Im Juni verwandelt sich die internationale Museumsstadt Basel jeweils in eine eigentliche Weltstadt der Kunst. Die Art Basel ist in wenigen Jahren zur bedeutendsten, prestigeträchtigsten Kunstmesse der Welt geworden. Ein Muss für jeden Kunstfreund, für jeden Museumsdirektor, für jeden Galeristen und jeden Kunsthändler und Sammler. Über 65 000 waren Mitte Juni aus aller Welt angereist. Am Flughafen Basel-Mulhouse herrscht jeweils Hochbetrieb und die Abfertigung und Parkierung der vielen Privatjets sorgt beim Personal für stressige Momente. In den Basler Messehallen herrschte Hochbetrieb. Etwa 300 Aussteller (1000 hatten sich um eine Teilnahme beworben), Galerien aus 36 Ländern, von sechs Kontinenten, eine von einer Jury getroffenen Auswahl der einflussreichsten und innovativsten Anbieter aus der ganzen Welt, zeigten Werke von über 2500 Künstlerinnen und Künstlern. Kunst von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwart. Ein gigantischer Marktplatz. Und an gewissen Ständen war es oft nicht leicht ob der vielen Leute überhaupt ein Bild zu sehen zu bekommen. Art Basel 43 gehört nun der Vergangenheit an. Sie war ein Erfolg. Sie konnte ihre Leader-Funktion im weltweiten Kunsthandel erneut unter Beweis stellen. Nicht weniger erfolgreich war die zeitgleich stattfindende Auktion Kornfeld in Bern.
Der Kunstmarkt blüht also. Es wurden Millionen umgesetzt, in Basel wie in Bern. Die Messe hatte kaum ihre Tore geöffnet (die ersten zwei Tage vor der offiziellen Eröffnung waren Presseleuten und Vorzugskunden aus aller Welt reserviert) wurden die ersten Werke verkauft. Zu Rekordpreisen: ein Marlon-Brando-Siebdruck von Andy Warhol beispielweise für 30 Mio. Franken und ein Gemälde von Gerhard Richter für 25 Mio. Franken. Ein seltenes Werk von Mark Rothko, aus dem Jahr 1954, soll für 78 Mio. Franken verkauft worden sein.
Kornfeld leistet Starthilfe
Ruhiger ging es an der traditionsgemäss parallel zur Art Basel stattfindenden Veranstaltung in der Galerie Kornfeld in Bern zu und her. Bern ist im Vergleich zu Basel zwar keine Kunstmetropole. Kornfeld hingegen ist in der Welt der Kunst jedoch ebenso ein Begriff wie die Art Basel. Es ist dies kein Zufall, sind doch die beiden Institutionen eng miteinander verbunden. Eberhard W. Kornfeld, der joviale, bald 90jährige und sehr vitale Grand-Seigneur des schweizerischen und internationalen Kunsthandels, gehört zu den Mitbegründern der Art Basel (zusammen u.a. mit dem ebenso bekannten und inzwischen verstorbenen Kunsthändler, Sammler und Museumsgründer Ernst Beyeler). Und noch mehr, Kornfeld und somit Bern leisteten der Art Basel vor 43 Jahren eine Art Starthilfe. Eberhard W. Kornfeld hat in einem Interview im Magazin des Sonntags Blick erst vor zwei Wochen eine kleine Anekdote dazu preisgegeben: „Ich bin Gründungsmitglied der Art, und bei der zweiten Gründungsversammlung hat mich die Galeristin Trudi Bruckner gefragt: „Sag mal Ebi, bist du damit einverstanden, wenn wir die Art bei dir anhängen? Dann sind doch die Leute sowieso schon da“. Und „Ebi“, wie ihn Freunde liebenswürdig nennen, war einverstanden. Dem schon vor über 40 Jahren international renommierte Berner Kunst- und Auktionshaus Kornfeld wurde also die Art „angehängt“ und Basel konnte so von Bern profitieren. Damals sei „halb Amerika per Charterflug aus New York zu ihm nach Bern gekommen“, weiss Kornfeld weiter zu berichten. Heute sei aber alles umgekehrt. Und Kornfeld zeigt sich eher kritisch der Art Basel gegenüber. Er bezeichnet sie als „die teuerste Kunsteinkaufsmeile der Welt“. Doch auch er besucht die Messe. “Nach zwei Stunden bin ich von all den Eindrücken völlig erschlagen“, gab er dem Magazin-Reporter zu Protokoll. Und er entdecke auch immer wieder gute Arbeiten.
«Crème de la crème» pilgert nach Bern
Art Basel und Kornfeld Bern sind heute so etwas wie unzertrennliche Verwandte. Die beiden gehören, wenn auch ohne offiziell festgehaltene Bindung, zusammen. Dimensionen und Abhängigkeitsgrade haben sich im Laufe der Jahre sicher verschoben und verändert. Kornfeld ist heute eher an der Art angehängt als umgekehrt. Art Basel-Besucher pilgern Jahr für Jahr von der Rheinstadt an die Aare. Es sind etwa 300 Kunstkenner, Sammler und Freunde des Hauses aus aller Welt. Die „Crème de la crème“ sozusagen. Die Auktion Kornfeld ist international bekannt und renommiert und zählt zu den bedeutendsten in Europa. Seit Jahrzehnten ist sie ein Begriff für höchste Qualität, für Professionalität und Seriosität. Kornfeld Stammkunden kommen vielfach auch zuerst nach Bern und pilgern nachher an die Art Basel.
