. Sie nimmt das Blech, sucht auf der andern Seite des Cafés einen Abfalleimer und findet einen.
Ich spreche die Frau an: „Darf ich sie fragen, weshalb tun sie das alles?“ Sie blickt mich an, verzieht keine Miene, sagt kein Wort. Dann wendet sie sich ab und verschwindet in der Menge. Ich sehe sie noch, wie sie auf den Touch Screen eines Billetautomaten blickt, dann ist sie weg.
Irgendwie komme ich mir blöd vor und bereue meine Frage. Eigentlich seltsam, dass einem jemand auffällt, der Aschenbecher leert.
-co