Am liebsten hätte der neue Mann im Weissen Haus schon den Jungfernflug des neuen Astronauten-Transporters Ares-I verhindert, weil seine Berater wussten, dass sie nach dem Start nie mehr behaupten konnten, die Rakete würde an technischen Problemen scheitern.
Dies erwies sich beim erfolgreichen Testflug am 28. Oktober 2009 ohnehin als falsch. Auch der Probe-Abschuss des Fluchtturmes der neuen Orion-Mannschaftskapsel am 6. Mai 2010 gelang hundertprozentig. Man hatte sich über die neuen Direktiven hinweggesetzt, das normale Gesetz befolgt und den Test trotzdem durchgeführt.
Flüge zu Aestroiden und dem Mars
Zu den vielen offenen Fragen zur Kursänderung im bemannten US-Weltraumprogramm kam noch eine weitere. Wie würden die abgespeckten kommerziellen Passagierkapseln für Orbitaltransporte («Dragon» von SpaceX) von ihren Missionen «fern von der Erde» zurückkehren?
Obama und sein designierter NASA-Chef Bolden hatten bei ihren Rechtfertigungen der radikalen Zäsur weg von Mondflügen schliesslich versprochen, «beim Mond sei man ja schon gewesen» (als ob dies bedeuten würde, dass man die Präsenz unseres Erdtrabanten dann nie mehr nutzen müsste!) und jetzt stünden Flüge zu Asteroiden, dem Mars und Servicemissionen zu neuen Teleskopen in den Erde-Sonne-Librationspunkten vor der Tür!
Von allen diesen Destinationen kommt man aber mit Fluchtgeschwindigkeit oder mehr zurück, und somit muss mindestens die doppelte Bewegungsenergie thermisch vernichtet werden. Dies erfordert viel leistungsfähigere Hitzeschilde und Techniken (wie z.B. «Skip Reentry»), mit denen bisher nur die NASA Erfahrungen hat, ganz im Gegensatz zu den in jüngster Zeit aus politischen Gründen ins Spiel gebrachten «kommerziellen Kapselbauern». Die in Entwicklung befindlichen Orion-Sechsmannkapseln waren hingegen von Anfang an für solche Aufgaben geplant.
Armstrong gegen Obama
Breite Skepsis äusserten auch der erste und der letzte Mondbesucher im Rahmen des Apollo-Programmes, Armstrong und Cernan. In ungewöhnlich deutlichen Worten lieferten sie logische Beweise für die Falschheit der Argumentationen zugunsten von Obamas Rückzieher, als sie am 12. Mai vor dem Handelskommitee des US-Senates aussagten.
Der überstürzt eingeschlagene Weg sei der direkte, um die Führung der USA auf dem Gebiet der Raumfahrt möglichst rasch aufzugeben. Bei Norman A. Augustine, von dessen «objektivem Expertenteam» die diversen Vorschläge zur Revolutionierung der NASA gekommen waren, herrschte dagegen praktisch Funkstille. Er liess nur ein einziges Mal lapidar verlauten, das Obama-Programm entspreche einem seiner fünf Vorschläge. Genau dem wurde aber von den Kritikern des Debakels deutlich widersprochen, denn nirgends war die Rede davon gewesen, ausser leerer Rhetorik gar nichts zu machen.
Gestiegenes NASA-Budget mit peinlichen Zusatzkosten
Die Obama-Administration hat zwar noch einige Zeit lang versucht, die breite Opposition gegen Obamas «Sparpläne» mit einer Art «Blitzkrieg» zum verstummen zu bringen. Dies scheiterte aber bald an technisch unmöglichen Behauptungen. Selbst, wer nicht allen technischen Argumenten folgen konnte, merkte bald, dass das gestiegene NASA-Budget mit peinlichen Zusatzposten alles andere als Einsparungen bringen würde. Die Liquidierung des Programmes (nach der Vernichtung von 9 Mia. $ bereits getätigten Entwicklungskosten!) erfordert allein 2 Mia. «termination costs».
Dazu kommen neue Ausgaben für die Transporte amerikanischer Astronauten in russischen Kapseln. Immer mehr Experten konnten darlegen, dass die private Übernahme aller bemannten Orbitalflüge nur 4-5 Jahre nach der Einstellung aller Shuttle-Flüge absolut nicht realistisch war. Es würde mindestens ein Jahrzehnt dauern, und nach allen Erfahrungen mit einem katastrophalen «Bailout» überforderter und während Jahren ohne Einnahmen dastehender Privatfirmen enden. Dies für Kosten, die um ein Vielfaches höher wären, als wenn man die Pläne der NASA mit lauter bewährten Komponenten in wenigen Jahren weitergeführt hätte.
Schon bevor es so weit war, dass verdiente Ingenieure bei NASA und ihren bisherigen Lieferfirmen im Rahmen von Obamas «Job-Beschaffungsprogramm» auf der Strasse standen, war das Kontingent der Anwälte, die das angerichtete Fiasko bewirtschaften mussten, massiv gestiegen! Ausgerechnet die Unkundigsten, welche die Fehlplanung in die Taschen neuer Nutzniesser des NASA-Budgets für den Präsidenten orchestriert hatten, würden nun wieder einmal am meisten profitieren.