Die Berner Galerie ist führend in den Bereichen der Klassischen Moderne sowie Graphik und Handzeichnungen alter Meister. In den vier kiloschweren Auktionskatalogen wurde auch dieses Jahr erstklassige Kunst angeboten. Zwei Bände sind der Modernen Kunst (19. bis 21. Jahrhundert) gewidmet. Darin werden erstklassige Meisterwerke aufgeführt, darunter solche von Cuno Amiet, Marc Chagall, von Vater Giovanni und Sohn Alberto Giacometti, Kandinsky, Kirchner, Münch, Salvador Dali u.a.m. Ein Katalog beinhaltet eine Reihe kostbarer Werke der „Graphik alter Meister“, eine schöne Auswahl von Kupferstichen, Radierungen und Holzschnitten von deutschen, niederländischen und italienischen Meistern, und der vierte ist der „expressionistischen Graphik vorbehalten“. Hier wurden Teile einer Privatsammlung angeboten,
Die Auktion fand während zweier Tage statt (die beiden ersten Tage der Art Basel). Der Umsatz ist gegenüber den Vorjahren zwar rückläufig und wird bei Kornfeld mit ca. 30 Mio. Franken angegeben. Spitzenwerte erzielten beispielweise mit 2,4 Mio. Fr. eine Skulptur aus dem Jahr 1965 von Alberto Giacometti (seinen Bruder Diego darstellend), 2,3 Mio. Fr. für die 100 Graphikblätter umfassende „Suite Vollard“ von Pablo Picasso und 1,5 Mio. Fr. für ein Ölbild von Emil Nolde aus dem Jahr 1908. Sehr umworben waren Arbeiten von Cuno Amiet, Marc Chagall und Ferdinand Hodler. Ein Chagall, „Le peintre et la tête d’animal rouge“, wurde für 780 000 Fr. zugeschlagen, mehr als das Doppelte der Schätzung. Die Schätzwerte wurden vielfach übertroffen, wie es bei Kornfeld heisst. Mit dem Auktionsgeschäft ist man bei Kornfeld jedenfalls „sehr zufrieden“, von Krise sei nichts verspürt worden, versicherte ein Sprecher der Berner Galerie.
Von Stuttgart nach Bern
Die Galerie hat eine bewegte und reiche Vergangenheit. Den Ausgangspunkt bildete die Kunsthandlung, die Heinrich Georg Gutekunst 1884 in Stuttgart eröffnete. Sohn Richard Gutekunst kam1919 nach Bern und führte zusammen mit Dr. August Klipstein das Berner Geschäft unter dem Namen Gutekunst & Klipstein. Im Jahre 1945 trat ein junger Basler namens Eberhard W. Kornfeld als Volontär in die Firma ein. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und der Absolvierung der Offiziersschule in Bern begann für den jungen Kornfeld eine neue Laufbahn. Sehr rasch erwies er sich als ein höchst talentierter und raffinierter Kunstkenner und Kunsthändler und wurde zum Teilhaber. Die Galerie hiess Kornfeld & Klipstein. Nach dem überraschenden Tod von Klipstein im Jahr 1951 übernahm Kornfeld das Geschäft, das nun unter dem Namen Galerie Kornfeld rasch international Ansehen genoss. Die Tradition des Hauses wurde nahtlos weitergeführt und gepflegt. Sechs Generationen haben das Haus lückenlos geleitet und es, jede auf ihre Art, nachhaltig geprägt. Seit Anfang dieses Jahres hat die Galerie neu die Rechtsform einer Aktiengesellschaft (vorher eine Kommanditgesellschaft). Neben Eberhard W. Kornfeld zeichnen Christine E. Stauffer (seit Jahren mitbeteiligt) und Jürg Kunz.
Zentrum für Kunst
Eberhard W. Kornfeld, eine aussergewöhnliche, faszinierende Persönlichkeit, mit grosser Ausstrahlung und einem ungewöhnlichen Fachwissen und mit seltener Kompetenz, führte die Galerie in neue Dimensionen. An der Laupenstrasse in Bern wurde eine vornehme, große Villa erworben. Das 1981 bezogene Haus ist in Etappen gründlich renoviert worden.
