Champagner und Millionen flossen in diesen Tagen in Basel in Strömen. Die Rheinstadt war Hauptstadt der Welt. Der Welt der Kunst. Kaum waren die letzten Spuren der Baselworld weggefegt, der letzte Luxusstand der letzten Luxusuhrenhersteller abgebaut, zogen die Leute einer ganz anderen Branche in die Hallen des gigantischen Messekomplexes. Und ein Hauch von Luxus kennzeichnet auch die Kunstmesse Art Basel. Der Luxustempel der Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron ist für einen solchen Event wie auf Mass zugeschnitten. Art Basel ist die grösste unmd beste Kunstmesse der Welt. Davon zeugen nicht zuletzt die 150 Privatjets, die in diesen Tagen auf dem internationalen Flughafen Basel-Mulhouse gelandet sind. Händler, Sammler, Galeristen, Museumsdirektoren, Ausstellungsmacher, Investoren, Kunstfreunde, kurz alles was auf diesem schillernden Markt sich tummelt und einen Namen und Klang hat, reiste auch dieses Jahr wieder nach Basel. Die Veranstalter rechneten mit 65 000 Besucherinnen und Besuchern. Die offiziell nur vier Tage dauernde Messe schliesst heute Sonntagabend ihre Pforten. Geöffnet für Geladene und Privilegierte war sie allerdings schon Anfang Woche. Große Geschäfte lassen sich offensichtlich unter Ausschluss der grossen Öffentlichkeit besser abschliessen.
Kunst für zwei Milliarden Franken
Der Marktwert der ausgestellten Werke wurde auf ca. zwei Milliarden Franken geschätzt. Über einzelne Preise ist kaum etwas zu erfahren. Waren früher an den Ständen bei einzelnen Werken noch Richtpreise ablesbar, so werden heute keine Angaben mehr gemacht. Sechs- ja siebenstellige Zahlen sind jedoch keine Seltenheit, in anbetracht des hochkarätigen Angebots. Werke von Basquiat, Dubuffet, Louise Bourgeois, Beuys, Picasso, Soulage, Rothko bis hin zu den chinesischen und japanischen Künstlern haben eben ihren Preis. An Käufern fehlte es nicht. Kaum hatte die Messe ihre Tore geöffnet wurde eine Plexiglas-Skulptur mit Spiegeleffekt von David Altmejd, ein junger Künstler aus Montreal für 300 000 Euros erworben. Zwei Bilder von Miro sollen für 22 bzw. 17 Mio. Dollars angeboten worden sein. Ein Werk von Gerhard Richter, ,Abstraktes Bild, war 20 Mio. Dollars wert. Bilder des jungen und bereits sehr gesuchten Amerikaners Joe Bradley fanden minutenschnell für 150 000 Dollars Abnehmer. Das sind nur ein paar Beispiele. Der letztes Jahr auf dem Kunstmarkt allein über Auktionen erzielte Umsatz wird mit 12,3 Milliarden Dollars angegeben. Nur neun Prozent entfielen auf zeitgenössische Kunst. Krisezeichen sind auf dem Kunstmarkt kaum auszumachen. Die Interessenten sind höchstens wählerischer geworden und greifen nach sicheren Werten.
Art Basel beherbergt über 300 international renommierte Galerien, die zu den einflussreichsten und innovativsten zählen und in 39 Ländern auf fünf Kontinenten über eigene Ausstellungsräume verfügen. Angeboten wurden Arbeiten von über 2000 Künstlern. Werke aus elf Jahrzehnten, von der klassischen Moderne des frühen 20. Jahrhunderts bis zur Kunst der Gegenwart. Die europäischen Galerien waren stark vertreten. Grösser als jemals war die Präsenz aus dem asiatisch-pazifischen Raum. Zum ersten Mal in der Geschichte der Art Basel waren Aussteller aus den Philippinen und Singapur dabei.
Massenandrang bei den Galerien
Die Messe ist ins zahlreiche Sektoren aufgegliedert, was die Übersicht teilweise erleichtert. Die ganze Messe, wohl die grösste Kunstausstellung der Welt neben der Biennale von Venedig, an einem Tag zu durchwandern, ist quasi unmöglich. Im Rundhofgebäude haben sich die Galerien eingerichtet. Auf zwei Ebenen zeigen sie ein äusserst vielseitiges, extrem breitgefächertes Angebot, das von den wunderbaren Gemälden und Skulpturen berühmter Künstler bis zu den Lithografien, und den Werken der zeitgenössischen Künstler reicht. Gerade in dieser Sparte gab es viel Neues und viele neue Namen zu entdecken. Vor allem im ersten Stock öffnete sich einem eine andere, recht bunte, phantasievolle Welt in der das Ausgeflippte Platz gefunden hat. Unübersehbar gegenwärtig ist an der Messe die Photographie, die sich von Jahr zu Jahr stärker als vollendete Kunst profiliert. Ebenso die Videos und der Film,die vorwiegend in Unlimited zuhause sind.