Appetit auf noch grössere Teleskope
Das Militär hatte schon früher beklagt, man sei vor den Direktiven aus dem Weissen Haus überhaupt nicht befragt worden, und nun würden sich auch ihre Programme verteuern. Jetzt müssten nämlich die bisherigen Raketen weiter gebaut werden, statt von den dank der NASA vereinheitlichten Triebwerkstypen profitieren zu können. Die erwarteten Verbilligungen dank grösseren Stückzahlen für das Constellation-Programm würden nun auch nicht eintreten. Verteuerungen also infolge der «Privatisierung», sowohl bei den zivilen als auch den militärischen Programmen.
Eine kleinere Version der künftig unbemannt zu startenden Mondrakete Ares 5 wurde von den Erben des NASA-Programmes eiligst nachgereicht, kaum hatte das einflussreiche Wissenschafts-Establishment das Fehlen einer Grossrakete zum Start ihrer künftigen Weltraum-Observatorien festgestellt. Der Appetit auf noch grössere Teleskope als den Hubble-Nachfolger wäre nämlich jetzt schon vorhanden, aber solche müssen an einem Stück lanciert werden.
Nach der Ausserbetriebnahme des Shuttle blieb nur noch die Ares 5 als Hoffnung, denn sowohl die Atlas 5 als auch die Delta 4 wären selbst in ihrer obersten Ausbaustufe für das übernächste Weltraumteleskop zu klein. Skepsis an privater Initiative also von zwei Seiten auch innerhalb der wissenschaftlichen US-Raumforschung. Einerseits fehlt Investoren grundsätzlich das Interesse an der «brotlosen» Astronomie, und zweitens hat sich auch in anderen Ländern gezeigt, dass ausserirdische Projekte für rein kommerzielle Denkweisen eine Schuhnummer zu gross sind.
Noch ist das Jahr 2010 nicht zu Ende, und die Kongresswahlen im Herbst sind in Washington noch nicht abgehalten. Vieles kann und wird sich bis dahin noch verändern, aber die Chancen, das NASA-Programm bei gleichem Budget in die Bedeutungslosigkeit zu führen, hat sich für die neue US-Administration in den letzten Monaten massiv verschlechtert.
NASA-Chef Bolden ist praktisch nicht mehr zu hören, nachdem er sich bei seinen Chef-Managern und –Ingenieuren jede Glaubwürdigkeit verspielt hat. Offenbar hat er auch seinem Boss die Illusion bereits ausgetrieben, Fachleute liessen sich weiterhin über den Tisch ziehen.
Beobachter stellen nämlich fest, dass die Arbeiten in den NASA-Zentren weitergehen und die NASA-Homepage zwar aktualisiert wird, aber ohne irgendwelche Hinweise zu geben, dass da eine grosse Kehrtwende im Gange sei. Aus der Politik kommen gleichzeitig diametral verschiedene Signale, je nachdem, ob sie aus dem offiziellen Washington, den Exponenten des Wissenschaft-Establishments, dem Astronautencorps, den ersten realen Opfern der Fehlentscheide oder den mittleren Rängen der NASA kommen.
Obama - nichts gelernt
So etwas hat es in den 52 Jahren seit dem Bestehen der NASA noch nie gegeben. Falsche Weichenstellungen gab es im Rückblick zwar schon vor der Gründung der US-Weltraumbehörde, als man dem Weltraumpionier Werner von Braun 1956 verbot, mit einer für die Navy entwickelten Rakete den ersten Satelliten zu starten. Dies öffnete Russland ein Jahr später den Weg zum Triumph mit Sputnik 1. Der zweite Fehlentscheid brauchte bis zur Stunde der Wahrheit viel länger, nachdem Richard Nixon ab der siebten Mondlandemission Apollo 17 alle weiteren Flüge streichen liess und «wiedererwendbare Raumtransporter» zusammen mit der «Kommerzialisierung» als Schlüssel zur Verbilligung deklarierte.
Damals, 1972, überzeugte das Argument noch viele Sachkundige, denn eine Wegwerfrakete kostet rund tausendmal mehr als ihr Treibstoff, und warum sollte es anders sein wie bei den Flugzeugen mit einem ähnlichen Verhältnis? Spätestens nach dem Challenger-Unfall 1986 dämmerte es dann, dass die fatale Wiederverwendbarkeit zu einem Musterbeispiel für «Sparer leben gefährlich» geworden war.
Obama und seine nicht uneigennützigen Berater haben aus den damaligen schlechten Erfahrungen mit «Sparen um jeden Preis» ganz offensichtlich nichts gelernt. Im Moment darf man hoffen, dass seine Pläne nicht zum dritten Beispiel seit 1956 für eine fatale und erneut von technisch Unkundigen veranlasste Abzweigung in eine Sackgasse für das US-Weltraumprogramm wird.
Es wäre sonst einzig Trost für die 500 Millionen Europäer, die dann nicht mehr nach einer Erklärung suchen müssten, warum sie selber im letzten halben Jahrhundert nur einen kleinen Bruchteil der Leistungen vorweisen können, welche die 300 Millionen Bürger der Schmelztiegelnation USA zwischen Merkur und Neptun vollbracht haben.