Es stehen heute ideale Räumlichkeiten mit entsprechenden Präsentationsmöglichkeiten für Kunstwerke zur Verfügung, ebenso modern konzipierte Bearbeitungszimmer. Die Liegenschaft wurde zudem durch einen lichtdurchfluteten, zeitgemässen Anbau erweitert, in dem u.a. jeweils die vielbeachteten Auktionssausstellungen stattfinden. Der Raum wird anschliessend in einen Auktionssaal mit 300 Sitzplätzen umfunktioniert. Eine große Glasfront gibt den Blick in den wunderbaren, parkähnlichen, in der Mitte des 19.Jahrhundert angelegten Garten frei. Eine angenehmere Atmosphäre für eine Kunstauktion kann man sich kaum vorstellen. Ruhe, Diskretion und typisch bernische Bescheidenheit prägen Haus und Räume und lassen einem bei einem Besuch und Rundgang den Geist der Einmaligkeit des Ortes wahrnehmen. Ein wahres Zentrum für Kunst war entstanden. Neben Auktionen und An- und Verkäufen ist das Haus Kornfeld auch führend und international anerkannt für Expertisen und Schätzungen, die Beurteilung, Bewertung und Betreuung von Sammlungen usw. Die Galerie besitzt ferner eine große Bibliothek und nimmt im Verlagswesen eine Sonderstellung ein, dank der Herausgabe von hochwertigen, originellen Kunstbüchern vor allem von Werkkatalogen und Verzeichnissen grosser Meister.
Der berner Galerist hat auch eine eigene große, breitangelegte Kunstsammlung aufgebaut. Er ist und war mit den berühmtesten Künstlern persönlich befreundet. Bei Ausstellungen in grossen Museen stosst der Besucher immer wieder auf Werke von Francis Bacon, Paul Klee, Kirchner u.a.m und bei der Titelangabe auf den diskreten Hinweis: „Leihgabe: E.W.K“. Drei Buchstaben, die zum Markenzeichen der Galerie und des Galeristen wurde. Kornfeld unterhält übrigens enge und aktive Beziehungen zu den Museen. Die Kunstmuseen in Basel und Bern verdanken ihm viel. Er war auch wesentlich und massgebend am Aufbau des Kirchner-Museums in Davos beteiligt. Ein Teil von Kornfelds Sammlung wird nächstes Jahr in der Fondation Gianadda in Martigny/VS zu sehen sein.
Rembrand, Klee und Basler Fasnacht
Kornfelds große Spezialität und Leidenschaft ist die Druckgraphik. Schon bald entwickelte der junge Mitarbeiter der Galerie ein waches und scharfes Auge für die Feinheiten der grafischen Kunst. Er geniesst in diesem Bereich weltweit den Ruf als einer der besten und zuverlässigsten Kenner von Rembrands Zeichnungen. Seine nahezu lückenlose Sammlung hat er bereits dem Kunstmuseum seiner Heimatstadt Basel vermacht. Von den Kunstblättern hat er sich aber noch nicht endgültig getrennt. Sie gehören zu seinem Alltag und er möchte den Bezug zu diesen unvergleichlichen geistigen und künstlerischen Werten in seinem Umfeld nicht missen.
Auch Paul Klees Druckgraphik ist ein Lieblingsbereich Kornfelds. So widmete er auch dem grafischen Schaffen Klees ein wegweisendes und umfassendes Werkverzeichnis, ein kunstwissenschaftliches Grundlagenwerk in dem die ganze leidenschaftliche Auseinandersetzung mit Klee erkennbar wird. Zu seinem 80. Geburtstag hatte das Kunstmuseum Bern Eberhard W. Kornfeld als Dank und Anerkennung eine kleine Ausstellung durchgeführt, die in erster Linie Klees Druckgraphik zeigte. „Die Ausstellung gilt nicht nur Klee, sondern vor allem seinem grossen Kenner seines Werkes, Eberhard W. Kornfeld“, präzisierte Direktor Matthias Frehner. Und vor knapp drei Jahren stand Klees Graphik im Mittelpunkt einer Ausstellung im Zentrum Paul Klee in Bern. „Die Passion des Eberhard W. Kornfeld „ bildete den Hintergrund. Die Ausstellung war nämlich als „Hommage an Kornfeld“ konzipiert und aufgebaut. Mit Gegenständen aus dem Alltag des Galeristen, Möbel, Bücher, Kunstwerken usw. wurde das persönliche Umfeld von Kornfeld rekonstruiert, was die aussergewöhnliche, facettenreiche Persönlichkeit des Berner Galeristen, eine ganz der Kunst verpflichteten „Künstlerpersönlichkeit“, in seiner ganzen Grösse und Lebendigkeit erkennen liess. Auch die Referenz an die Basler Fasnacht durfte da nicht fehlen. Kornfeld ist eben auch in Bern ein echter Basler geblieben und ein Fan der Fasnacht am Rheinknie. Da wurde auch sichtbar gemacht, wie sehr die Basler Kultur Kornfeld eine zweite Seele bedeutet. Die Anbindung an die Art Basel kann also nicht mehr verwundern. Doch Kornfeld ist auch Berner. Die Stadt hat ihm 2011 das Ehrenbürgerrecht verliehen, die Universität Bern bereits 1982 den Ehrendoktortitel. Die internationale Anerkennung findet Ausdruck u.a. in Auszeichnungen wie beispielweisse Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres (Frankreich/1991), das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland (1984). .