Der bisherige Gouverneur von Jakarta, der chinesischstämmige Protestant Ahok, hat am vergangenen Donnerstag die Stichwahl gegen den ehemaligen Herausforderer Anies Baswedan überraschend klar verloren. Dieser ist malayischer Muslim, wie rund 90 % aller Indonesier. Wie hier vor kurzem angezeigt, lässt das Resultat aufhorchen, da Ahok als ebenso populärer wie effektiver Bürgermeister des Grossstadtmolochs Jakarta galt.
Ahok hatte 2014 die Nachfolge von Jokowi angetreten, welcher auf der Basis seines Leistungsausweises in Jakarta damals zum Präsidenten Indonesiens gewählt worden war. Spekulationen zufolge erwog der Muslim Jokowi seine 2019 anstehende Wiederwahl mit Ahok als Vizepräsidenten zu bestreiten. Damit hätte das grösste Inselreich der Welt mit über 250 Millionen Einwohnern ein erstes Mal ein aus der Provinz stammendes, gemischt religiöses Führungsduo erhalten. Ein Team, das nicht aus den traditionellen, zivilen und militärischen Führungsschichten hervorgegangen wäre, sondern eine Mehrheit der Indonesier mit Leistung überzeugt hätte.
Alarmierte Islamisten
Diese Aussicht alarmierte offensichtlich sowohl die traditionell die Macht verwaltenden Familien als auch unter wahabistischem Einfluss stehende, also mit saudischem Geld finanzierte, salafistische Bruderschaften. (Schwestern zählen in muslimisch geprägten Länder politisch kaum.) Sie erklärten Religion zum Hauptthema der Wahl.
Insbesondere die „Islamic Defenders Front“ FPI, welche keine Nichtmuslime in hohen politischen Ämtern will, startete eine Grossinitiative gegen Ahok. Mit dem schwammigen Vorwurf der „Koranbeleidigung“ gelang es der FPI, Ende 2016 Abertausende gegen den „Ungläubigen“ Ahok auf die Strassen Jakartas zu bringen.
Die Familienklans portierten in der ersten Wahlrunde den Sohn des vormaligen Staatspräsidenten und Vorgängers von Jokowi, Ex-General Yudhoyono. Dieser scheiterte eher kläglich; in der Stichwahl rührten dann seine Hintermänner keinen Finger für Ahok. Wie im benachbarten Malaysia scheinen bisherige Politiker bereit, zum Machterhalt auch den gefährlichen Pakt mit rabiatem Islamismus in Kauf zu nehmen.
Desavouierte Traditionalisten
Traditionell wird in Indonesien ein moderater Islam gelebt und bislang auch gelehrt. Zwei hergebrachte religiöse Massenorganisationen – die „Nahdlatul Ulama“ und die „Muhammadiyah“ – dienen als politische Auffangbecken und Wegweiser der Gläubigen; sie propagieren traditionell einen indonesischem Brauch und malayischem Wesen angepassten und damit auch gegenüber anderen Religionen toleranten Islam. Die grösste religiöse Minderheit in Indonesien sind ja die traditionell hinduistischen Balinesen.
Im Religionskrieg gegen Ahok blieben die beiden religiösen Pfeiler eines des bislang offiziell laizistischen Staates aber stumm. Sollte dieser nach der Wahl auch den von der FPI gegen ihn angestrengten Strafprozess verlieren, werden sie weiter an Gesicht, und damit Einfluss, verlieren.
Kein Bier mehr auf Bali?
Mittelfristig sind dies keine guten Aussichten. Die indonesischen Salafisten machten, und machen, kein Hehl daraus, dass sie die strikte Anwendung der Scharia für das ganze Land befürworten. Dies nicht nur im sozialen Bereich, also etwa beim Familienrecht, sondern auch im Alltag. Kein Schweinefleisch, kein Alkohol, klassisches Blut-Strafrecht, wie dies die wahabistischen Golfaraber praktizieren.
Geopolitischer Hintergrund
Geopolitischer Hintergrund sind die gegenwärtigen strategischen Entwicklungen im Grossraum Asien-Pazifik. Die USA ziehen sich zurück, wie das Trump im Januar mit dem Widerruf der noch von Obama stammenden Unterschrift des Freihandelsvertrages TPP (Trans Pacific Partnership) demonstriert hat. Indonesien war diesem, im Gegensatz zu Malaysia, zwar noch nicht beigetreten. Wäre er in Kraft getreten, hätte sich aber Jakarta dem Sog eines solchen Vertrages, welcher erfahrungsgemäss industrielle Fertigung in Schwellenländer fördert, kaum entziehen können.
So wie sich China in Reaktion auf verminderten amerikanischen Einfluss beschleunigt als Führungsmacht in Asien-Pazifik etablieren will, so markieren auch andere Interessenten ihren Anspruch. Die kürzlichen ausgedehnten Reisen des saudischen Königs – der sich als Hüter der heiligen Stätten offiziell nur selten von Mekka und Medina entfernt – in Malaysia und Indonesien dienten kaum nur dem Seelenheil der grossmehrheitlich sunnitischen Glaubensbrüder in Asien. Primär geht es den Saudis um die asiatische Verankerung ihres Führungsanspruches in der muslimischen Welt, auch und vor allem gegen die von Iran angeführten schiitischen Apostaten.