Der Besuch der Unlimited kommt einem regelrechten Marathon gleich. Es handelt sich um einen spektakulären Höhepunkt der Art Basel. Hier locken grossformatige Werke, oft gigantischen Ausmasses, vielfach höchst originelle Installationen. Das Grenzenlose in seinen endlosen Dimensionen, wie es mit Vorliebe in der Kunst der Gegenwart sehr oft zum Ausdruck kommt, feiert hier seinen Höhepunkt. Im langgestreckten neuen Hallenkomplex hat die bisher umfangreichste Projektschau eine angemessene Unterkunft gefunden. Insgesamt 79 Werke (um die 60 in den Vorjahren) wecken Begeisterung, sorgen für Staunen, Schmunzeln und manchmal auch für Kopfschütteln wenn eine Darstellung ins Absurde hineinmündet. Die zeitgenössische Kunst bietet eben Raum für die ausgefallensten Ideen. Das Verrückte findet hier eine verblüffende Verwirklichung. Eine faszinierende, oft auch verwirrende Präsentation eindrucksvoller Werke, darunter viele von musealer Qualität. Im diesem Sektor haben die Galerien Gelegenheit überdimensionale Skulpturen und Installationen zu zeigen, die den Rahmen der traditionellen Messestände sprengen würden. Es sind alles Werke zeitgenössischer Künstler, von Carl Andre, Marc Camille Chaimowicz, über Nachwuchstalente wie Esther Kläs, Oscar Murillo bis zu den etablierten Meistern wie Ai Weiwei, Susan Hiller und Thomas Schütte um nur diese zu nennen. Zum zweiten Mal in Folge wurde Unlimited von Gianni Jetzer, Direktor des Swiss Institute in New York, kuratiert.
Zwei Highlights
Zu den Highlights zählt eindeutig das grösste je in diesem Sektor ausgestellte Gemälde (22 x 7 Meter),“Two into One becomes Three“ von Matt Mullican. Der aus Kalifornien stammende, 1951 geborene Künstler, hat ein eigenwilliges, komplexes bildnerische Werk geschaffen. Das in Basel gezeigte monumentale Panorama ist aus 70 einzelnen Leinwänden zusammengefügt. Das Bild besteht aus vielen Bildern und besticht durch eine eigenwillige Systematik des Farbeinsatzes. Hier dominieren gelb und schwarz. Verblüffend und grossartig ist auch die Installation „In Silence“ von Chiharu Shiota. Aus schwarzen Wollfäden hat der Japaner einen grossen, einem Spinnennetz nachempfundenen Raum geschaffen. Darin steht verlassen und verloren ein verkohlter Flügel, davor ein paar Stühle. Eine gespenstische, traumhafte Installation, der es nicht an Poesie und Aussagekraft fehlt, wird doch hier wirkungsvoll Vergängliches und Unvergängliches miteinander verknüpft und wahrnehmbar gemacht, nämlich das zu Asche bestimmte Materielle und die in die Welt des Geistes führende Musik. Das sind nur zwei Beispiele der zahlreichen Präsentationen, die alle ausnahmslos Beachtung verdienen.
Überraschende Momente
Auf eine ganz spezielle Art wussten zwei Künstler auf das Leben und auf rein menschliche Dimensionen hinweisen und für überraschende Momente sorgen. Wer denkt schon an Kunst, an Ausstellungen, wenn man beim Rundgang plötzlich von einem Jogger überholt wird? Genau das erlebte der Besucher auf seinem Rundgang durch die Unlimited. Das „Kunstwerk“ hat der Brite Martin Creed „auf die Beine gestellt“. Er wollte damit auf jenen Menschen aufmerksam machen, der eilend, gedankenlos durch ein Museum oder eine Ausstellung geht und sich kaum Zeit gönnt, um Kunst, in gleich welcher Form auch diese sei, anzusehen und vielleicht in sich aufnehmen. Staunend und nach Sinn fragend werden weiter zwei junge Frauen erblickt, die mitten im Ausstellungsraum offenbar grundlos eine Art Absperrband aus kleinen weiss-roten Fähnchen in den Händen halten? Die Installation stammt von der argentinischen Künstlerin Amalia Pica. Mit einfachsten, und ebenso billigen Mitteln will sie verdeutlichen, wie sehr sich Menschen fremd sein können, weit voneinander stehen, sich nicht nähern können, sich nicht ansprechen und auch nicht hören können. In der Tat eindrückliche, aussagekräftige Darstellungen. Vergänglich und unverkäuflich.
