Die Anlaufstelle Raubkunst beim Bundesamt für Kultur erbringt minimale Leistungen. Der Bundesrat erachtet dies als genügend. Das ist aufgrund eigener Erfahrungen und anhand eines konkreten Beispiels unstimmig. Der Sachverhalt nahm vor achtzig Jahren seinen Anfang und endet aktuell und vorläufig beim Kunstmuseum St. Gallen.
Schicksal eines Bildes
Die Nazis trieben den jüdischen Breslauer Unternehmer Max Silberberg in die Armut, was ihn ab 1935 zwang, seine grossartige Kunstsammlung, darunter auch Ferdinand Hodlers «Stockhornkette mit Thunersee», zu verkaufen, mutmasslich zu Schleuderpreisen. Silberberg kam 64-jährig im Ghetto Theresienstatt oder im KZ Auschwitz um.
In Unkenntnis dieser Umstände erwarben der damalige St. Galler Regierungsrat und Nationalrat Simon Frick und seine Frau Charlotte, beide inzwischen verstorben, 1985 bei Kornfeld in Bern den fraglichen und inzwischen millionenteuer gewordenen Hodler.
Die neuen Eigentümer legten schriftlich fest, es seien die «Stockhornkette» sowie weitere Werke von Hodler, Giovanni Giacometti, Cuno Amiet, Max Gubler und Félix Vallotton in eine Stiftung einzubringen und von dieser dem Kunstmuseum St. Gallen als Leihgaben zu überlassen.
Wolken über dem Stockhorn
Die Erben des Ehepaars Frick errichteten Ende 2014 die geplante Stiftung, deren Zweckartikel bestimmt, die genannten Gemälde seien «leihweise und unentgeltlich der Stiftung St. Galler Museen zu Handen des Kunstmuseums für die allgemeine Besichtigung auf unbeschränkte Dauer zur Verfügung zu stellen". Präzisierend hält die Urkunde fest, die Leihgaben müssten stets öffentlich zugänglich sein.
Was als generös und mühelos erscheint, erweist sich als vertracktes Problem. Solange über Hodlers "Stockhornkette mit Thunersee" dunkle juristische Wolken hängen, kann der Stiftungszweck nicht erfüllt werden.
Die Schwiegertochter Max Silberbergs, die in England lebende und 2013 verstorbene Gerta Silberberg, wandte sich 2001 vergeblich mit der Bitte an Simon Frick, die vermögensrechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit der «Stockhornkette» zu klären. Dazu kam es nicht.
Engstirnig und unhöflich
Etwas Licht bzw. Bewegung in die Sache könnte die Antwort auf die Fragen bringen, wie der Hodler den Weg zu Kornfeld fand. Wir wandten uns an die Anlaufstelle Raubkunst und erhielten nach bürokratisch ausgesessenen vier Wochen den nutzlosen Bescheid, weil "es sich bei Ihrer Anfrage nicht um ein Kunstwerk im Besitz des Bundes handelt, empfehlen wir Ihnen, sich direkt an die zuständige private Stiftung zu wenden."
Wir doppelten nach und baten die Anlaufstelle, ihre Kompetenzen nicht eng den Buchstaben entlang auszulegen, sondern angesichts der wichtigen und verwickelten Situation kooperativ ihre guten vermittelnden Dienste anzubieten. Auf eine Reaktion warten wir seit zwei Monaten vergeblich. Die Anlaufstelle liess uns auflaufen und kombinierte ihre Engstirnigkeit mit der Unhöflichkeit.
Persilschein dank Selbstkontrolle
Darüber wunderte sich mit uns auch Nationalrat Maximilian Reimann. Er erkundigte sich in der parlamentarischen Fragestunde, ob der Bundesrat nicht mehr willens sei, "seine ehemals vorbildlich guten Dienste in Sachen Raubkunst weiterhin zweckmässig einzusetzen?"
Nein, liess die Landesregierung verlauten: "Die Anlaufstelle hat keine weitergehenden Kompetenzen. Sie ist im vorliegenden Fall somit ihrem Auftrag nachgekommen." Kein Wort zur trödlerischen Arbeitsweise des eidgenössischen Raubkunstfunktionärs, keine Silbe zur Unmanierlichkeit, als lästig empfundene Post wenn nicht zu entsorgen, dann doch vom zweifellos bedrohlich überladenen Schreibtisch zu entfernen.
So kommt es, wenn Fragen aus dem Nationalrat direkt von den Betroffenen in der Verwaltung erledigt und von keinem Vorgesetzten mit wenigstens einem kritischen Auge kontrolliert werden.
Die bittere Bestätigung: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen bescherte der Kunstgeschichte unrühmliche Kapitel. Eines führt von Breslau nach St. Gallen.