Favela-Hütten im Schatten von Herzog & de Meuron
Der japanische Künstler Tadashi Kawamata hat auf dem Messeplatz, im Schatten des Architekturmonuments von Herzog & de Meuron, ein kleines Hüttendorf erstellt. Aus alten Brettern und Wellblech hat der Künstler ein Dutzend kleine Hütten zusammen gebastelt. Ein sogenanntes Favela Café wurde integriert. An einer anderen Bude wurden Imbisse angeboten. Ein Rastplatz für die erschöpften Messebesucherinnen und Besucher. Dem Künstler ging es natürlich um weit mehr. In Mitten des luxuriösen Messekomplexes, in unmittelbarer Nähe des Standplatzes der für VIP-Personen reservierten Luxuslimousinen, wurde ein unübersehbarer Kontrast geschaffen. Der Japaner ist spezialisiert auf solche Eingriffe im öffentlichen Raum. Nicht eine Nachahmung der Favela-Hütten, wie sie in den südamerikanischen Slumvierteln der Grossstädte anzutreffen sind, war primär seine Absicht. Sicher hat er die urbanen, revolutionär geprägten, illegalen Randerscheinungen in Armenvierteln als Leitgedanke seines künstlerischen Schaffens aufgenommen. Es ist ihm primär ein Anliegen, auf Veränderungen der städtischen Strukturen hinzuweisen, das Provisorische und Vergängliche hervorzuheben. In der NZZ wurde er als Bau-Poet bezeichnet. Kawamatas Werke haben nur eine temporäre Lebensdauer. Auch die Hütten der Art Basel werden wieder abgebaut. Sie sollen nicht ganz verschwinden, sondern im Basler Hafengebiet wieder aufgebaut werden.
Eine Stadt wird zur Kunstmesse
Der Geist der Art Basel hat längstens das Messeareal verlassen und die ganze Stadt überflutet. So finden zahlreiche Nebenausstellungen, kleine Satelliten-Messen, in Basel statt. Bei allen handelt es sich um sehenswerte Präsentationen. Qualität ist auch hier vorherrschend. Besondere Aufmerksamkeit fand beispielweise der von der Art Basel organisierte „Parcours“. Jedes Jahr werden in einem anderen Stadtquartier Ausstellungen aufgebaut und die Bevölkerung hat Gelegenheit ungezwungen und in einer fröhlichen Atmosphäre und erst noch gratis mit der Kunst Bekanntschaft zu machen. Dieses Jahr war das Kasernen-Quartier Klingental an der Reihe.
Die Art Basel entfaltet sich so zu einem zu einem bunten, volkstümlichen Kunst-Festival. Die tiefe, jahrhunderte alte traditionelle Verwurzelung Basels mit Kunst und Kultur findet hier jeweils sicht- und fühlbaren Ausdruck. Die Museen der Stadt und Umgebung tragen mit ihren Sommerausstellungen und Partys das ihre dazu bei. Und die grossen Galerien laden zu rauschenden Festen. Das Programm ist äusserst vielseitig und originell und stets bestehen Fäden, die das ganze mit der Messe selber eng vernetzen. Gerade in diesem Hinblick und mit allen Festen und Partys rings um die Messe, bildet die Art Basel auch eine Art Jahrmarkt der Kunst. Vielfach finden Künstler später über diesen Umweg gar den Weg direkt in die Art selber.
Basel, Miami, Hongkong
Die Art Basel ist heute international bestens vernetzt. Schon früh wurde die Notwendigkeit einer weltweiten Vernetzung erkannt. Der frühere Direktor und heutige Chef der Fondation Beyeler in Riehen, Sam Keller, hatte es meisterhaft verstanden, eine Grundlage für die internationale Expansion zu schaffen. So wurde die Art Basel nach Amerika exportiert. Die Art Basel Miami wurde rasch zu einem erfolgreichen Standort. Und vor knapp einem Monat wurde erstmals die dritte Tochter, die Art Basel Hongkong vorgestellt. Auch im asiatischen Raum war der Erfolg sogleich zur Stelle. Die Basler Kunstmesse ist somit In den drei wichtigsten Kunstmärkten der Welt in führender, tonangebender Position dabei. „Wir wollen nicht etwa dreimal dieselbe Messe zeigen“, versichert der heutige Direktor der Art Basel, Marc Spiegler. Die Besucher sollen in Basel, Miami und Hongkong jeweils eine eigene Atmosphäre verspüren und ein Angebot antreffen, das von dem Ort geprägt ist, an dem die Messe stattfindet, definiert Spiegler die Absicht der Basler.
Starke Partner
Diese Entwicklung erfreut auch die Partner, in erster Linie die UBS, die seit Jahren die Veranstaltung unterstützt. Die Grossbank bezeichnet sich als Globaler Lead Partner. Vor knapp drei Wochen ist ein mehrjähriger Vertrag in Kraft getreten. Die UBS verfügt übrigens über eine eigene Kunstsammlung bestehend aus 35 000 Werken. Zu den weiteren Partnern von Art Basel gehören u.a. die französische Champagner-Marke Ruinard, der schweizerische Luxusuhren-Hersteller Audemars Piguet, um nur diese zu nennen. Die Luxuslimousinen tragen die drei Buchstaben BMW. Medienpartner ist die Financial Times. Alle erblicken in der Partnerschaft mit der Kunstwelt eine einzigartige Gelegenheit, sich zu profilieren. Das zeigt wie sehr der Kunstmarkt mit dem Luxus und der Finanzwelt eng verwoben ist.